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BuchZeichen
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Author: Schweizer Radio und Fernsehen (SRF)
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© 2025 SRG SSR
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Der Literaturstammtisch im «BuchZeichen» gibt Buchempfehlungen, macht Lust aufs Lesen und bietet gute und intelligente Unterhaltung. Zur Sprache kommen aktuelle belletristische Werke, Klassiker und auch Sachbücher. Bestseller, Reiseberichte, Gedichtbände - hier hat alles Platz.
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Gleich zwei grosse Namen vereinigt dieses BuchZeichen eine gute Woche vor Weihnachten: Den des aktuellen Booker Prize-Träges David Szalay und den der britischen Literaturikone Jane Austen.
Vor einem Monat gewann der 51jährige kanadisch-ungarisch-britische Autor David Szalay den Booker Prize. Es ist der wichtigste britische Literaturpreis, und Szalay bekam ihn für ein Buch, das im Original den provozierenden Titel «Flesh» (menschliches Fleisch) trägt und von einem vermurksten Männerleben erzählt. Der deutsche Titel, «Was nicht gesagt werden kann», trifft es aber auch. Szalays Held ist ein Mann ohne Worte. Er ist eine Leerstelle und eine Projektionsfläche, insbesondere für die Frauen. Sein Lone-Wolf-Gebaren gefällt ihnen – bis sie ihn wieder loshaben wollen. Schillernd und schroff erzählt David Szalay davon, was es heissen kann, ein Mann zu sein.
Ihre Romane wie «Stolz und Vorurteil», «Emma» oder «Überredung» haben sich in den literarischen Kanon und auch in die Herzen vieler Lesenden eingeschrieben. Doch Jane Austens Leben war nicht ganz so rosig, wie die Happy Ends ihrer Bücher. Sie blieb bis zu ihrem frühen Tod unverheiratet und kämpfte um Anerkennung für ihr Schreiben. Die Graphic Novel von Austen-Expertin Janine Barchas, illustriert von Isabel Greenberg bietet einen einzigartigen Einblick in Austens Biografie. Wir lernen, wo Austen auf Gegenwind traf, wo sie Inspiration fand und wo ihre Unterstützerinnen. leichter Einstieg für angehende Austen-Fans und ein Muss für Austen-Begeisterte meint Ariane Schwob.
Buchhinweise:
David Szalay. Was nicht gesagt werden kann. Aus dem Englischen von Henning Ahrens. 384 Seiten. Classen, 2025.
Janine Barchas und Isabel Greenberg. Jane Austen. Ihr Leben als Graphic Novel. Aus dem Englischen von Eva Bonné. 144 Seiten. Penguin, 2025.
In seinem neuen Roman «Bevor ich alt werde» spürt der Schweizer Autor Daniel Mezger einer existentiellen Frage nach. Und sein österreichischer Namensvetter, Daniel Wisser, wirft mit seinem neuen Buch «Smart City» einen Blick in eine mögliche Zukunft.
Würden Sie wissen wollen, wenn Sie eine unheilbare Krankheit in sich tragen – oder würden Sie lieber im Ungewissen bleiben? Diese Frage steht im Zentrum des Romans «Bevor ich alt werde» des Schweizer Autors Daniel Mezger. Die Protagonistin Charlotte ist Musikerin und stürzt sich auf Konzertbühnen ins volle Leben. Ihre Mutter hingegen leidet an einer tödlichen Krankheit, die durch Vererbung weitergegeben werden kann. Charlotte scheut den Test, der ihr lähmende Gewissheit oder befreiende Klarheit verschaffen würde. Aber spätestens mit Charlottes Kinderwunsch rückt die Krankheit näher. «Bevor ich alt werde» ist ein intimes Mutter-Tochter-Porträt, das Tim Felchlin vor allem wegen seiner musikalischen Sprache überzeugt.
NEUDA ist eine künstliche Stadt. Abgeschirmt von der Umwelt gibt es dort all das, was heute in der Politik diskutiert wird: Sicherheit, Nachhaltigkeit und vor allem: keine Migration. Doch das hat seinen Preis. Die Bewohnerinnen und Bewohner NEUDAS geben dafür einen Teil ihrer Freiheit und demokratischen Grundrechte ab. Der österreichische Schriftsteller Daniel Wisser spielt anhand seiner «Smart City» durch, wie die Forderungen gewisser politischer Strömungen in der Realität aussehen könnten. Michael Luisier bringt das Buch an den Literaturstammtisch.
Buchhinweise:
Daniel Mezger. Bevor ich alt werde. 336 Seiten. Atlantis, 2025.
Daniel Wisser. Smart City. 416 Seiten. Luchterhand, 2025.
Am Literaturstammtisch stellen wir heute drei Bücher vor, die von einer Fachjury zu den lesenswertesten Büchern des Monats gekürt worden sind: «Auf ganz dünnem Eis» von Peter Stamm, «Haus zur Sonne» von Thomas Melle und «In der Tiefe des Tigris schläft ein Lied» von Usama Al Shahmani.
Die SRF-Bestenliste wird jeden Monat von einer Fachjury bestimmt. Zur Jury gehören 50 Buchkritikerinnen, Bibliothekare, Buchhändlerinnen, Literaturwissenschaftler und Vertreterinnen von literarischen Institutionen.
Der Schweizer Schriftsteller Peter Stamm braucht nur wenige Worte, um ganze Leben zu erzählen. Sein neuer Erzählband «Auf ganz dünnem Eis» versammelt neun Geschichten, sprachlich klar und unverwechselbar. Die Figuren in den Erzählungen stehen mitten im Leben, mitten im Alltag. Und genau dort passiert das Überraschende: Stamm macht das Kleine gross, das Unspektakuläre spektakulär, meint SRF-Literaturredaktorin Jennifer Khakshouri.
Der 50jährige deutsche Schriftsteller Thomas Melle leidet seit jungen Jahren an einer besonders schweren Form der bipolaren Störung. 2016 machte er seine Krankheit mit einem furiosen Buch öffentlich. Mit «Die Welt in Rücken» glaubte er, das Schlimmste hinter sich zu haben. Doch er hatte sich getäuscht. Die Krankheit kam heftiger denn je zurück. Das neue Buch zu Thomas Melles Erkrankung konzentriert sich auf die enorme Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die auf eine Manie folgt und gleitet in eine bitterböse Dystopie: Verzweifelten Menschen bietet das Sozialamt einen Aufenthalt in einem Sanatorium an, wo man ihnen ein paar Wochen lang alle Lebenswünsche erfüllt und sie danach in den Tod entsorgt. Klug, unverblümt, oft auch witzig stellt Thomas Melle in «Haus zur Sonne» Fragen, die alle etwas angehen, findet Franziska Hirsbrunner.
In seinem neuen Roman erzählt der in Bagdad geborene und seit über 20 Jahren in der Schweiz lebende Autor Usama Al Shahmani von Heimat, Herkunft, Verlust und Versöhnung. Die Handlung: Der in Zürich lebende Israeli Gadi reist ans Sterbebett seines Vaters. Zurück bleibt er mit einer Tasche voll Aufzeichnungen. Beim Lesen entdeckt Gadi die verdrängte Vergangenheit seines Vaters: ein jüdisches Leben im Irak, geprägt von Ausgrenzung und Flucht. Ein wichtiges Buch, auch um das aktuelle Zeitgeschehen zu verstehen, findet SRF-Literaturredaktorin Annette König.
Buchhinweise:
Peter Stamm. Auf ganz dünnem Eis. 192 Seiten. S. Fischer, 2025.
Thomas Melle. Haus zur Sonne. 320 Seiten. Kiepenheuer & Witsch, 2025.
Usama Al Shahmani. In der Tiefe des Tigris schläft ein Lied. 224 Seiten. Limmat, 2025.
Der Literaturstammtisch bespricht heute «Wir dachten, wir können fliegen», einen Erzählband herausgegeben von Matthias Jügler mit Geschichten zum Thema Artensterben, und «Heimat», einen Roman zum Thema «Tradwives» von Hannah Lühmann.
Der 41jährige deutsche Schriftsteller und Herausgeber Matthias Jügler ist seit Kindheit ein begeisterter Angler. Das Artensterben begegnet ihm bei seinem Hobby immer wieder. Aber dass pro Tag 150 Arten aussterben, wusste er nicht. Als Akt des Widerstands bat er 19 Autorinnen und Autoren, über ein ausgestorbenes Tier oder eine ausgestorbene Pflanze zu schreiben. Von T. C. Boyle (Goldkröte) über Charlotte Gneuss (Mituhokko) und Kim de l’Horizon (Schuppenkehlmoho) bis hin zu Caroline Wahl (Beutelwolf) steuerten die Angefragten wunderbare Geschichten bei. Sie lassen Arten wiederauferstehen, vermitteln aber auch ein Gefühl für den unwiederbringlichen Verlust. Zudem sind sie auf witzige Art lehrreich. Eine Lektüre, die die Literatur feiert, sehr viel Spass macht und zum Nachdenken anregt, findet Franziska Hirsbrunner.
Die deutsche Autorin Hannah Lühmann hat einen Social-Media-Trend zum Thema ihres neuen Romans «Heimat» gemacht: das der «Tradwives», also jener Frauen, die sich ihrer Familie und nicht zuletzt ihren Männern unterordnen, Bilder und Videos aus ihrem Alltag auf Instagram und TikTok posten. Im Roman geht es um die junge Mutter Jana, die aufs Land zieht, dort auf eine solche scheinbar «perfekte Hausfrau» trifft und sich von deren Lebensstil mehr angezogen fühlt, als sie je von sich selbst gedacht hätte. Ein hochaktuelles Buch, sagt Literaturredaktorin Katja Schönherr.
Buchhinweise:
Matthias Jügler (Hrsg.) Wir dachten, wir könnten fliegen. 256 Seiten. Penguin, 2025.
Hannah Lühmann. Heimat. 176 Seiten. hanserblau, 2025.
Der amerikanische Autor John Irving kehrt zurück an den Schauplatz seines Weltbestsellers «Gottes Werk und Teufels Beitrag». Und der deutsche Autor Florian Illies reist mit der Familie von Thomas Mann nach Südfrankreich.
Jimmy Winslow hat zwei Mütter. Bereits diese Ausgangslage ist sinnbildlich für Irvings Generationenroman «Königin Esther». Die unkonventionelle, aber liebevolle Familienkonstellation steht im Zentrum des Buches. Jimmy Winslow wächst behütet auf, geschützt von zweifacher Mutterliebe. Und so scheinen die Turbulenzen des 20. Jahrhunderts dem angehenden Schriftsteller nichts anhaben zu können auf seiner Suche nach der eigenen Identität. Ein eindeutig politisches Buch wie man es von Irving kennt, findet Ariane Schwob.
Als Hitler 1933 in Deutschland die Macht ergriff, floh der Schriftsteller Thomas Mann mit seiner Familie nach Sanary an die Côte d’Azur. Vom aussergewöhnlichen Sommer einer aussergewöhnlichen Familie erzählt Florian Illies in seinem neuen Buch «Wenn die Sonne untergeht». Lebendig und mit viel Amüsement montiert er zahlreiche Anekdoten und Geschichten zu einem literarischen Biopic. Dieses Buch ist auch für all jene ein Lesegenuss, die Thomas Manns Werk noch nicht kennen, verspricht Tim Felchlin.
Buchhinweise:
John Irving. Königin Esther. Aus dem amerikanischen Englisch von Peter Torberg und Eva Regul. 560 Seiten. Diogenes, 2025.
Florian Illies. Wenn die Sonne untergeht. Familie Mann in Sanary. 336 Seiten. S. Fischer, 2025.
Am Sonntag, den 16. November wird der Schweizer Buchpreis 2025 verliehen. In der aktuellen Ausgabe der SRF-Literatursendung «BuchZeichen» stehen die fünf nominierten Werke im Mittelpunkt – mit Analysen, Einschätzungen und persönlichen Leseeindrücken.
Der Schweizer Buchpreis wird jährlich im Rahmen des internationalen Literaturfestivals «BuchBasel» vergeben. Annette König, Simon Leuthold und Markus Gasser aus der SRF-Literaturredaktion diskutieren, was diese Bücher auszeichnet, welche Themen sie verhandeln – und wie ihre Chancen auf den Preis stehen. Dabei geht es nicht nur um literarische Qualität, sondern auch um gesellschaftliche Relevanz, sprachliche Innovation und erzählerische Kraft.
Buchhinweise:
Nelio Biedermann. Lázár. 336 Seiten. Rowohlt Berlin, 2025.
Dorothee Elmiger. Die Holländerinnen. 160 Seiten. Hanser, 2025.
Melara Mvogdobo. Grossmütter. 128 Seiten. Transit, 2025.
Meral Kureyshi. Im Meer waren wir nie. 216 Seiten. Limmat, 2025.
Jonas Lüscher. Verzauberte Vorbestimmung. 352 Seiten. Hanser, 2025.
Der erfolgreiche Bestsellerautor Ian McEwan und die Altmeisterin Margaret Atwood haben über Jahrzehnte kontinuierlich publiziert. Jetzt warten beide mit neuen Büchern auf. McEwan erzählt von einer Welt im Jahre 2119 und Atwood präsentiert in einem fast 800 Seiten starken Buch ihre Memoiren.
Den britischen Autor Ian McEwan kennt man von Bestsellern wie «Abbitte» oder «Der Zementgarten». Nun ist ein neuer Roman von ihm erschienen: «Was wir wissen können», ist eine Dystopie, die im Jahr 2119 spielt. Ein Literaturwissenschaftler begibt sich darin auf die Suche nach einem verschollenen Gedicht. McEwan zeige mit diesem Roman einmal mehr, was für ein versierter Erzähler er ist, sagt SRF-Literaturredaktorin Katja Schönherr. Und er rufe uns in Erinnerung, dass wir den Menschen der Zukunft auch eine Zukunft schulden.
Die heute 85jährige kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood wurde mit ihrer Dystopie «Der Report der Magd» von 1985 weltberühmt. Aus dem Roman entstand 2017 eine Serie, zeitgleich mit Donald Trumps erster Amtszeit. Plötzlich war die Fiktion eines faschistischen Gottesstaats auf dem Boden der USA mit seinem brutalen Frauenhass gespenstisch plausibel. Margaret Atwood ist eine der engagiertesten, klügsten und witzigsten Erzählerinnen überhaupt. Nun legt sie ihre Memoiren vor. Am 4. November werden sie weltweit gleichzeitig publiziert. So lange ist Sperrfrist. Franziska Hirsbrunner freut sich schon, von diesem wunderbaren Buch zu erzählen.
Buchhinweise:
Ian McEwan. Was wir wissen können. 480 Seiten. Diogenes, 2025.
Margaret Atwood. Book of Lives. So etwas wie Memoiren. Aus dem Amerikanischen von Helmut Krausser und Beatrice Renauer. 768 Seiten. Berlin Verlag, 2025.
Bestsellerautor Jan-Philipp Sendker hat mit «Akikos lange Reise» einen berührenden Roman geschrieben, über den Mut neue Wege zu gehen. Und Verena Kessler gelingt mit «Gym» eine bitterböse Satire auf die moderne Leistungsgesellschaft, die vergnüglich zum Lesen ist.
Der deutsche Autor Jan-Philipp Sendker hat mit dem Roman «Akikos lange Reise» erneut eine berührende Geschichte geschrieben, die vom Mut, das eigene Leben zu verändern, erzählt. Die junge Japanerin Akiko hat sich getraut, alle Sicherheiten und Gewohnheiten hinter sich zu lassen und einen völlig neuen Weg einzuschlagen. Zunächst ist nichts wie erhofft. Aber Akiko entdeckt die Kraft, die in ihr steckt. Ein sehr liebevolles und ruhig geschriebenes Buch, das uns mit existentiellen Fragen konfrontiert, findet Britta Spichiger.
Die deutsche Autorin Verena Kessler lässt ihren aktuellen Roman «Gym» in einem Fitnessstudio spielen. Im Zentrum steht eine zunächst unsportliche junge Frau, die sich dort mit einer Notlüge einen Job an der Saftbar ergattert. Da im Gym das Aussehen alles bedeutet, beginnt sie zu trainieren. Sie verliert bald alles Mass, spritzt sich Steroide – und fällt am Ende tief. Das Buch sei leichtfüssig und mit trockenem Humor erzählt und lasse sich als bitterböse Satire auf die moderne Leistungsgesellschaft verstehen, findet Felix Münger, der den Roman mit grossem Vergnügen gelesen hat.
Buchhinweise:
Jan-Philipp Sendker. Akikos lange Reise. 353 Seiten. Blessing, 2025.
Verena Kessler. Gym. 189 Seiten. Hanser Berlin, 2025.
Die Britin Julia R. Kelly erzählt in ihrem unterhaltsamen Debütroman «Das Geschenk des Meeres» von der heilenden Kraft der Empathie. Und der 96-jährige Jahrhundertzeuge Paul Lendvai warnt in seinem historisch interessanten Lebensbericht vom Wiedererstarken des Totalitarismus.
Das Meer kann für uns Menschen manches bedeuten: Sehnsuchtsort, Gefahr oder auch mythisch aufgeladenes Geheimnis. Mit diesen verschiedenen Bildern spielt der berührende Debütroman «Das Geschenk des Meeres» der Britin Julia R. Kelly. Das Buch erzählt von einem schottischen Fischerdorf um das Jahr 1900. Dort gerät das soziale Gefüge durcheinander, nachdem ein Junge in den Fluten ertrunken ist und ein paar Jahre später plötzlich wieder auftaucht. Was ist damals wirklich geschehen? Der Roman erzähle von Hass und Hader, Lebenslügen und Selbstverleugnung - und von der heilenden Kraft der Empathie, sagt Felix Münger.
Paul Lendvai ist Journalist und Jahrhundertzeuge. Geboren 1929 als Sohn jüdischer Eltern überlebte er den Holocaust und die stalinistische Diktatur. Nach dem Einmarsch der Russen floh er nach Wien, wo er einer der führenden Journalisten des Landes wurde. In seinem neusten Buch beschreibt der 96-jährige seine drei Identitäten (die jüdische, die ungarische und die österreichische) und er warnt vor einem Wiedererstarken des Totalitarismus. Ein enorm wichtiges Buch in Zeiten politischer Radikalisierung und systematischer Schwächung der Demokratie, findet Literaturredaktor Michael Luisier.
Buchhinweise:
Julia R. Kelly. Das Geschenk des Meeres. Aus dem Englischen von Claudia Feldmann. 350 Seiten. mare, 2025.
Paul Lendvai. Wer bin ich? 120 Seiten. Zsolnay, 2025.
Die Pulitzer-Preisträgerin Josephine Johnson hat vor Jahren ein Wunder von einem Buch geschrieben: «Ein Jahr in der Natur». Und ebenfalls um ein Wunder der Natur geht es im neuen Buch der deutschen Schriftstellerin Verena Güntner. Ihr neuer Roman «Medulla» handelt von einer Schwangerschaft.
Die US-Amerikanerin Josephine Johnson bekam 1935 mit nur gerade 24 Jahren den renommierten Pulitzer-Preis – für einen wuchtigen Roman über die Grosse Dürre in den USA der 1930er Jahren. Schon in diesem Roman spielte Natur eine prägende Rolle. Jahre später machte Josephine Johnson nochmals Furore, mit literarischen Naturbeobachtungen, die zum Bestseller wurden. «Ein Jahr in der Natur» ist ein Wunder, findet Literaturredaktorin Franziska Hirsbrunner.
Eine Schwangerschaft ist eine bedeutende Veränderung – nicht nur für die Beziehung und die Zukunft der werdenden Eltern, sondern auch für den Körper der Frau. Verena Güntner geht diesen Umwandlungen in ihrem Roman «Medulla» nach. Und das anhand drei unterschiedlicher Paare. Dabei wird viel in Frage gestellt: Lebensentwürfe, gesellschaftliche Erwartungen und Geschlechternormen. Ariane Schwob spricht über den Roman, der unverhohlen die Selbstermächtigung der Frau ins Zentrum setzt.
Buchhinweise:
Josephine Johnson. Ein Jahr in der Natur. Aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell. 276 Seiten. Die Andere Bibliothek, 2025.
Verena Güntner. Medulla. 240 Seiten. DuMont, 2025.
Mit «Goldstrand» von Katerina Poladjan und «Die Passantin» von Nina George hat sich die Runde am SRF-Literaturstammtisch im Buchzeichen für einmal die grossen Fragen des Lebens ausgesucht.
Zum Beispiel die Frage, wie Herkunft und Zeitumstände Lebensläufe beeinflussen. Damit beschäftigt sich die in Moskau geborene deutsche Autorin Katerina Poladjan immer wieder. In ihrem neuen Roman «Goldstrand» lässt sie einen alternden römischen Filmemacher nach Antworten suchen. Eli hadert damit, dass er seinen Vater nicht kennt. Dieser soll 1922 als kleiner Junge von Odessa nach Konstantinopel geflüchtet sein und auf dem Schiff seine Schwester verloren haben. In einer zwischen Traum und Wirklichkeit pendelnden Reise geht Eli Vater und Tante nach. Ihm zur Seite steht seine forsche Psychoanalytikerin. So entsteht ein Buch, das witzig und berührend die grossen Fragen des Lebens stellt.
Eine andere grosse Frage, die sich die Menschen gerne stellen, die von einem Ausbruch aus dem Alltagsstress träumen, ist: Was wäre, wenn? Wie ein restloses Verschwinden konkret aussieht und welche Konsequenzen es für die eigene Identität haben kann, erkundet Nina George in ihrem Roman «Die Passantin». Ein Buch über Wut, Gewalt und Identitätssuche, das sich den schmerzhaften Wahrheiten des Frauseins stellt – und doch das Schöne hervorhebt, findet Ariane Schwob.
Der Buchtipp der Woche kommt heute von BuchZeichen-Gastgeber Michael Luisier. Er empfiehlt» Im Gespinst in dem ich wohne», das neue Buch mit den hochdeutschen Gedichten von Endo Anaconda, das eben beim Verlag «Gesunder Menschenversand» erschienen ist.
Buchangaben:
Katerina Poladjan. Goldstrand. 160 Seiten. S. Fischer Verlag, 2025.
Nina George. Die Passantin. 318 Seiten. Kein & Aber Verlag, 2025.
Endo Anaconda. Im Gespinst in dem ich wohne, Schlaflieder, Liebeslieder, Seuchenlieder. Herausgegeben von Martin Bieri, Matthias Burki und Nina Rieben. 168 Seiten. Der gesunde Menschenversand, 2025.
Die Schweizer Lyrikerin Nora Gomringer schreibt in ihrem neuen Buch «Am Meerschwein übt das Kind den Tod» tiefgründig über den Tod ihrer Mutter. Der irische Schriftsteller Paul Lynch erzählt in «Jenseits der See» mit Wucht von einer existenziellen Prüfung auf dem Meer.
Die 45jährige deutsch-schweizerische Lyrikerin Nora Gomringer schreibt mit Herzblut. Gleichzeitig geht sie engagiert vielen anderen Tätigkeiten nach. Zum Beispiel ist sie Direktorin des internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg. Ihre Gedichte sind leidenschaftlich eigenwillig. Sie sind geprägt von der Slam Poetry, aber auch von ihren Eltern, Nortrud und Eugen Gomringer. Er war der bekannteste Vertreter der konkreten Poesie, sie eine meinungsstarke Germanistin. Über das Leben mit ihren Eltern habe Nora Gomringer nun ein packendes Prosabuch geschrieben. Das sagt Franziska Hirsbrunner, die das Buch mit an den Literaturstammtisch bringt.
In «Jenseits der See» spielt der irische Bookerpreis-Träger Paul Lynch durch, was geschieht, wenn Menschen ohne den Schutz der Zivilisation und der Kultur der Gewalt der Natur ausgesetzt sind. Konkret erzählt er die auf realen Geschehnissen beruhende Geschichte von zwei Fischern, die in ihrem kleinen Boot über Monate auf der unendlichen Weite des Pazifiks treiben.
Das Buch sei von einer «gewaltigen Wucht», sagt Felix Münger. In diesem «Kammerspiel» auf hoher See gehe Paul Lynch den Grundfragen der menschlichen Existenz nach – und verfahre dabei mit seinen Figuren absolut schonungslos.
Buchhinweise:
Nora Gomringer. Am Meerschwein übt das Kind den Tod. 208 Seiten. Verlag Voland & Quist, 2025.
Paul Lynch. Jenseits der See. Aus dem Englischen von Eike Schönfeld. 184 Seiten. Klett-Cotta, 2025.
«In Erwartung eines Glücks» der Deutsch-Französin Sylvie Schenk ist ein subtiler und eindringlicher Roman über das Altern. «The Secret of Secrets» ist das jüngste Elaborat aus der Thrillerküche des US-Amerikaners Dan Brown – spannungsgeladen, aber auch geschwätzig.
Im Roman «In Erwartung eines Glücks» von Sylvie Schenk landet die Schriftstellerin Irène im Spital. Verdacht auf Schlaganfall, bald gibt es Entwarnung, doch Irène bleibt zur Beobachtung. In den langen Tagen erlebt die Schriftstellerin beglückende Begegnungen - mit Pflegenden, einer jungen Zimmernachbarin und einem Mann im Bademantel, dem sie fiktive Liebesbriefe zusteckt. Erinnerungen an ihre Leben, ihre Liebe, das Lesen und Schreiben ergänzen den Alltag. Dieser Roman sei «ein leises Ereignis», sagt Jennifer Khakshouri, «leicht, witzig und philosophisch».
Robert Langdon ist zurück. Der Symbolforscher aus «Illuminati» und «Sakrileg» ermittelt in seinem sechsten Fall in Prag und will den Geheimnissen des menschlichen Bewusstseins auf die Spur kommen. Auch in «The Secret of Secrets» setzt Bestseller-Autor Dan Brown auf bewährte Mittel: Grosse Verschwörungen, knifflige Codes, rasante Verfolgungsjagden und viele Leichen. Der neuste Langdon-Krimi ist ein Pageturner sagt Tim Felchlin, aber die bahnbrechenden Entdeckungen der Bewusstseinsforschung entpuppen sich als Dampfplauderei.
Buchhinweise:
Dan Brown. The Secret of Secrets. Aus dem Englischen von Dietmar Schmidt und Rainer Schumacher. 800 Seiten. Lübbe, 2025.
Sylvie Schenk. In Erwartung eines Glücks. 176 Seiten. Hanser Berlin, 2025.
In seinem siebten Buch «Der Absturz» schreibt der französische Bestselllerautor Édouard Louis über seinen Bruder. Und der deutsche Schriftsteller Leif Randt erkundet in seinem neuen Roman «Let’s Talk About Feelings» das Ankommen im mittleren Alter.
Édouard Louis verarbeitet in «Der Absturz» den frühen Tod seines Bruders – ein Alkoholiker, Gewalttäter und Träumer. In der Auseinandersetzung mit seinem Tod reflektiert Louis ihre schwierige Beziehung und die sozialen Ursachen des Absturzes. Radikal ehrlich und literarisch präzise zeigt Louis, wie fehlende Liebe und Herkunft ein Leben zerstören können. Ein schmerzhaftes, kluges Buch, das berührt und zum Nachdenken zwingt, sagt Annette Köng, die das Buch mit an den Literaturstammtisch bringt.
Nach dem Grosserfolg seines letzten Romans «Allegro Pastell», wurde Leif Randts aktuelles Buch «Let’s Talk About Feelings» mit viel Spannung erwartet. Er zeichnet darin ein Portrait der Generation um die 40, die grosse Gefühle verlernt hat. Stattdessen ist ihr grundsätzliches Lebensgefühl ein in Watte gepacktes «Okay», selbst wenn die Mutter der Hauptfigur gerade gestorben ist. Überschwang ist out, Werten und Kommentieren, insbesondere von Äusserlichkeiten wie dem Kleidungsstil, sind in. Damit hätte Leif Randts Stoff Potenzial, zu einem unerträglich langweiligen Buch zu werden. Simon Leuthold hat es aber gut gefallen, weil Randt es – ganz sanft natürlich – ins Satirische kippen lässt.
Buchhinweise:
Édouard Louis. Der Absturz. Aus dem Französischen von Sonja Finck. 222 Seiten. Aufbau, 2025.
Leif Randt. Let's Talk About Feelings. 320 Seiten. Kiepenheuer & Witsch, 2025.
Einmal Philippinen, einmal Japan. Der Literaturstammtisch bricht in den fernen Osten auf und bespricht Bücher von Karl-Heinz Ott und Mieko Kawakami, die entweder im fernen Osten spielen oder von dort stammen.
Karl-Heinz Ott schickt in seinem neuen Roman zwei deutsche Paare nach Luzon, auf die Hauptinsel der Philippinen. Dort geht es aber nicht darum, Ferien zu machen. Sondern darum, gesund zu werden. Einer der jeweiligen Partner ist schwer krank. Die junge Frau Rikka leidet an Krebs. Und auch Bock, ein egozentrischer Theaterregisseur, gilt als unheilbar. Unheilbar? Das wollen weder Rikka noch Bock hinnehmen. SRF-Literaturredaktorin Katja Schönherr lobt Otts Roman «Die Heilung von Luzon» als meisterhaftes Kammerspiel auf tropischem Territorium.
Die japanische Schriftstellerin Mieko Kawakami erzählt in ihrem neuen Roman die Geschichte eines Mädchens namens Hana Ito. Hana bricht die Schule ab, arbeitet in einer Bar und gerät in zwielichtige Gesellschaft. Jahre später wird sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert: In einem Artikel liest sie, dass ihre damalige Bar-Chefin wegen Nötigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung vor Gericht steht. Hat sich nicht Ähnliches bereits vor 20 Jahren zugetragen? Literaturredaktorin Annette König stellt das Buch am Literaturstammtisch vor.
Buchhinweise:
Karl-Heinz Ott: Die Heilung von Luzon. 336 Seiten. Hanser, 2025.
Mieko Kawakami. Das gelbe Haus. Aus dem Japanischen von Katja Busson. 528 Seiten. DuMont, 2025.
Max Goldt. Aber?. 160 Seiten. dtv, 2025.
Der erst 22-jährige Schweizer Autor Nelio Biedermann legt mit «Lázár» bereits seinen zweiten Roman vor. Und die deutsche Autorin Jasmin Ramadan erzählt in ihrem neuen Buch von einer Frau, die sich nicht unterkriegen lässt.
«Lázár», der neue Roman des 22-jährigen Schweizer Schriftstellers Nelio Biedermann, erzählt die Geschichte einer ungarischen Adelsfamilie. Vom Alltag im edlen Waldschloss in die soziale Mittellosigkeit, bis zur Flucht in die Schweiz begleitet man mehrere Generationen aus der Familie von Lázár in den politisch unsteten Zeiten des 20. Jahrhunderts. Die Figuren hüten Geheimnisse, glühen vor Sehnsucht, verzweifeln über die Politik, lieben, hassen und überleben. Allen politischen Umständen zum Trotz. Ein lesenswertes, atmosphärisches Buch, findet Jennifer Khakshouri.
Sehr viel kriegt Lilith, genannt Lit, nicht auf die Reihe. Mit ihrer Kunst hat sie kaum Erfolg, das Geld ist immer knapp und ihre Mutter, eine populäre Psychotherapeutin, diagnostiziert Lit ein Leiden, bei dem man die eigenen Gefühle nicht wahrnimmt. Lit bläst aber nicht Trübsal, sondern macht sich mit einer grossen Portion trockenem Humor auf eine Reise an die Nordsee. Sie trifft auf herrlich verschrobene Figuren und kommt, wie nebenbei, einem Trauma auf die Spur. Für Tim Felchlin ist «Reality» von Jasmin Ramadan ein besonderer Roman, weil er wahnsinnig witzig ist und mit einem unerwartet ernsten Kern überrascht.
Buchhinweise:
Nelio Biedermann. Lázár. 336 Seiten. Rowohlt Berlin, 2025.
Jasmin Ramadan. Reality. 256 Seiten. Weissbooks, 2025.
Caroline Wahl. Die Assistentin. 368 Seiten. Rowohlt, 2025.
Gleich dreimal blicken Menschen auf ihre Vergangenheit zurück und stellen sich die Frage, wie sie davon geprägt worden sind. Die Literatur-Stammtischrunde im SRF1-Buchzeichen bespricht Bücher von Usama al Shahmani, Leon Engler und Marco Wanda.
Usama al Shahmani erzählt die Geschichte von Gadi, einem Zürcher Dozenten, der nach über 30 Jahren Funkstille seinen sterbenden Vater in Israel besucht. Nach dessen Tod bleibt ihm eine Tasche mit Tagebüchern und der Wunsch des Vaters, die Hälfte seiner Asche im Tigris zu verstreuen. Beim Lesen entdeckt Gadi die verdrängte Vergangenheit seines Vaters – ein jüdisches Leben in Bagdad, geprägt von Ausgrenzung, Pogromen und Flucht. Die Reise nach Bagdad wird zur Konfrontation mit Geschichte, Identität und Erinnerung und einer Auseinandersetzung mit dem Vater, die den Vater dem Sohn näher rücken lässt. Ein wichtiges Buch, auch um das aktuelle Zeitgeschehen zu verstehen, findet Literaturredaktorin Annette König.
In «Botanik des Wahnsinns», dem Debüt des deutsch-österreichischen Autors Leon Engler, blickt ein junger Mann auf die Lebensläufe in seiner Familie zurück. Was er sieht, ist ein Stammbaum des Wahnsinns. Die Grossmutter: bipolar, zwölf Suizidversuche. Der Grossvater: ständig in der Psychiatrie. Die Mutter: Alkoholikerin. Der Vater: depressiv. Wie schafft man es, mit diesem Background nicht selbst verrückt zu werden, zumal viele psychische Krankheiten als erblich gelten? Literaturredaktorin Katja Schönherr stellt den Roman vor und lobt ihn als «stilistisches Glanzstück».
Der Buchtipp diese Woche stammt von Gastgeber Michael Luisier. Er stellt «Dass es uns überhaupt gegeben hat» des österreichischen Bandleaders und Rocks-Sängers Marco Wanda vor.
Buchhinweise:
Usama Al Shahmani. In der Tiefe des Tigris schläft ein Lied. 224 Seiten. Limmat, 2025.
Leon Engler. Botanik des Wahnsinns. 208 Seiten. DuMont, 2025.
Marco Wanda. Dass es uns überhaupt gegeben hat. 288 Seiten. Zsolnay, 2025.
Maya Rosa erzählt in «Moscow Mule» vom Leben in Moskau und dem Traum einer jungen Frau in den Westen aufzubrechen. Dmitrij Kapitelman lässt in «Russische Spezialitäten» seinen Protagonisten, der in Deutschland lebt, für einige Tage in seine Heimatstadt Kiew zurückkehren, das vom Krieg versehrt ist.
Wer diesen Roman liest, fühlt sich regelrecht hineingeworfen – ins Moskau der Nuller Jahre. In die verschlingende Tiefe der U-Bahn-Schächte. Ins ratternd-rastlose Leben einer Studentin. Ihr Name: Karina. Ihr Traum: Ein Leben in Westeuropa, am liebsten in Berlin. «Moscow Mule» ist der Debütroman der deutsch-russischen Autorin Maya Rosa. Er handelt vom Freiheitsdrang einer jungen Frau. En passant beschreibt er aber auch die politischen Entwicklungen in Russland. Erzählt ist das Ganze in einem einzigartig rasanten, oft sarkastischen Ton. Eine Leseempfehlung von SRF-Literaturredaktorin Katja Schönherr.
Für ihn sei Humor die menschlichste Art, ehrlich zu sein, sagt der deutsch-ukrainische Schriftsteller Dmitrij Kapitelman. Herzergreifend komisch erzählt er in «Russische Spezialitäten» seine Familiengeschichte. Es geht um den Laden, den seine Eltern im Ostdeutschland der Nachwendezeit betrieben und um die Mutter, die zur glühenden Putin-Anhängerin wurde. Eine aufwühlende und beglückende Lektüre, findet SRF-Literaturredaktorin Franziska Hirsbrunner.
Buchhinweise:
Maya Rosa. Moscow Mule. 318 Seiten. Penguin, 2025.
Dmitrij Kapitelman. Russische Spezialitäten. 192 Seiten. Hanser Berlin, 2025.
Die Ostdeutsche Julia Schoch erzählt in «Wild nach einem wilden Traum» von einer Frau, die von der Erinnerung an eine Affäre eingeholt wird. Der US-Amerikaner Michael Cunningham fragt in «Ein Tag im April», wie sich eine Familie entwickelt, die wegen Corona auf sich selbst zurückgeworfen wird.
«Wild nach einem wilden Traum» heisst der neue Roman von Julia Schoch. Die Ich-Erzählerin, eine mittelalte Schriftstellerin, erinnert sich an eine Affäre, die sie als junge Frau mit einem Katalanen hatte. Aber warum muss sie ausgerechnet jetzt wieder an ihn denken? Und welche Lehren für ihr jetziges Leben kann sie aus dieser Erinnerung ziehen?
Wie immer schreibe Julia Schoch in simplen Sätzen, «die es aber hin sich haben», sagt Katja Schönherr. Die kleinste, scheinbar banalste Alltagsbeobachtung verwandele die Autorin «in grosse Philosophie».
Michael Cunningham hat mit «Die Stunden» vor über zwanzig Jahren einen internationalen Bestseller geschrieben. Darin ging es um drei Frauen in drei unterschiedlichen Epochen. Sein jüngster Roman «Ein Tag im April» begleitet eine Familie in Brooklyn - ein Ehepaar um die vierzig mit zwei Kindern.
Das Buch erzählt aus dem Leben der Familie und deren Dynamiken immer am gleichen Tag in drei aufeinander folgenden Jahren: am 5. April 2019, 2020 und 2021. Die Familie wird in dieser Zeit vom Lockdown geprüft. Jennifer Khakshouri fühlte sich bei der Lektüre «gut unterhalten» und war «beeindruckt vom literarischen Handwerk des Schriftstellers».
Der Schweizer Sprachakrobat Michael Stauffer legt mit dem Buch «Wühl!» eine inspirierende Sammlung von Kurztexten vor. Sie hinterfragen Klischees, bürsten tradierte Begriffe gegen den Strich und bringen Absurditäten des Alltags auf den Punkt. Für Felix Münger ist das Buch «eine ideale Lektüre für zwischendurch», um sich «zu amüsieren, auf andere Gedanken zu kommen oder sich bewusst irritieren zu lassen».
Buchhinweise:
Michael Cunningham. Ein Tag im April. Aus dem Amerikanischen von Eva Bonné. 352 Seiten. Luchterhand 2025.
Julia Schoch. Wild nach einem wilden Traum. 176 Seiten. dtv, 2025.
Michael Stauffer. Wühl!. 268 Seiten. Der gesunde Menschenversand, 2025.
Wiederholung der BuchZeichen-Sendung vom 13.05.2025
Wenn die Welt aus den Fugen gerät, dann können gute Bücher weiterhelfen. In Amerika sorgt Zach Williams mit Kurzgeschichten für Furore und in der Schweiz begeistert Lukas Maisel mit einer wahren Geschichte, die Hoffnung macht, dass doch noch alles gut kommen könnte.
Der Schweizer Autor Lukas Maisel erzählt in seinem aktuellen Buch «Wie ein Mann nichts tat und so die Welt rettete» eine atemberaubende wahre Geschichte: 1983 ging in einem sowjetischen Zentrum für Raketenabwehr der Alarm los: Der Computer zeigte einen nuklearen Angriff der USA an.
Der diensthabende Offizier Stanislaw Petrow behielt kühlen Kopf. Statt den Gegenangriff auszulösen, tat er das einzig Richtige: Er tat nichts – und bewahrte damit die Menschheit vor dem Atomkrieg. Der Angriff entpuppte sich als Fehlalarm. Der Roman zeige «hautnah einen Menschen in einer Ausnahmesituation», sagt Felix Münger – «und einen realen Helden».
Ein Debüt, das letzten Sommer in den USA Furore machte: «Es werden schöne Tage kommen» von Zach Williams. Die zehn Erzählungen haben es tatsächlich in sich. In einer schönen, ruhigen Sprache schildern sie, wie heile Welt plötzlich fremd und bedrohlich werden kann. Das Buch ist so nah an der Realität, dass einem das Unheimliche hinterrücks überfällt beim Lesen – und zu denken gibt. Eine echte Entdeckung!
Buchhinweise:
Lukas Maisel. Wie ein Mann nichts tat und so die Welt rettete. 128 Seiten. Rowohlt, 2025.
Zach Williams. Es werden schöne Tage kommen. Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell und Clemens J. Setz. 272 Seiten. dtv, 2025.
Wiederholung der BuchZeichen-Sendung vom 25.03.2025



