Der letzte Teil des Vorlesetags widmet sich jüngeren Texten aus dem deutschsprachigen Raum – ihre Autorinnen prägten zwei Weltkriege. Gleichzeitig haben sich die Bedingungen für Frauen verändert. Diejenigen des Schreibens und des Lebens. Marie Luise Kaschnitz wuchs in Potsdam und Berlin auf. Ihre Geschichte «Ein Mann, eines Tages» handelt von Einem, der Angst davor hat, ein Angsthase zu sein. Ilse Aichinger versteckte ihre jüdische Mutter während des 2. Weltkrieges in Wien. Nach Kriegsende las sie bei der legendären Gruppe 47. Sie erhielt zahlreiche Preise, darunter den Marie-Luise-Kaschnitz-Preis. «Das Fenster-Theater» erzählt mit einer seltenen Beobachtungsgabe von einer unersättlichen Frau, die aus dem Fenster schaut. Anna Seghers entstammt einer jüdischen Familie und wurde 1933 von der Gestapo verhaftet. Ihre Bücher wurden verbrannt. Sie flüchtete ins Exil nach Mexiko. «Der Baum des Odysseus» handelt von der Heimkehr des wohl berühmtesten Seefahrers der Weltliteratur zu seiner Frau. Bei dieser Episode handelt es sich um den Mitschnitt des Vorlesetags samt Rahmenprogramm auf SRF2Kultur am 02.Januar 2024. Marie Luise Kaschnitz (1901-1974): «Ein Mann eines Tages» gelesen von Doris Wolters Ilse Aichinger (1921-2016): «Das Fenster-Theater» gelesen von Marie Löcker Anna Seghers (1900-1983): «Der Baum des Odysseus» gelesen von Doris Wolters «Prosaische Passionen», Die weibliche Moderne in 101 Short Stories von Sandra Kegel (Hg.), Manesse 2022 Redaktion: Michael Luisier Musikauswahl: Cécile Olshausen Moderation: Eva Oertle Redaktionelle Mitarbeit: Lea Dora Illmer Produktion: SRF 2024
Diese Episode vereint zwei ganz besondere Schmankerl: Eine Geschichte von Virginia Woolf, der Begründerin feministischer Literaturwissenschaften, und eine von Tove Ditlevsen, der Vorreiterin autofiktionaler Literatur. Angemerkt sei: Beide Autorinnen bestritten zu Lebzeiten, Feministinnen zu sein. Virginia Woolf entstammt dem grossbürgerlichen Milieu Englands, Tove Ditlevsen der Arbeiterschicht Dänemarks. Erstere erhielt Privatunterricht, letztere arbeitete als Dienstmädchen. Sie erlitten ein ähnliches Schicksal, wie viele Autorinnen des Vorlesetags: Woolf hatte manische Depressionen und nahm sich mit einem Sprung in die Ouse das Leben. Ditlevsen plagten Depressionen und Drogensucht. Sie starb an einer Überdosis Schlaftabletten. Woolfs «Der Fleck an der Wand» ist ein Juwel – wir folgen darin ihren mäandernden Gedanken voller Witz und Tiefe. Solange, bis wir dem Fleck auf die Schliche kommen. «Für dich summ ich ein Wiegenlied» handelt von einer Abtreibung kurz vor Weihnachten. Der Text berührt zutiefst, ohne jemals sentimental zu sein. Bei dieser Episode handelt es sich um den Mitschnitt des Vorlesetags samt Rahmenprogramm auf SRF2Kultur am 02.Januar 2024. Virginia Woolf (1881-1941): «Der Fleck an der Wand» gelesen von Désirée Meiser Tove Ditlevsen (1917-1976): «Für dich summ ich ein Wiegenlied» gelesen von Marie Löcker «Prosaische Passionen», Die weibliche Moderne in 101 Short Stories von Sandra Kegel (Hg.), Manesse 2022 Redaktion: Michael Luisier Musikauswahl: Cécile Olshausen Moderation: Eva Oertle Redaktionelle Mitarbeit: Lea Dora Illmer Produktion: SRF 2024
Eine Geschichte, die fast wie eine Novelle anmutet: Sie erzählt von einer unerhörten Begebenheit. Geschrieben hat sie eine Autorin, die in Lugano zur Welt kam. Darauf folgt ein Gespräch des Redaktors Michael Luisier mit der Herausgeberin und dem Verleger des Sammelbandes. Von Lugano nach Brasilien, von der Lyrik über Literaturkritiken zum Theater. Alfonsina Storni war eine vielseitige und geschäftige Frau: Sie war ledig, voll berufstätig und Mutter. Nachdem ihr erster Gedichtband gefeiert wurde, erhielt sie Zugang zu den männlich geprägten Künstler- und Intellektuellenkreisen von Buenos Aires – sowie zwei Literaturpreise. Später widmete sie sich dem Theater für Kinder und Erwachsene. Doch auch ihr Schicksal endete tragisch: Aufgrund ihrer Brustkrebserkrankung wählte sie mit sechsundvierzig Jahren den Freitod und stürzte sich ins Meer. Ihre Kurzgeschichte «Cuca» vereint alles, was eine gute Geschichte braucht: Sprachkunst, den Blick fürs Detail und eine unerwartete Wendung. Bei dieser Episode handelt es sich um den Mitschnitt des Vorlesetags samt Rahmenprogramm auf SRF2Kultur am 02.Januar 2024. Alfonsina Storni (1892-1938): «Cuca» gelesen von Marie Löcker Redakteur Michael Luisier im Gespräch mit Sandra Kegel, Herausgeberin, und Horst Lauinger, Verleger von «Prosaische Passionen» (Manesse Verlag) «Prosaische Passionen», Die weibliche Moderne in 101 Short Stories von Sandra Kegel (Hg.), Manesse 2022 Redaktion: Michael Luisier Musikauswahl: Cécile Olshausen Moderation: Eva Oertle Redaktionelle Mitarbeit: Lea Dora Illmer Produktion: SRF 2024
Die drei Autorinnen dieser Episode lebten in Neuseeland, Nordamerika und Brasilien. Sie waren unbekannt bis weltberühmt und doch eint sie eins: Ihre tragischen Schicksale. Sie erkrankten – psychisch oder körperlich – in oder an einer patriarchalen Welt. Katherine Mansfield wuchs in der Kolonialwelt Neuseelands auf. Sie litt ihr Leben lang an den Folgen eines infizierten Eileiters und starb früh an Lungentuberkulose. «Ehe, ganz modern» erzählt davon, wie die Geschlechterrollen um 1900 ins Wanken gerieten. Tekahionwake kam in einem Indianerreservat in Ontario zur Welt und engagierte sich für die indigenen Völker Kanadas. Sie erkrankte an Lungenkrebs. In «Eine Heidin in St. Pauls Cathedral» sehen wir ein Bauwerk der Weissen durch die kritischen Augen einer indigenen Frau. Claire Lispecter führte ein glamouröses und rebellisches Leben – bis sie mit einer Zigarette und Beruhigungsmitteln im Bett einschlief. Ihre Wohnung geriet in Brand. Sie verletzte sich und konnte fortan nur noch unter Schmerzen schreiben. Auch sie starb an Krebs. «Praça Mauá» ist eine höchst aktuelle Geschichte darüber, was den Kern von Weiblichkeit ausmacht. Bei dieser Episode handelt es sich um den Mitschnitt des Vorlesetags samt Rahmenprogramm auf SRF2Kultur am 02.Januar 2024 Katherine Mansfield (1888-1923): «Ehe, ganz modern» gelesen von Doris Wolters Tekahionwake (1861-1913): «Eine Heidin in St. Pauls Cathedral» gelesen von Marie Löcker Claire Lispector (1920-1977): «Praça Mauá» gelesen von Marie Löcker «Prosaische Passionen», Die weibliche Moderne in 101 Short Stories von Sandra Kegel (Hg.), Manesse 2022 Redaktion: Michael Luisier Musikauswahl: Cécile Olshausen Moderation: Eva Oertle Redaktionelle Mitarbeit: Lea Dora Illmer Produktion: SRF 2024
Nun stehen drei Autorinnen im Zentrum, die für ihre Zeit privilegiert waren und deswegen reisen konnten – nach Russland, in den Iran, nach Ghana oder Persien. Und so sind auch ihre Kurzgeschichten von fernen Orten inspiriert. Sie spielen in Delhi, in Teheran und sogar auf einem anderen Stern. Rashid Jahan war eine der ersten muslimischen Gynäkologinnen, ausserdem Kommunistin und Feministin. Sie starb mit nur 46 Jahren in Moskau an Gebärmutterhalskrebs. «Ein Ausflug nach Delhi» gibt Einblicke in das Leben einer Inderin aus Faridabad, die keine Lust hat, Zug zu fahren – ihrem Mann zum Trotz. Annemarie Schwarzenbach studierte in Zürich und Paris und promovierte mit nur dreiundzwanzig Jahren. Sie lebte offen lesbisch. «Eine Bekanntmachung» bricht mit Erwartungen und erzählt von einer Frau, die zum Islam übertritt, um ihrer Ehe zu entkommen. Olive Schreiner gehörte einer Missionarsfamilie in Südafrika an. Sie kämpfte gegen Rassismus und für Frauenrechte. «In einer fernen Welt» ist ein Märchen, in der sich die Dinge etwas anders verhalten. Bei dieser Episode handelt es sich um den Mitschnitt des Vorlesetags samt Rahmenprogramm auf SRF2Kultur am 02.Januar 2024. Rashid Jahan (1905-1952): «Ein Ausflug nach Delhi» gelesen von Désirée Meiser Annemarie Schwarzenbach (1908-1942): «Eine Bekanntmachung» gelesen von Marie Löcker Olive Schreiner (1855-1920): «In einer fernen Welt» gelesen von Doris Wolters «Prosaische Passionen», Die weibliche Moderne in 101 Short Stories von Sandra Kegel (Hg.), Manesse 2022 Redaktion: Michael Luisier Musikauswahl: Cécile Olshausen Moderation: Eva Oertle Redaktionelle Mitarbeit: Lea Dora Illmer Produktion: SRF 2024
Mehr Klassikerinnen! Der diesjährige Vorlesetag präsentiert weibliche Prosa um und nach 1900. Die 16 Kurzgeschichten schreibender Frauen entstammen der Sammlung «Prosaische Passionen». Sie zeigen: Die literarische Moderne war ganz entschieden weiblich. In der ersten Stunde des Vorlesetags «Prosaische Passionen» widmen wir uns vier frühen Autorinnen aus aller Welt: Sie lebten in den USA, in Spanien, Holland, Belgien und dem damaligen Britisch-Indien. Was ihre Texte verbindet, ist die Schilderung der immensen gesellschaftlichen Hürden, mit denen sich Frauen um 1900 konfrontiert sahen. Die Autorinnen dieser vier Texte waren mutige, moderne Frauen. Das Werk von Kate Chopin geriet für viele Jahrzehnte in Vergessenheit, bevor es 1969 wiederentdeckt wurde. «Die Geschichte einer Stunde» erzählt von der Verzweiflung einer Ehefrau und davon, wie ein vermeintlicher Tod zum anderen führt. Emilia Padro Bazán trennte sich von ihrem Mann, als dieser ihr das Schreiben verbieten wollte. «Die Feministin» ist eine tragisch-komische Anekdote über leisen Widerstand. Nel Doff stammt aus einem armen, gewalttätigen Milieu. Genau wie die Protagonistin ihrer Geschichte hat auch sie sich prostituiert. Und Rokeya Sakhawat Hossain wurde mit «Sultanas Traum» berühmt – der ersten feministischen Utopie der Weltliteratur. Bei dieser Episode handelt es sich um den Mitschnitt des Vorlesetags samt Rahmenprogramm auf SRF2Kultur am 02.Januar 2024. Kate Chopin (1850-1904): «Die Geschichte einer Stunde» gelesen von Doris Wolters Emilia Padro Bazán (1851-1921): «Die Feministin» gelesen von Marie Löcker Nel Doff (1858-1942): «Prostituiert» gelesen von Doris Wolters Rokeya Sakhawat Hossain (1880-1932): «Sultanas Traum» gelesen von Doris Wolters «Prosaische Passionen», Die weibliche Moderne in 101 Short Stories von Sandra Kegel (Hg.), Manesse 2022 Redaktion: Michael Luisier Musikauswahl: Cécile Olshausen Moderation: Eva Oertle Redaktionelle Mitarbeit: Lea Dora Illmer Produktion: SRF 2024
Der junge Protagonist des Romans ist gewissermassen die Spiegelfigur des Dichters Rilke, der sich zum Ziel gesetzt hat, das Sichtbare und das Unsichtbare, das Reale und das Irreale, das Sagbare und das Unsagbare in Sprache zu fassen. Radikal subjektiv und gleichzeitig in vollendeter Form. Dabei bewegt sich Rilke - und mit ihm Malte - frei in der Zeit. Es handelt sich dabei um den einzigen Roman des Lyrikers Rainer Maria Rilke. Er erschien 1910 und handelt von einem jungen Dichter aus Dänemark, der sich im Paris der Jahrhundertwende niedergelassen hat. Er folgt keinem roten Faden, sondern lässt sich von Assoziationen leiten. So startet diese letzte Folge mit einem Exkurs über die Liebe, so wie sie in der Literatur ihre Spuren hinterlassen hat - und zwar weibliche Spuren. Diese gehen zurück durch die Jahrhunderte bis in die Antike, bis zur Dichterin Sappho. Daran anknüpfend greift der Text noch einmal Maltes Beziehung zu seiner Geliebten Abelone auf - auch sie ist eine Spiegelfigur, nämlich die von Rilkes ehemaliger Geliebten Lou Andreas-Salomé. Und schliesslich kulminiert der Roman zum Abschluss in einer sehr eigenen Version der bekannten Legende des Verlorenen Sohnes. Es ist der Abschluss eines Weges, den man kurz so zusammenfassen könnte: es ist ein Zur-Welt-kommen, Zu-Gott-Kommen, Zu-sich-Kommen. In der Sprache. Und: in der Liebe. Sprecher: Gert Westphal Neu eingerichtet und technisch aufbereitet: Mirjam Emmenegger und Reto Ott 2014 Produktion: SRF 1973
Ein Schwergewicht der deutschen Literatur. Es ist das einzige Prosawerk eines Poeten, der vor hundert Jahren stilprägend war für die moderne Lyrik: Rainer Maria Rilke. Autor und Protagonist des Romans ist ein junger Dichter aus Dänemark, der sich im Paris der Jahrhundertwende niedergelassen hat: Malte Laurids Brigge. In seinen Aufzeichnungen mischen sich Beobachtungen aus der Gegenwart in der Grossstadt mit Erinnerungen an seine Kindheit auf einem dänischen Gutshof. Dazu kommen Reminiszenzen an legendäre Gestalten aus der Geschichte, aus Kunst und Literatur. Dabei lässt sich das Verfahren des Autors - also von Rilke quasi verkleidet als Malte - im heutigen Abschnitt besonders gut studieren. Es basiert nämlich auf Assoziationen, auf einem konstanten Verschieben von zeitlichen und inhaltlichen Ebenen, auf einer reinen, in Sprache umgesetzten Gedankenbewegung. Handlung kommt so gut wie keine vor. Und das mit Absicht. Es sei unmöglich, einen Zusammenhang zu stiften, heisst es im Text. Alles hebe sich auf: Wir seien nur noch Zuschauer, ohne Rolle und somit auch ohne Handlung. Das ist der moderne, der experimentelle Charakter von Rilkes Werk: die offene Form als Herausforderung, die es auszuhalten gilt. Sprecher: Gert Westphal Neu eingerichtet und technisch aufbereitet: Mirjam Emmenegger und Reto Ott 2014 Produktion: SRF 1973
Malte Laurids Brigge ist das alter ego des Dichters Rainer Maria Rilke, der diese Aufzeichnungen 1910 veröffentlichte. Es sollte sein einziger Roman bleiben. Ein Roman allerdings, der es in sich hat und viel Mut zum sprachlich-literarischen Experiment voraussetzt. Es ist das Protokoll eines jungen Mannes, der auf der Suche nach sich selbst und seiner schriftstellerischen Existenz ist. Malte stammt aus Dänemark und ist als Letzter eines Adelsgeschlechts übrig geblieben. Jetzt wohnt er im Paris der Jahrhundertwende. Das geschäftige Treiben auf den Strassen, die Armut und der Dreck der Grossstadt überfordern seine empfindlichen Nerven, und so zieht er sich immer mehr in seine kleine Wohnung zurück, zum Schreiben. Malte wird zum Einsiedler - es irritiert ihn nur schon das Geräusch einer Blechdose, das er aus der Wohnung seines studentischen Nachbarn zu hören glaubt. In seinen Phantasien schweift er ab in Raum und Zeit. Sprecher: Gert Westphal Neu eingerichtet und technisch aufbereitet: Mirjam Emmenegger und Reto Ott 2014 Produktion: SRF 1973
Rilkes einziges Prosawerk interpretiert vom «König der Vorleser»: Gert Westphal. Virtuos gestaltet er die Sprache eines Dichters, der wiederum einen Dichter zum Protagonisten seines Werks machte: Malte Laurids Brigge. Dieser junge Däne kommt zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die pulsierende Weltstadt Paris. Dort versucht er, zu sich und zu seinem Schreiben zu finden. Dazu notiert er sich in assoziativer Form Eindrücke, Gedanken und Fantasien.... Neben den täglichen Erlebnissen in der Grossstadt hält er auch zentrale Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend in Dänemark fest. Sprecher: Gert Westphal Neu eingerichtet und technisch aufbereitet: Mirjam Emmenegger und Reto Ott 2014 Produktion: SRF 1973
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts befand sich die Welt im Umbruch. Insbesondere die Industrialisierung mit ihrem Effekt der Beschleunigung und der Massen-Mobilisierung stellte die Menschen vor grosse Herausforderungen. Das schlug sich auch in der Kunst nieder. Neue Formen entstanden, welche die neuen Erfahrungen abzubilden versuchten. In der Literatur gelang Rainer Maria Rilke eines dieser Werke: «Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge». Für sein einziges Prosabuch, das 1910 erschien, erfand Rilke eine offene Form. Das hatte es bisher nicht gegeben, zumindest nicht in der deutschen Literatur. Statt einer durchgängigen Handlung mit klaren Entwicklungslinien und eindeutigen Charakteren, schuf Rilke hier ein sprachlich-gedankliches Geflecht aus Assoziationen und Konnotationen, aus Zeitverschiebungen und Brüchen.... Rilke entzog so seinen Lesern den vertrauten Grund des Wahrnehmens und Erzählens, um sie stattdessen mit einer sprachlichen Grenzerfahrung zu konfrontieren - ein Training gewissermassen für eine Zeit, die sich als lineares Vorher und Nachher zusehends auflöst. Eine Zeit, die keine klaren und zentralen Perspektiven mehr zu bieten hat. Wo sich hingegen reale und irreale Erlebnisbereiche immer mehr ineinander verschieben. Sprecher: Gert Westphal Neu eingerichtet und technisch aufbereitet: Mirjam Emmenegger und Reto Ott 2014 Produktion: SRF 1973
«Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge» - unter diesem Titel veröffentlichte Rainer Maria Rilke 1910 sein einziges Prosawerk. In dieser Lesung gibt Gert Westphal Rilkes vielgestaltigen Sprachbildern und seiner zuweilen berauschenden Sprachmusik die passenden Konturen. Malte Laurids Brigge ist ein angehender Dichter aus einem dänischen Adelsgeschlecht. Ihn lässt Rilke zu Wort kommen, in Form von tagebuchartigen Einträgen. Darin schildert dieser Malte einerseits, wie er Glanz und Elend des damaligen Grossstadt-Molochs Paris erlebt. Auf der anderen Seite blendet Malte zurück in seine Kindheit auf einem dänischen Landgut. Sprecher: Gert Westphal Neu eingerichtet und technisch aufbereitet: Mirjam Emmenegger und Reto Ott 2014 Produktion: SRF 1973
Er wurde einst als «König der Vorleser» bezeichnet: der Schauspieler Gert Westphal. Der 2002 in Zürich verstorbene Schauspieler hat mit seinen Interpretationen der Hauptwerke der klassischen deutschen Literatur Massstäbe gesetzt. So meistert er auch die Herausforderung, die komplexe und bildstarke Sprache von Rainer Maria Rilke für die Hörerschaft zugänglich zu machen. Der bildgewaltige Text von 1910 ist das einzige Prosawerk des Lyrikers Rainer Maria Rilke. Rilke lässt darin einen jungen Mann aus Dänemark zu Wort kommen. Dieser stammt - als letzter seines Geschlechts - aus einer Adelsfamilie, und ist ins Paris der Jahrhundertwende gezogen, um sich dort eine Existenz als Dichter aufzubauen. Sprecher: Gert Westphal Neu eingerichtet und technisch aufbereitet: Mirjam Emmenegger und Reto Ott 2014 Produktion: SRF 1973
«Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge» - so heisst das einzige Prosawerk, das der grosse Lyriker Rainer Maria Rilke veröffentlicht hat. Der vielschichtige Text von 1910 markiert den Durchbruch zur literarischen Moderne. Malte Laurids Brigge ist 28 Jahre alt und stammt, als letzter seiner Familie, aus dem dänischen Landadel. Um die Wende zum 20. Jahrhundert kommt der hochsensible junge Mann nach Paris, um Dichter zu werden.... In assoziativen Aufzeichnungen schildert er seine Eindrücke vom täglichen Leben und Über-Leben in der damaligen Welt-Hauptstadt. Rasanter Fortschritt und bittere Armut prägen das Bild. Daneben schildert Malte in Rückblenden Episoden aus seiner Kindheit. Sprecher: Gert Westphal Neu eingerichtet und technisch aufbereitet: Mirjam Emmenegger und Reto Ott 2014 Produktion: SRF 1973
Ein Schwergewicht der deutschen Literatur. Es ist das einzige Prosawerk eines Poeten, der vor hundert Jahren stilprägend war für die moderne Lyrik: Rainer Maria Rilke. 1910 veröffentlichte Rilke «Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge». Darin schildert er die komplexen Erfahrungen eines sensiblen jungen Mannes, der sich, aus dem ländlichen Dänemark stammend, in der pulsierenden Weltstadt Paris niederlässt. In der Art eines Tagebuchs schildert der angehende Schriftsteller Malte seine Impressionen vom ebenso faszinierenden wie brutalen Alltag in der Grossstadt. Es ist der entfesselte technische Fortschritt, der den Takt vorgibt und neben schnellem Reichtum massenhaftes Elend produziert. Rilke - in Gestalt des erzählenden Ichs Malte - versucht, der Überfülle an Eindrücken sprachlich einen adäquaten Ausdruck zu verleihen. Dabei verfährt er nicht linear, realistisch und psychologisch. Vielmehr sprengt Rilke als erster im deutschen Sprachraum konsequent den Rahmen des klassischen Romans. Er erfindet für sein «Prosabuch», wie er es nennt, eine offene Form. Statt einer durchgängigen Handlung schafft Rilke ein immer wieder irritierendes Konstrukt aus Assoziationen, Brüchen, Rückblenden und Zeitverschiebungen. So wird der sichere Grund des Wahrnehmens und Erzählens mutwillig verlassen, zugunsten einer sprachlichen Grenzerfahrung. Sprecher: Gert Westphal Neu eingerichtet und technisch aufbereitet: Mirjam Emmenegger und Reto Ott 2014 Produktion: SRF 1973
Die Ereignisse überschlagen sich: Im Innern eines Walfischs stolpert Biribinker über einen Kürbis, der sich als äusserst sprachgewandter und philosophischer Zeitgenosse entpuppt. Von ihm erfährt Biribinker, wie er in das geheimnisvolle Schloss des Zauberers Padmanaba gelangt. Dort bandelt Biribinker ausgerechnet mit der Geliebten des alten Zauberers an. Und gerät in ernsthafte Schwierigkeiten, als dieser aus seinem tiefen Schlaf erwacht. «Die Geschichte des Prinzen Biribinker» war ursprünglich eine Binnenerzählung in Wielands Roman «Die Abentheuer des Don Sylvio von Rosalva». Hierin diente dieses Märchen als Argument, um den feengläubigen Don Sylvio von dessen schwärmerischen Wahn zu befreien. Denn die Geschichte vom Prinzen Biribinker ist eine phantastische Anhäufung und Übertreibung aller Zaubereien und Wunder, die für das Feenmärchen des achtzehnten Jahrhunderts charakteristisch sind – und treibt deren Stilblüten schamlos auf die Spitze. Doch um unterschiedslose Verdammung der damals ausserordentlich beliebten Feenmärchen ging es Wieland nicht. Sein Spott trifft nicht die Feengeschichten schlechthin, sondern lediglich eine ganz bestimmte Gruppe: jene Märchen nämlich, die mit einem riesigen Aufgebot von Zauberei und Feerei moralische Lehren erteilen wollen. Darum stellt Wieland in der Biribinker-Erzählung nicht nur die Gesetze der Natur, sondern auch die der Moral auf den Kopf. Und bescherte damit der Nachwelt ein äusserst humorvolles Märchen. Sprecherin: Astrid Meyerfeldt – Tontechnik: Jack Jakob – Redaktion und Regie: Johannes Mayr - Produktion: SRF 2010
Nicht bald nach seinem letzten Techtelmechtel verliebt sich Biribinker schon wieder bis über beide Ohren: diesmal in die schöne Fee Mirabella. Auf einen Schlag vergisst Biribinker seinebisherigen Liebschaften – dumm nur, dass Mirabella über seine Liebesleben nur allzu gut Bescheid weiss. Und dass sie von scheinheiligen Weiberhelden nicht viel hält. Biribinker will sich erklären. Und redet sich um Kopf und Kragen. «Die Geschichte des Prinzen Biribinker» war ursprünglich eine Binnenerzählung in Wielands Roman «Die Abentheuer des Don Sylvio von Rosalva». Hierin diente dieses Märchen als Argument, um den feengläubigen Don Sylvio von dessen schwärmerischen Wahn zu befreien. Denn die Geschichte vom Prinzen Biribinker ist eine phantastische Anhäufung und Übertreibung aller Zaubereien und Wunder, die für das Feenmärchen des achtzehnten Jahrhunderts charakteristisch sind – und treibt deren Stilblüten schamlos auf die Spitze. Doch um unterschiedslose Verdammung der damals ausserordentlich beliebten Feenmärchen ging es Wieland nicht. Sein Spott trifft nicht die Feengeschichten schlechthin, sondern lediglich eine ganz bestimmte Gruppe: jene Märchen nämlich, die mit einem riesigen Aufgebot von Zauberei und Feerei moralische Lehren erteilen wollen. Darum stellt Wieland in der Biribinker-Erzählung nicht nur die Gesetze der Natur, sondern auch die der Moral auf den Kopf. Und bescherte damit der Nachwelt ein äusserst humorvolles Märchen. Sprecherin: Astrid Meyerfeldt – Tontechnik: Jack Jakob – Redaktion und Regie: Johannes Mayr - Produktion: SRF 2010
Prinz Biribinker erwacht aus seiner ersten Liebesnacht – neben einer Fee, die ihm noch vor wenigen Stunden als verwunschener Nachttopf begegnet war. Doch Biribinker steht schon wieder der Sinn nach neuen Abenteuern – beziehungsweise nach einer alten Romanze. Sein geliebtes Milchmädchen will ihm nicht aus dem Kopf gehen. Erst ein plötzlich auftauchender Riese bringt Biribinker wieder auf den harten Boden der Realität zurück. «Die Geschichte des Prinzen Biribinker» war ursprünglich eine Binnenerzählung in Wielands Roman «Die Abentheuer des Don Sylvio von Rosalva». Hierin diente dieses Märchen als Argument, um den feengläubigen Don Sylvio von dessen schwärmerischen Wahn zu befreien. Denn die Geschichte vom Prinzen Biribinker ist eine phantastische Anhäufung und Übertreibung aller Zaubereien und Wunder, die für das Feenmärchen des achtzehnten Jahrhunderts charakteristisch sind – und treibt deren Stilblüten schamlos auf die Spitze. Doch um unterschiedslose Verdammung der damals ausserordentlich beliebten Feenmärchen ging es Wieland nicht. Sein Spott trifft nicht die Feengeschichten schlechthin, sondern lediglich eine ganz bestimmte Gruppe: jene Märchen nämlich, die mit einem riesigen Aufgebot von Zauberei und Feerei moralische Lehren erteilen wollen. Darum stellt Wieland in der Biribinker-Erzählung nicht nur die Gesetze der Natur, sondern auch die der Moral auf den Kopf. Und bescherte damit der Nachwelt ein äusserst humorvolles Märchen. Sprecherin: Astrid Meyerfeldt – Tontechnik: Jack Jakob – Redaktion und Regie: Johannes Mayr - Produktion: SRF 2010
Prinz Biribinker ist ein sonderbares Kind: Von Bienen aufgezogen, pinkelt er reinsten Nektar, und wenn er sein grosses Geschäft erledigt, wird in der königlichen Gesellschaft Konfekt gereicht. Alles könnte honigsüss weitergehen, hätte nicht der alte Zauberer Padmanaba seine Finger im Spiel. Und so läuft einiges schief, als sich der junge, wenngleich ziemlich unbedarfte Prinz auf die Suche nach einem Milchmädchen macht. «Die Geschichte des Prinzen Biribinker» war ursprünglich eine Binnenerzählung in Wielands Roman «Die Abentheuer des Don Sylvio von Rosalva». Hierin diente dieses Märchen als Argument, um den feengläubigen Don Sylvio von dessen schwärmerischen Wahn zu befreien. Denn die Geschichte vom Prinzen Biribinker ist eine phantastische Anhäufung und Übertreibung aller Zaubereien und Wunder, die für das Feenmärchen des achtzehnten Jahrhunderts charakteristisch sind – und treibt deren Stilblüten schamlos auf die Spitze. Doch um unterschiedslose Verdammung der damals ausserordentlich beliebten Feenmärchen ging es Wieland nicht. Sein Spott trifft nicht die Feengeschichten schlechthin, sondern lediglich eine ganz bestimmte Gruppe: jene Märchen nämlich, die mit einem riesigen Aufgebot von Zauberei und Feerei moralische Lehren erteilen wollen. Darum stellt Wieland in der Biribinker-Erzählung nicht nur die Gesetze der Natur, sondern auch die der Moral auf den Kopf. Und bescherte damit der Nachwelt ein äusserst humorvolles Märchen. Sprecherin: Astrid Meyerfeldt – Tontechnik: Jack Jakob – Redaktion und Regie: Johannes Mayr - Produktion: SRF 2010
Walter Benjamins (1892-1940) dreissig Prosaminiaturen, in denen er die inneren Bilder seiner Grossstadtkindheit einzufangen versucht, stellen ein einzigartiges Zeitdokument dar und gehören zu den schönsten autobiographischen Schriften in deutscher Sprache. Die treffendsten Stichworte zu den Bildern, die der Autor in den sieben verbleibenden Miniaturen zeichnet, liefern einmal mehr die Titel: «Ein Weihnachtsengel», «Unglücksfälle und Verbrechen», «Die Farben», «Der Nähkasten», «Der Mond», «Zwei Blechkapellen» und «Das bucklichte Männlein», der wohl bekannteste Text, der in allen Fassungen am Ende steht. Sprecher: Felix von Manteuffel – Produktion: SRF 2013