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Author: Esther Schneider

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Ich bin Esther Schneider und das ist mein Literatur-Talk. Ich treffe mich hier mit Autor*innen und versuche herauszufinden, was sie umtreibt beim Schreiben, wie sie auf ihre Themen kommen, welche Bücher sie lesen und wie ihre Phantasiewelt aussieht. Kurz, ich bin interessiert an «the writers voice».
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LiteraturPur #18: Was ist real, was fiktiv? Das ist beim Schweizer Schriftsteller Peter Stamm nie so eindeutig. Seine Romane sind oft ein Gemenge aus Realem und Erfundenem und haben dadurch etwas Traumhaftes. Auch die Figuren wirken entrückt und geheimnisvoll. Das ist auch im neusten Roman mit dem Titel «In einer dunkelblauen Stunde» so. Da spielt Peter Stamm mit Dichtung und Wahrheit. Der Plot: Über den bekannten Schweizer Schriftsteller Richard Wechsler soll ein Dokumentarfilm gedreht werden. Und zwar darüber, wie er ein Buch schreibt. Aber der Autor läuft mitten in den Dreharbeiten davon. Zur gleichen Zeit, da Peter Stamm dieses Buch schreibt, wird auch über ihn ein Dokumentarfilm gedreht. Anders als seine Figur im Buch, läuft er nicht weg, sondern beendet den Film. Der Roman ist eine raffinierte Verwirr- und Verwechslungsgeschichte von Autor zu Autor. Eines ist aber klar, es ist keine Autofiktion. Im Gespräch erzählt mir Peter Stamm, wss ihn an diesem Verwirrspiel fasziniert. Weiter sagt er, dass Schreiben gefährlich sein kann, weil es ihn dazu verführt, das reale Leben zu vernachlässigen. Er verrät mir aber auch, was ihn wieder in die Realität zurückholt. Und warum er Abenteuer lieber in der Fiktion als in der Realität erlebt.
LiteraturPur #17: Irgendwas ist immer, sagt Kommissär Müller von der Kriminalpolizei Basel. Er wird gerade ziemlich auf Trab gehalten durch seltsame Bagatellfälle. Da wird ein Enkelbetrüger von einem Hund angefallen. Im Supermarkt bekommt ein rüpelhafter Drängler Prügel von rabiaten Seniorinnen. Ein ultraliberaler Politiker liegt mit einer Kopfwunde ohnmächtig am Boden. Das Wurfgeschoss war ein Handy. Und dann wird ein Jungunternehmer mitten in der Nacht in einen eiskalten Brunnen getunkt. Es sind alles kleine Vergehen, aber sie häufen sich. Ist das Zufall, frag sich Müller, oder treibt da jemand sein Unwesen. Auch der neunte Krimi von Raphael Zehnder «Müller und der Himmel über Basel» ist eine Milieustudie. Und er kommt ganz ohne Mord aus. Der Autor richtet den Blick auf die problematischen Seiten unserer Gesellschaft. Etwa die zunehmende Polarisierung in der Politik oder die Vereinsamung und Ausgrenzung von alten Menschen und solchen, die finanziell untendurch müssen. Trotz des gesellschaftskritischen Ansatzes besticht der Krimi durch seinen Humor und seinen ironischen Unterton. Eine literarische Satire vom Feinsten. Im Podcast erzählt mir Raphael Zehnder, warum es ihm um Kommissär Müller nie langweilig wird, wrdhalb er brutale Morde uninteressant findet und welche Rolle die Musik in seinen Romanen spielt.Raphael Zehnder: Müller und der Himmel über Basel, Emons Verlag
LiteraturPur #16: Sarah Elena Müller beschreibt in ihrem Romandebut «Bild ohne Mädchen» einen Fall von Kindesmissbrauch - ein Thema, das immer wieder Schlagzeilen macht, gerade kürzlich im Fall eines Schauspielers am Wiener Burgtheater. Oftmals schaut das Umfeld lange - zu lange - einfach weg.Das ist auch in der Geschichte von Sarah Elena Müller so. Ein Kind, irgendwo in der Schweizer Provinz, verbringt viel Zeit bei einem netten Nachbarn. Es darf bei ihm Videos schauen, was zuhause verboten ist. Der Nachbar ist Medientheoretiker und Philosoph. Er filmt das Kind und missbrauch es. Was genau passiert wird nicht geschildert. Wir erfahren nur über das Verhalten des Kindes, über seine inneren Bilder, dass etwas nicht stimmt. Die Autorin hat eine Sprache gefunden für eine beklemmende Geschichte, die den sexuellen Missbrauch des Kindes andeutet und zeigt, wie Erwachsene Warnsignale nicht sehen wollen. Es ist eine Sprache, die einfühlsam und streckenweise auch humorvoll die Sicht des Kindes auf die Erwachsenenwelt beschreibt und dabei ganz nahe an der kindlichen Realität bleibt. Ein Kind, das nicht versteht und doch merkt, dass etwas nicht stimmt. Sarah Elena Müller ist eine politisch engagierte Künstlerin und Autorin und das Thema Missbrauch und Kinderpornographie schildert sie hier vor dem Hintergrund der antiautoritären Erziehung und Reformpädagogik, wo der freizügige Umgang mit Sexualität selbstverständlich war. Und wo man die Gefahr von Missbrauch lange nicht sehen wollte. Es ist der erste Roman von Sarah Elena Müller. Sie experimentiert aber schon lange mit Sprache, multimedial als Kolumnistin, Musikerin, Performerin und mit Virtual Reality.
LiteraturPur #15: Ich habe den Schweizer Schriftsteller Charles Lewinsky zu einem langen Gespräch getroffen. Wir reden darüber, wie er für jede Geschichte eine eigene Sprache finden muss. Weiter erzählt er mir, dass er als Autor keine Macht hat, eine Figur zu ändern, auch wenn sie ihn nervt. Figuren, meint er, haben ein Eigenleben, deshalb lasse er sie eigenständig handeln und sei oftmals selber überrascht, welchen Weg sie gehen. Für ihn muss das Schreiben überraschend und abenteuerlich sein, sonst langweilt er sich. Und natürlich diskutieren wir über Themen, die ihn anziehen. Charles Lewinsky greift in seinen Romanen gern historische Themen auf. Bei Melnitz war es die Geschichte der Juden in der Schweiz von 1871-1945. Sein neuster Roman «Sein Sohn» spielt zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in den Jahren nach der Französischen Revolution. Die Geschichte handelt von Louis Chabos. Ein Waise, den es aus dem Waisenhaus in Mailand mit der Armee Napoleons zuerst nach Russland verschlägt und danach in die Bündner Herrschaft. Dort erfährt er, dass er ein unehelicher Sohn des französischen Königs ist. Das treibt ihn – wen wunderts - mitten in einer Choleraepidemie nach Paris. Eine gefährliche Sache. aber Charles Lewinsky liebt das Abenteuer und seine Figur auch.
LiteraturPur #14: Unsere Gegenwart biete wenig Raum für das Exzentrische, findet Eckhart Nickel. Umso exzentrischer sind daher die Figuren in seinem neuen Roman «Spitzweg». Er handelt von drei jungen Menschen, die - auf der Suche nach sich selbst - aus der Realität in die Kunst flüchten und dabei fast verlorengehen. Es ist ein Roman über Kunst, aber auch über Musik und die stilvolle Art zu leben. Deshalb unterhalt ich mich mit Eckhart Nickel unter anderem über seine Liebe zu: Punk Bands wie Vampire Weekend, Bram Stoker's Dracula und Mode, die die Zeit überdauert. Dabei verrät er mir, was ihn an Löschblättern und Sockenhaltern fasziniert und warum er noch nie Hafermilch getrunken hat. Und ich erfahre, dass ihn die heutige Konsumwut zum Konservativen gemacht hat und er deshalb Kleider trägt bis sie zerfallen. Etwa seine rote Jacke aus dem Jahr 1982. Eckhart Nickel ist Autor, Lifestyle-Papst, Kunstkenner, wandelndes Lexikon, Parfumtester und ein geistreicher Gesprächspartner.
LiteraturPur #13: Isidor ist ein Dandy. Er lebt in einem 10-Zimmer Palais und gibt jeden Sonntag eine Gesellschaft für die Schönen und Reichen in Wien. Er, der aus einer sehr armen, jüdisch-orthodoxen Familie aus Galizien stammte, hat es geschafft. Er ist assimiliert, angesehen und sehr reich. Dann kommen die Nazis an die Macht, rauben ihn aus und treiben ihn in den Tod. Seinen Geschwistern gelingt in letzter Sekunde die Flucht nach Palästina. Heute, über 80 Jahre später, macht sich seine Urgrossnichte Shelly Kupferberg auf die Spurensuche nach Isidor. Sie findet Briefe auf einem Estrich, Akten in Archiven und Listen seines ehemaligen Besitztums. Und sie erinnert sich an Erzählungen ihres Grossvaters über Isidor. Daraus hat sie eine berührende Geschichte über ihre Vorfahren aus Wien geschrieben, die den Holocaust erlebt und erlitten haben.
LiteraturPur #12: Sie liegt in anzüglicher Pose auf dem Rücken und schaut die Betrachter*innen herausfordernd an. Eine junge Frau, gemalt vom Künstler Egon Schiele. Wer ist sie? Wie heisst sie? Was hat sie für ein Leben gehabt? In welcher Beziehung stand sie zum Künstler? Das steht nicht unter dem Bild im Museum. Die Schweizer Autorin Martina Clavadetscher wollte es wissen und begann zu recherchieren. Im Buch "Vor aller Augen" lässt Martina Clavadetscher 20 Frauen aus weltberühmten Gemälden zu Wort kommen. Frauen die portraitiert wurden von Malern wie Leonardo da Vinci, Rembrandt, Raffael, Manet etc. Im Gespräch erzählt die Autorin, was sie dabei über die Lebensbedingungen von Frauen in früheren Jahrhunderten herausgefunden und was sie frei erfunden hat. Und sie verrät, welche Geheimnisse hinter gewissen Bildern stecken und warum ein Bild mehr als hundert Jahre versteckt worden ist. Der Spass am Buch "Vor aller Augen" ist: Frauen, die jahrhundertelang nur angeschaut wurden, beginnen zu reden. Und da kommt einiges auf den Tisch.
LiteraturPur #11: Wenn ihr in einer klaren Nacht in den Sternenhimmel schaut, fragt ihr euch da, ob es ausserirdisches Leben gibt? Fändet ihr das eher beruhigend oder bedrohlich. An der ETH gibt es neu eine Forschungsabteilung, die der Frage nach möglichem Leben nachgeht. Die Literatur tut dies schon lange. Sie reist seit Jahrhunderten ins All, auf den Mond, auf den Mars. Sei es in Raumschiffen oder über Séancen. Philipp Theisohn, Literaturprofessor an der Universität Zürich, nimmt uns mit auf eine literarische Reise ins All. Ich unterhalte mich mit ihm über sein Buch «Einführung in die ausserirdische Literatur – Lesen und Schreiben im All. Da erklärt er mir, warum wir das Ausserirdische in uns entdecken sollten. Und er stellt die These auf, dass ausserirdische Literatur nicht nur vom All erzählt, sondern, dass sie aus dem All kommt.
LiteraturPur #10: Corinna T. Sievers schreibt gern über Sex, explizit und direkt. Bisher ging es in ihren Romanen vor allem um die weibliche Lust, die sie als stark, divers und radikal beschreibt. Sie erzählte von Frauen, die ihre Lust ungehemmt ausleben, sich nehmen, was sie wollen. Im neusten Roman "Propofol" wechselt die Autorin die Perspektive und versetzt sich in den Kopf eines sexbesessenen Arztes, der Mühe hat alt zu werden. Im Gespräch erzählt mir Corinna, was sie an diesem Perspektivenwechsel reizt und was sie selber für ein Verhältnis hat zum Alter und dem Verlust der Schönheit. Zudem sprechen wir über ihr Doppelleben als Zahnärztin und Schriftstellerin und wie die Reaktionen in ihrem Umfeld darauf sind. Und sie verrät, warum sie nur nachts schreibt.
LiteraturPur #9: Drei autofiktionale Romane hat Tom Kummer über sich und seine verstorbene Frau Nina geschrieben. Im ersten ging es um das qualvolle Sterben von Nina. Im zweiten um die Trauer von Tom. Und im dritten, mit dem Titel «unter Strom», erzählt Tom Kummer von einer Beziehungskrise in den 90er Jahren. Als Nina für ein paar Tage abhaute und sich in eine Frau verliebte. Ein Roadtrip mit dem Töff durch die Schweiz. Bloss, was treibt Tom Kummer an, in seinen Romanen immer ganz nahe an seinem eigenen Leben entlang zu schreiben? Das ist eine Frage, die ich mit ihm im Podcast LiteraturPur diskutiere. Und dann geht es auch um Gewalt, das Trauern, den Lifestyle der 90er Jahre, die Musik und sein Bad Boy Image.
LiteraturPur #8: Rebecca Gisler verrät mir im Gespräch über ihren Roman «Vom Onkel», was sie an der Kult-Serie «Twin Peaks» von David Lynch so fasziniert und warum sie das Absurde und Surreale magisch anzieht. Und dann reden wir noch über Onkelfiguren in der Literatur und über Heavy Metal. Rebecca Gisler hat für ihren Debutroman «Vom Onkel» einen der Schweizer Literaturpreise vom BAK bekommen. Es ist eine wilde und verrückte Familiengeschichte rund um einen einsamen, verwahrlosten Onkel und seine Nichte und deinen Neffen, die in einer Art Wohngemeinschaft zusammenleben. Ein geheimnisvolles Buch mit doppeltem Boden.
LiteraturPur #7: Alain Claude Sulzer wäre gerne mal an einem der Salons von Prinzessin Mathilde, oder einem der anderen literarischen Salons im Paris des 19. Jahrhunderts dabei gewesen. Mal reinhören, was da geredet wurde. Aber leben möchte er in dieser Zeit definitiv nicht. Im Gespräch erzählt er mir, warum er dennoch gedanklich in diese Zeit eintaucht und das Leben der Gebrüder Goncourt und ihre Tagebücher als Vorlage für seinen Roman «Doppelleben» genommen hat. Die Goncourts, die in den Salons verkehrten und allen Gossip, den Tratsch und Klatsch zuhause in ihren Tagebüchern festgehalten haben. Sie waren gute Beobachter und Chronisten ihrer Zeit. Aber sie haben nicht bemerkt, dass ihre Magd vor ihren Augen existenzielle Dramen erlebt, schwanger wird, ein Kind gebiert und ihre Dienstherrren bestiehlt. Alain Claude Sulzer wirft einen Blick in das Paris der eleganten Salons und in das Paris der Hinterhöfe. Und ich habe ihn im Gespräch dahin begleitet.
LiteraturPur #6: Ich unterhalte mich mit Thomas Hürlimann über seinen neuen Roman «Der rote Diamant» , eine geistreiche, turbulente, und verschmitzte Geschichte über das Internatsleben, den Katholizismus und die Unsterblichkeit der Seele. Der Autor erzählt von seinem Leben als Klosterschüler im Stift Einsiedeln. Was es bedeutet, acht Jahre lang nur ein einziges und erst noch mystisches weibliches Wesen um sich zu haben, die schwarze Madonna. Das hatte zur Folge, dass er als junger Mann in einer Kneipe in Berlin fast in Ohnmacht fiel, als Frauen am Nebentisch über den weiblichen Orgasmus diskutierten. Wir haben weiter über seine Liebe zu Abenteuerromanen gesprochen und warum er Kindern empfiehlt Harry Potter Romane zu lesen. Und er äussert sich über seine politische Haltung, die Abneigung gegen Ideologien und die Gnade des Vergessens.
LiteraturPur #5: Gary Shteyngart sammelt Schweizer Uhren, findet die drei Buchstaben NZZ cool und hat Zürich als Schlemmer-Mekka entdeckt: Ich treffe den US-amerikanischen Literaturstar Gary Shteyngart in einem Zürcher Hotel zum Gespräch über seinen neuen Roman «Landpartie». Darin beschreibt er, wie sich eine Gruppe von Freunden in der schlimmsten Phase der Corona Pandemie auf ein Landgut ausserhalb von New York zurückzieht und in allerlei Verwicklungen gerät wie Liebesromanzen, Ehebruch und Verrat. Gary Shteyngart ist smart, charmant und vor allem sehr witzig. Jeder Satz, den er sagt, ist gespickt mit sarkastischen und witzigen Anspielungen, die manchmal bis hart an die Grenze gehen, von dem, was man sagen darf. So macht er sich lustig über Putin, der im Krieg nichts auf die Reihe kriege oder Trump, der nicht einmal wisse, wo genau die Schweiz liegt. Er ist aber auch gnadenlos mit sich selber. Ernst wird Gary Shteingart, wenn es um den Zustand unserer Gesellschaft geht. Er findet, unsere Demokratie sei in «deep shit». Sie sei auf der Kippe und man wisse nicht, auf welche Seite es geht. Und da sei Humor ganz wichtig. Humor ist für Gary Shteyngart eine Waffe, die man gegen Diktaturen und gegen Despoten anwenden kann und muss.
LiteraturPur #4: Soziale Medien vergiften unzensiert unser Hirn und sie unterhöhlen die Demokratie, sagt die österreichische Autorin Eva Menasse. Das macht ihr Sorge. Sorgen bereitet ihr auch der Krieg in der Ukraine. Aufgewachsen in der Nähe des «Eisernen Vorhangs» weiss sie um die Labilität von Grenzen. Ihr neuster Roman «Dunkelblum» spielt denn auch in einer fiktiven Kleinstadt an der österreichisch-ungarischen Grenze. Geranien blühen, alles ist putzig. Doch hinter dieser Fassade liegen Abgründe. In diesem Städtchen ist Ende des 2. Weltkrieges ein furchtbares Verbrechen geschehen. Aber im Ort will niemand etwas davon wissen, niemand hat was gesehen oder gehört. Alle schweigen. Dann taucht ein fremder Mann auf und stellt Fragen. Als dann noch ein Skelett gefunden wird und auch junge Menschen wissen wollen, was damals geschehen ist, kommt Unruhe in den verschlafenen Ort. Das fiktive Städtchen «Dunkelblum» muss sich seiner Vergangenheit stellen. Das Schweigen bricht auf. Eine Geschichte, die bis in die heutige Zeit hineinspielt. Das ist es, was Eva Menasse interessiert. Jedes Buch, das sie schreibe, beginne mit einer Frage an sich und an die Geschichte, sagt sie. Darüber rede ich mit ihr. Auch über das, was Menschen schweigen lässt, über Geschichte, die sich wiederholt und Grenzen, die trennen, was zusammengehört.
LiteraturPur #3: Als würde jemand mit dem Schmirgelpapier die Innenseite der Gebärmutter abreiben. So empfindet die Hauptfigur in Julia Webers Buch «Die Vermengung« den Schmerz der Wehen bei der Geburt. Wenn Julia Weber die Geburtsszene vorliest, werden die Zuhörenden bleich. Eine genaue Schilderung einer Geburt ist bis heute ein Tabu und kaum ein Thema in der Literatur. Die Beziehung zwischen Mann und Frau dagegen schon. Auch darum geht es in diesem Buch. Etwa welche Erwartungen die Gesellschaft an Mütter und Väter hat und wie eine Frau Künstlerin und Mutter zugleich sein kann und sich weiterhin ein gewisses Mass an Freiheit erlaubt darf. Eine weibliche Biografie im Spannungsfeld zwischen Kunst und Mutterrrolle.
LiteraturPur #2: Gibt es ein Organ, in dem das Böse sitzt? Das hat sich der Schweizer Schriftsteller Martin R. Dean gefragt, als er bei Recherchen für seinen Roman "Ein Stück Himmel" bei einer Operation dabei war und in den offenen Leib eines verletzten Menschen schaute. Mit einer Operation beginnt auch sein Roman. Ein Arzt wird zu einem Notfall gerufen. Auf dem OP-Tisch liegt sein ältester Freund. Er hatte einen Unfall und ist nun querschnittgelähmt. Der Unfall bringt die beiden Freunde wieder näher zusammen, aber sie scheitern an den Erwartungen und den Umständen. Ich rede mit Martin R. Dean über diese Freundschaft, seine Gedanken zur modernen Medizin und darüber, wie er beim Schreiben dieser Geschichte seiner eigenen Todesangst begegnet ist."Ein Stück Himmel" ist im Atlantis Verlag erschienen.
LiteraturPur #1: Unverschämt verwildern mit Simone Lappert. Ich bin Esther Schneider und unterhalte mich mit der Schweizer Schriftstellerin Simone Lappert über ihr neues Buch "längst fällige verwilderung". Wir reden über Frauen, die nicht nett sein wollen sondern wild. Wir fragen wie das Verwildern am besten geht und wo man heute ungebremst und unverschämt scheitern kann. Das Buch ist erschienen im Diogenes Verlag
LiteraturPur #64: Gerade im Krieg sei die Literatur wichtig, sagt der irakisch-schweizerische Autor Usama Al Shahmani. Sie kann andere Geschichten erzählen als die von Gewalt und Tod. Sie kann Brücken schlagen. Ich habe Usama Al Shahmani für den Podcast LiteraturPur zum Gespräch getroffen. Wir haben über seinen neuen Roman «In der Tiefe des Tigris schläft ein Lied»gesprochen. Darin nimmt er uns mit in seine Heimat, den Irak. Er beschreibt, wie Bagdad einst eine blühende Stadt war, in der Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen friedlich zusammenlebten. Es gab auch eine grosse jüdische Gemeinde. Doch in den 1930er Jahren kam der Faschismus nach Bagdad. Nazis verbrüderten sich mit den Nationalisten im Irak. Es kam zu ersten Progromen. Nach der Gründung Israels, im Jahr 1948, wurde die jüdische Bevölkerung dann endgültig aus dem Irak vertrieben. Umsama Al Shahmani taucht über eine Vater-Sohn-Geschichte tief in dieses dunkle Kapitel der Geschichte Bagdads ein.  Usama Al Shahmani «In der Tiefe des Tigris schläft ein Lied» Limmat Verlag
LiteraturPur #63: Kinder flitzen über einen gefrorenen Weiher und entdecken einen toten Mann, eingefroren im Eis. So beginnt der neue Roman von Martina Clavadetscher mit dem Titel «Die Schrecken der anderen». Es ist ein Roman, der daherkommt wie ein Krimi. Aber das täuscht. Es ist ein gesellschaftskritischer Roman über den Umgang mit Vergangenheit. Der Roman führt nämlich schon bald in grauslige Untiefen der Schweizer Geschichte in den 1930er Jahren, aber mit einem Suspense wie in einem Hitchcock Film. Und Alfred Hitchcock, so erzählt mir Martina Clavadetscher bei unserem Treffen in einer Luzerner Bar, sei ein grosses Vorbild für sie. Wie er mit subtilen Details Spannung erzeuge, fasziniere sie. Weiter sagt sie im Gespräch, sei es an der Zeit, dass Kulturschaffende das Storytelling wieder an sich reissen. Sie müssten Geschichten erzählen, nicht die Medien, nicht die Politik, nicht die Wirtschaft sondern die Kunst.Martina Clavadetscher, «Die Schrecken der anderen» C.H. Beck Verlag
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