Igor Levit und sein Freund Anselm Cybinski begeben sich in ihrem Beethoven-Podcast auf einen wilden Ritt durch musikalische Themen, Einflüsse und Epochen. Igor Levit ist der Beethoven-Interpret der Stunde. Gerade hat er alle 32 Klaviersonaten eingespielt. Schon als Teenager brannte er für Beethovens Musik. Kein Wunder, dass er zu jedem Stück etwas zu erzählen hat. Hier ein kleiner Vorgeschmack auf die kommenden 32 Folgen...
In der ersten Folge geht es um Beethovens Visitenkarte: Ein junger Wilder stellt sich vor mit der Sonate f-moll, op. 2 Nr. 1. Igor Levit und Anselm Cybinski erklären, was diese Musik so revolutionär macht. Warum sie im ersten Satz ohne Melodien auskommt und immer wieder abbricht. Und warum diese eigenwillige Klangwelt auch heute noch eine Ermutigung ist, "Ich" zu sagen - in der Kunst und im Leben.
In Folge 2 geht es um ein Stück, das für Igor Levit zum Schlüssel zu Beethovens Welt wurde. Sein Lehrer nahm es jahrelang fast in jeder Stunde durch. Takt für Takt, Note für Note. So wurde die witzige und temporeiche A-Dur-Sonate op. 2 Nr. 2 zu Levits Leib- und Magenstück. Mit ihr gewann er den 2. Preis in einem wichtigen Wettbewerb. Dabei ist sie höllisch schwierig: "Das komponierte Glatteis par excellence", sagt Igor Levit.
In seiner dritten Klaviersonate kombiniert Beethoven den Humor der zweiten mit dem radikalen Ernst der ersten. Und er demonstrierte seinen Zeitgenossen, dass er nicht nur als Komponist ein Revolutionär war, sondern auch als Pianist überragende Fähigkeiten hatte: Im Grunde, sagt Igor Levit, ist die Sonate op. 2 Nr. 3 in C-Dur ein verkapptes Klavierkonzert. Und der glanzvoll virtuose Abschluss der Sonaten-Trilogie, die Beethoven als Opus 2 veröffentlichte.
In Folge 4 geht es um ein unterschätztes Meisterwerk: Die Sonate op. 7 wird selten im Konzert gespielt. Warum? Sie ist höllisch schwer, irre lang - und endet ganz unspektakulär im pianissimo. Also viel Mühe, die meist mit wenig Ovationen belohnt werden. Igor Levit liebt sie trotzdem. Und er entdeckt darin Beethovens Aufbruch in die Romantik. An einer wenig beachteten Stelle zeigt er, wie Beethoven aus simpelsten Modellen, ja fast aus Geräusch eine ganz neue Musik entstehen lässt, die Bilder im Kopf erzeugt und romantische Landschaften vors innere Auge ruft.
Beethoven greift an. Den Hörer, den Pianisten, das Klavier. Er strapaziert, er überfällt. Und das ist wunderbar. Die dramatisch zerklüftete Sonate Op. 10 Nr. 1 eröffnet eine kontrastreiche Dreiergruppe.
Ein größerer Gegensatz zur vorigen Sonate ist kaum denkbar: In op. 10 Nr. 2 dreht Beethoven eine Nase. Wem? Den Hörerinnen und Hörern, den Pianisten, den Konventionen der Zeit - und sich selbst. Warum? Weil er's kann.
Der langsame Satz aus op. 10 Nr. 3 bohrt sich in eine dunkle Gefühlswelt. Für Igor Levit der tiefsinnigste langsame Satz in Beethovens Klaviersonaten bis zur Hammerklaviersonate. Und das Finale tröstet und umarmt.
Zu nah, zu schmerzhaft, zu langsam, zu schnell: In seiner "Grande Sonate Pathétique" op. 13 forciert Beethoven den musikalischen Ausdruck bis zum Zerreißen. Igor Levit stellt die populäre Klaviersonate genauer vor.
Im Kleinformat geht's weiter: Die beiden Klaviersonaten op. 14 hat Igor Levit schon als Kind gespielt. Unterschätzen darf man sie nicht - schließlich überwindet Beethoven darin die Gesetze der Physik. Jedenfalls verlangt er das von den Pianisten. In dieser Folge stellt Igor Levit die Sonate E-Dur op. 14 Nr. 1 vor. Bei der Gelegenheit erklärt er auch die drei Pedale des Flügels.
Elegant der erste Satz, komisch der zweite, rasant der dritte: Diese Musik ist pure Freude. Auch wenn Beethoven in der Sonate op. 14, Nr. 2 manchmal etwas poltert. Igor Levit stellt sie in dieser Folge näher vor.
Vor den Sechzehntel-Raketen im ersten Satz betet Igor Levit erstmal drei "Vater unser". In der Sonate op. 22 zieht Beethoven Zwischenbilanz: Ein Freiluft-Stück in bester Laune, allerdings höllisch virtuos. Und eine Rückschau auf das bisher Erreichte mit Grüßen an Haydn und Mozart. Und gelegentlich auch an Etüden und feiernde Bauern.
Erzählt uns Beethoven in seiner Sonate op. 26 eine Geschichte? "Auf den Tod eines Helden", so ist der langsame Satz überschrieben, ein Trauermarsch. Frédéric Chopin war fasziniert davon. Doch Igor Levit sieht darin nur eine Szene, etwas Imaginäres, nicht das wahre Leben. Das holt uns im übermütigen Finale wieder auf den Boden.
"Sonata quasi una fantasia" schrieb Beethoven über seine beiden Sonaten op. 27. Zwei Sonaten, die fast freie Fantasien sind. Beethoven fängt an, mit der Form immer wildere Experimente zu machen. Igor Levit liebt das. Op. 27, Nr. 1 überfällt den Hörer immer wieder mit kleinen Schocks, wirkt dabei komplett unvorhersehbar, wie aus dem Moment improvisiert - und folgt doch einem Plan.
Ein weiter Raum - und ein Mensch: Im berühmtesten aller Sätze aus Beethovens Klaviersonaten, dem ersten aus der sogenannten "Mondscheinsonate", entwirft Beethoven ein suggestives Bild der Einsamkeit. Und im düsteren Finale endet alles in brutaler, schwärzester Verzweiflung. Aber Igor Levits Lieblingssatz ist der mittlere: "eine Blume zwischen zwei Abgründen" nannte ihn Franz Liszt.
Nach dem apokalyptischen Schluss der Mondscheinsonate setzt Beethoven erneut auf Kontrast: In der Sonate op. 28 gönnt er sich und uns Entspannung in der Natur. Besonderen Spaß hat Igor Levit an den urkomischen Momenten in den Mittelsätzen.
Die Musik blinzelt, frotzelt, täuscht an: In der Sonate op. 31, Nr. 1 spielt Beethoven über Bande. Gefragt sind Reaktionsschnelligkeit und Sinn für schrägen Humor. Etwa, wenn im langsamen Satz eine Opernsängerin parodiert wird, die sich in überdrehten Koloraturen verirrt. Ein Riesenvergnügen für Igor Levit. Und für uns.
In seiner Sturm-Sonate op. 31, Nr. 2 erfindet Beethoven eine revolutionäre Dramaturgie: Die Geburt der Tragödie aus dem Klang. Und er zieht uns in einen erbarmungslosen Strudel dunkler Ereignisse. Im langsamen Satz gibt es zwar Inseln des Glücks. Doch die bleiben unwirklich. Die Schwärze und Atemlosigkeit des Finales empfindet Igor Levit als brutal und emotional unglaublich fordernd. Und doch ist die Sturm-Sonate für ihn eines von Beethovens vollkommensten Werken.
Der Sturm hat sich verzogen. Zum Abschluss der Dreiergruppe op. 31 erkundet Beethoven Welten des Glücks. Manchmal zögernd und suchend, aber immer hell. Und im Finale schreibt er echte Pianisten-Musik: Ein virtuoser Bewegungsrausch, ein bisschen Show-Off - und für Igor Levit trotz aller Schweißperlen die pure Freude.
Überraschung: Beethoven, der mittlerweile berühmt-berüchtigte Musik-Revolutionär, zaubert aus seinem Archiv zwei kleinformatige und überaus liebenswürdige Jugendwerke hervor. Die beiden Sonaten op. 49 haben beide nur zwei Sätze. Beide sind Studienstücke, gedacht für den Unterricht. Überschaubar im Anspruch, erstklassig in der Ausführung, findet Igor Levit. Richtig gute Musik, mit der aus Lernen Vergnügen wird.
Stefan Herold
Danke Igor. wunderbar!
Marianne Roland
wunderbar !!!
Bernd Scharf
Es bleiben keine Fragen offen. Ich sitze ja neben Beethoven am Klavier. Mehr geht nicht. Danke.
Madlen Dar
Super erklärt, herzlichen Dank !🎶🎹🎵🎶