"Klingt schon cool, oder?", fragt Komponist Volkmar Klien seinen Bruder. Peter ist jedoch vollkommen anderer Meinung: "Nein, das verstört mich! Was immer der Mann will, bitte gebt es ihm! Hauptsache er hört auf!" Bei Luciano Berios "Sequenza VIII" finden die beiden Brüder scheinbar auf keinen gemeinsamen Nenner. Peter kann und will die reibenden Dissonanzen nicht als musikalischen Genuss wahrnehmen. "Da sind mir meine Nerven zu schade!" Schlussendlich kapituliert auch Volkmar: "Ich sehe mich hier auch an meine pädagogischen Grenzen kommen." Der Härtetest fällt dementsprechend aus - Peters Wertung schießt sogar über die härteste Stufe 10 hinaus. - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
Hier sind sich die Klien-Brüder ausnahmsweise einig: "Das ist sehr hart zu hören", befindet Peter. Luna Alcalays "Una strofa di Dante" sei aufwühlende, mitreißende, aber auch betrübliche Musik. Klar, illustriert ja auch das Inferno, nickt Volkmar. Peter gesteht: "Sehr eingängig - das schlägt mich in Bann." Eine Anekdote aus einem historischen Interview mit Alcalay lässt die beiden Kliens fast sprachlos zurück. - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
"Ui, bei der Aufnahme hat es ein Problem gegeben? Das hat ja extrem schiach geklungen", entfährt es Peter Klien bereits nach den ersten Takten. "Das klingt wie Geigenstimmen in Zeitlupe!" Fakt ist: Luigi Nonos Streichquartett "Fragmente - Stille. An Diotima" entfaltet seine Klangsinnlichkeit erst mit der Zeit. Es ist eine Kette von Klanginseln, gespielt mit extremen Spieltechniken und zählt zu den meistdiskutierten Werken des Genres. Die zeitliche Gleichberechtigung von Stille und Klang empfindet Volkmar Klien als "wunderbare Musik", er hört ein "großes Meisterwerk". Keine Überraschung: Bei der Bestimmung des Härtegrades von 1 bis 10 liegen die beiden Brüder weit auseinander. - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
"Hui, da kommt ganz viel auf einen zu", ist Peter Klien überwältig von Friedrich Cerhas "Spiegel I". Er sieht "Artisten, Tiere, Attraktionen" auf sich einstürmen - "leider alle drei gleichzeitig". Volkmar stimmt zu, dass hier wirklich viel auf die Hörerschaft zukommt: Ein groß besetztes Orchester, jedes Instrument einzeln notiert. Eine Stelle erinnert Rapid-Fan Peter an eine Vuvuzela-getränkte Stadionatmosphäre. Cerhas Meisterwerk fängt diese Klangmassen aber immer wieder ein. "Es wird klar: Da ist ein Plan dahinter", betont Volkmar. Das ist Peter sonnenklar: "Sonst würde man ja im Happel-Stadion unabsichtlich Cerha zur Aufführung bringen." - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
"Dampflock meets Hare-Krishna!" Peter Kliens erste Impression macht seinen Bruder Volkmar nahezu sprachlos. Wie der Jupitermond bzw. die antike mythologische Gestalt zeigt sich Kaija Saariahos "Io" verklärt und klangsinnlich zugleich. "Für mich ist das noch keine Musik, du müsstest mich jetzt ein bisschen überzeugen", fordert Peter seinen Bruder auf. Gesagt getan. Volkmar erklärt das Wesen dieses spektralistischen Werks und warum die finnische Künstlerin als eine der bedeutendsten Komponistinnen der Gegenwart gilt. "Relativ hart", fällt Peter Kliens Resümee aus. Für Volkmar - der sich selbst augenzwinkernd als Ministrant am "Altar der Neuen Musik" bezeichnet - könnte das Klangbad aber ruhig noch widerständiger sein. - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
Der erste Eindruck täuscht: "Diese Musik macht dich nicht zu einem besseren Menschen", mutmaßt Peter Klien nach den ersten Takten des zweiten "Interlude" für präpariertes Klavier von John Cage. Doch nach einer weiteren Runde Cage revidiert er sein Geschmacksurteil: "Da hört man tatsächlich gerne zu - und das nicht des großen Namens wegen". Dessen Größe kann nicht überschätzt werden: "Einflussreicher als John Cage kannst du nicht werden", ist Volkmar sicher. Als Zugabe wagen die Brüder noch eine Teilwiedergabe von Cages zentralem Stille-Stück "4'33'". - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
"Also das ist Musik, die mir Freude macht", schmunzelt Komponist Volkmar Klien. Sein Bruder, Kabarettist Peter Klien ist hingegen hin- und hergerissen: "Die kleinen Klavierpassagen gefallen mir schon ganz gut. Das surrealistische Rettungsauto im Hintergrund, dann leichte Porno-Verschnitte dazwischen - das holt mich nicht ab". Luc Ferraris "Kleine Klavierstücke" sind hoch virtuos, zeugen von einer großen Liebe zum Klavier, bei gleichzeitiger ironischer Distanz. "Es ist jetzt nicht so, dass es der Ohrmuschel schmeichelt und wie Butter hinuntergeht", zieht Peter sein Resümee. Immerhin: "Man wendet sich nicht vor Grausen ab". "Also ich find's großartig! Ich mag diesen freundlichen Irrsinn, der mir da immer wieder begegnet", meint Volkmar. Und dann vergeben beide nahezu denselben Härtegrad. - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
"Klingt, als hätte es sich da jemand leicht gemacht und sich 1912 mit einem Tonbandgerät auf die Wiener Ringstraße gestellt. Es kann aber auch aus Asien sein", beschreibt Peter Klien seinen ersten Höreindruck. Die detektivische Genauigkeit beeindruckt seinen Bruder Volkmar. In der Tat: Die Klanglandschaft von "Gently Penetrating beneath the sounding surfaces of another place" (1997) basiert auf Tonaufnahmen von indischen Märkten aus Neu-Dehli - Stimmengewimmel, Kutschen, Glocken und scheppernde Eimer und andere Alltagsgegenstände sind dabei die Instrumente. "Problem nur: Das ist keine Musik", meint Peter. "Soundscape-Composition heißt das auf Englisch", hält Volkmar Klien dagegen. - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
Peter Klien ist perplex: "Wenn ich sowas höre und es ist zu Ende, denk ich mir: Jetzt bin ich neugierig, was jetzt als Stück kommt, nachdem das Orchester fertig gestimmt hat." Ihn macht das aber nur noch neugieriger. Maryanne Amachers "A Step Into It, Imagining 1001 Years" wummert ordentlich. Die Klänge sind so komponiert, dass man Töne im eigenen Körper wahrnimmt. Diese Phänomene hat die Komponistin am MIT erforscht. Da gehen bei Aufführungen schon mal auch die ganz großen Lautsprecher drauf, berichtet Volkmar: "Das klingt wirklich unfassbar super!" - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
"Hört sich ein bisserl nach einer verfremdeten Beatles-Ballade an", ist sich Peter Klien nicht ganz sicher. Und Doch: Der US-amerikanische Komponist Alvin Lucier bedient für "Nothing is real" an einem Evergreen der britischen Pilzköpfe. Melodiebausteine von "Strawberry Fields Forever" werden dabei am Flügel gespielt, aufgezeichnet und über einen Lautsprecher in einer Teekanne wieder neu zusammengesetzt. "Es ist ein bisschen wie Aladdins Wunderlampe. Es wird nicht nur lauter, sondern auch die Filterung... es macht dieses woooaaahhh", outet sich Volkmar Klien als Fan von konzeptueller Musik. Auch Peter Klien hört da gerne zu: "Es kommt halt drauf an wie lange das geht. Wenn sich das über 60 Minuten hinzieht, glaube ich schon, dass ich isotonische Getränke brauche, um diese Langstrecke zu überwinden." - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
"Hält den Ball flach", ist der erste Eindruck von Peter Klien über "Triadic Memories" von Morton Feldman. "In dieser dauernden Wiederholung mit leichten Veränderungen und Verschiebungen liegt der große Reiz", ist Volkmar fasziniert. Peter kann dem folgen: "Du hast mich echt begeistern können für diesen Komponisten!" Nur über die Länge des Stückes von weit über einer Stunde wundert er sich: "Da muss doch dem Pianisten ein Kaffee verimpft werden, sonst schläft er doch ein." - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
"Schwierig. Das plätschert so dahin", beschreibt Peter Klien seinen ersten Höreindruck. "Es nervt nicht massiv, aber es freut auch nicht in irgendeiner Form." Für Volkmar Klien besticht die Musik des japanischen Komponisten Toru Takemitsu jedoch gerade durch eine große Freiheit: "Es ist eine Einladung zum Zuhören. Und im Gegensatz zu anderer Neuer Musik lässt sie dich in einer angenehmen Distanz, es fährt einem nie böse ins G'sicht". "Da sind wir eh nicht weit auseinander, nur, dass ich es als negativ erlebe und du als positiv", findet schließlich auch Peter Klien einen Mittelweg. - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
"Puh, das ist ein aufregender Beginn", spitzt Peter Klien die Ohren. "Wo mag das hinführen?" Ein Tango-Sample geht in die Klänge einer elektronischen Orgel über, erläutert Volkmar das Stück der argentinischen Komponistin Beatriz Ferreyra: "Sie nimmt Musik von jemandem anderen, importiert es in ihr Stück und stellt das dann eigenen elektronischen Klängen gegenüber und setzt sie dazu in Beziehung. Hie und da schimmert noch der Tango durch." - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
"Ist nicht ganz leicht, da rein zu finden", seufzt Peter Klien. Mit "Le marteau sans maitre" von Pierre Boulez nähere sich ihm "ein massiver Härtegrad". Das herausfordernde Stück ist allerdings schon mehr als ein halbes Jahrhundert alt. Volkmar erklärt, dass das legendäre Werk aus dem 1950er Jahren auch auf einem Rückgriff zu Musikkonzepten der Zweiten Wiener Schule basiert. Strawinsky war von Boulez' Komposition begeistert - das beeindruckt Peter nicht: "Da haben Strawinsky und ich eine Sache nicht gemeinsam." - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
"Ein Wespenschwarm, der ein Meisen-Nest überfällt", ist die erste Assoziation von Peter Klien zu "Garten von Freuden und Traurigkeiten" von Sofia Gubaidulina. "Schöne Wellen von Klängen, die aufsteigen und sich entwickeln" hört Volkmar. Musik, die dazu anregt, die Phantasie schweifen zu lassen. - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
"Staubsauger kaputt" ist Peter Kliens erste Assoziation zu "A Little Noise in the System" von Pauline Oliveros. Die US-amerikanische Synthesizer-Pionierin hat mit diesem Werk erstmals etwas in den Mittelpunkt einer Komposition gestellt, das man sonst unterdrücken möchte: das Rauschen. Volkmar Klien empfiehlt: laut aufdrehen und sich in den Wind dieser Klänge hängen. - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at. - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
"Sehr zeitgemäß" findet Peter Klien die Klänge dieser Folge, denn: "So stelle ich mir Corona vor. Die ersten Fieberschübe, Husten steigt auf...". Von dieser Klangwand und "Fiebermusik" ist er dann aber doch begeistert und wundert sich nicht, dass Stanley Kubrick diese Musik in seinem Film "2001: Odyssee im Weltraum" verwendet hat. "Ö3-Wecker auf der ISS" - so Peter Kliens Assoziation zu "Athmosphères" von György Ligeti, aber: "Wenn man das lang hört, mag das wirklich sehr eingängig sein". - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
Ein schier endloses Wummern scheint "Triptych" von Éliane Radigue zu sein. Aber, so Volkmar Klien, ein Wummern mit dramatischen Änderungen - wenn man die Geduld beim Hören aufbringt. Die Komponistin gibt Raum für kleine Änderungen über einen größeren Zeitraum hinweg. Musik, mit der man sich wegschwappen lassen kann. Klänge, die sich Peter und Volkmar für Wellnessbereiche und Saunalandschaften wünschen. - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
Ein Verkehrsunfall in einer Gänsefarm? Ein Streichquartett! Peter und Volkmar Klien sprechen über "Gran Torso" von Helmut Lachenmann. Peter möchte gar nicht glauben, dass die Vielfalt an Klängen allein von einem Streichquartett erzeugt wird. Was für Peter klingt, als würde dem Federvieh "der Hals umgedreht", entwickelt sich aus Lachenmanns Konzept einer "musique concrète instrumentale". Das Ziel: Die Anstrengung, die benötigt wird, um einen Klang hervorzubringen, soll man auch hören. - Diese Serie lief im ersten Halbjahr 2021 in der Ö1 Reihe „Zeit-Ton“ und ist Teil des zeit- und kulturgeschichtlichen Archivs auf oe1.ORF.at.
Kabarettist Peter Klien und sein Bruder, der Komponist Volkmar Klien, hören Schlüsselwerke der zeitgenössischen Musik neu – und reden drüber.