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SWR2 Zeitgenossen
Author: SWR
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Wir sprechen jede Woche mit Zeitgenossen, die auf einen besonderen Lebensweg zurückblicken: Sie sind Aktivist*innen, Künstler*innen oder Forscher*innen. Sie haben Zeitgeschichte erlebt und geprägt – und sie haben viel zu erzählen. Zur ARD Audiothek: https://www.ardaudiothek.de/sendung/swr2-zeitgenossen/8758618/
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Die Mitte der Gesellschaft teilt zunehmend demokratiefeindliche und rechtsextreme Einstellungen. Das ist das Ergebnis der Studie „Die distanzierte Mitte“ unter Leitung des Gewalt- und Konfliktforschers Andreas Zick: Jede zwölfte Person in Deutschland hat ein rechtsextremes Weltbild, fast jede*r dritte teilt völkische Ansichten. Was sich zeigt, wenn auf Sylt „Deutschland den Deutschen“ gegrölt wird. Oder die AfD nicht trotz demokratiegefährdender, menschenfeindlicher Parolen gewählt wird, sondern deshalb. Insgesamt, meint Andreas Zick, finde eine Normalisierung rechtsradikaler Positionen statt.
„Vom Tellerwäscher zum Tellerwäscher“. Der Titel sagt alles über strukturelle Armut und fehlende Möglichkeiten sozialen Aufstiegs in Deutschland. Oder einfach über „die Lüge von der Chancengleichheit“. Davon handelt das aktuelle Buch von Ciani-Sophia Hoeder. Sie war 14 Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter zum ersten Mal zur Berliner Tafel ging und sich dafür schämte, dass die Familie arm war – weil Armut immer noch als persönliches Versagen gilt. Nach dem Studium in London arbeitete die Journalistin für die WELT. 2019 gründete sie RosaMag, ein Online-Magazin für Schwarze Frauen in Deutschland.
„Ein sicherer Ort ist der, an dem nicht jemand anders bestimmt, wer ich zu sein habe“. Schreibt Laura Cazés in dem von ihr herausgegeben Band „Jüdischsein in Deutschland“. Vor allem die Perspektive einer jüngeren Generation, die nicht über die Vergangenheit definiert werden will, kommt darin zum Ausdruck: „Wir wollen kein lebendes Mahnmal sein – nicht ständig über die Shoah, über Antisemitismus, über den Nahostkonflikt sprechen“.
Der Vielfalt jüdischen Lebens begegnet Laura Cazés, geboren 1990 in München, auch im Beruf, bei der „Zentralwohlfahrtstelle der Juden in Deutschland“ in Frankfurt
Aua!“ Unter diesem Titel hat der Bestsellerautor Axel Hacke „Die Geschichte meines Körpers“ geschrieben. Er blickt auf fast sieben Jahrzehnte Ko-Existenz mit diversen Funktionen innerer und äußerer Organe zurück. Inklusive der Schilddrüse – von der er bis zu einer Dysfunktion derselben bis vor kurzem nicht wusste, dass er sie hatte.
Auch inklusive Penis. So entstand die intime Biografie eines körpersensiblen Autors, vulgo Hypochonders, der seine Karriere als Journalist beendete, weil ein Tinnitus ihm Warnsignale sandte – und als Publizist heute bekannt ist für „Das Beste aus meinem Leben“.
„Requiem für Alice“ heißt die Performance, mit der Elia Rediger künstlerisch gegen rechtsextreme Positionen protestiert. Geboren 1985 in Kinshasa als Sohn Schweizer Entwicklungshelfer, arbeitet der Komponist, Musiker und Regisseur immer politisch. Etwa, wenn er mit einem „Minenoratorium, frei nach Händel“ gegen Ausbeutung im Kongo protestiert. Mit einem „ur-demokratischen Wahl-Song“ von 104 Urhebern und dem Motto „Mut, Chaos & Lockerheit“ kandidierte er für das Amt des Bürgermeisters in Basel. „Macht der Künste“ war auch sein Thema an der Deutschen Oper Berlin: im Format „Aus dem Hinterhalt“.
Was bedeutet Normalität, wenn rechtsradikales Denken salonfähig wird? Und eine rechte Partei mit dem Slogan „Deutschland, aber normal“ wirbt? Normalität – zeigt Hito Steyerl bereits in ihrer gleichnamigen Serie von Video-Arbeiten aus den 1990er Jahren – wird dann zum Bedrohungsszenario für alle, die nicht unter die Norm fallen. Bekannt ist sie heute vor allem für ihre Video-Essays, zum Beispiel für die Arbeit „Is the Museum a Battlefield?“ über Kunst-Sponsoring von Rüstungskonzernen. Vom Magazin „Art Review“ wurde Hito Steyerl als einflussreichste Persönlichkeit in der Kunstwelt bezeichnet.
„Mit nur zehn Worten Jiddisch“. So kam Robert Ogman nach Deutschland, der Liebe wegen. Geboren wurde er in New York, aufgewachsen ist er in New Jersey. Heute lebt der Politikwissenschaftler in Konstanz, arbeitet für die Kulturregion Stuttgart und will die Normalität jüdischen Lebens zeigen. Vor allem, wenn er in Schulen spricht. Über die Geschichte seiner Familie, die vor Gewalt gegen Juden in Osteuropa floh. Über die Realität, als Jude wieder von Vernichtungsfantasien bedroht zu sein. Und über Optionen für friedliche Koexistenz. Zum Jahrestag der antijüdischen Pogrome 1938 in Deutschland.
Mit dem „House of Saint Laurent“ prägte Sophie Yukiko die deutsche Voguing- und Ballroom-Szene, ursprünglich eine queere Schwarze Subkultur in New York, heute auch eine wichtige Inspiration für Mode und Mainstream, von Dior bis Beyoncé.
Als Choreografin beschäftigt sie sich mit exzessivem Tanz als spiritueller Praxis und dem Erbe westafrikanischer Schwarzer Kulturen in Techno und Rave.
Auch ihr Tanzfilm „Indigo“ erinnert an solche fast vergessenen transatlantischen Verbindungen. Dabei setzt sie „Erbwissen versus Erbtrauma“. Als Performerin tanzt sie im Schlagerballett „Ich nehm dir alles weg“.
Plötzlich stirbt der eigene Sohn. Und dann wird auch noch festgestellt, dass sie selbst unheilbar herzkrank ist. Aber endlich beziehungsfähig. „Was ist schon für immer“. Nennt Katja Lewina ihr neues Buch über das „Leben mit der Endlichkeit“. Bekannt wurde sie durch die ebenfalls persönliche Veröffentlichung „Sie hat Bock“: über weibliches Begehren und sexuelle Ungleichheit. Anschließend kontaktierte sie zehn Ex-Partner und sprach mit ihnen über vergangene Beziehungen. Und „was so alles schiefgehen kann“. Katja Lewina, geboren 1984 in Moskau, lebt bei Berlin und publiziert unter Pseudonym.
„Aufgrund meiner Wurzeln bin ich mit dem Nahostkonflikt aufgewachsen“. Jouanna Hassoun wurde im Libanon als Tochter palästinensischer Flüchtlinge geboren und floh mit ihrer Familie im Alter von 6 Jahren nach Deutschland. „Wie wir über Israel und Palästina sprechen“ heißt der „Trialog“, den sie gemeinsam mit Shai Hoffmann, deutscher Jude mit israelischen Wurzeln, schon in vielen Schulen geführt hat. Um über Ursachen und Eskalation der Gewalt in Nahost und deren Auswirkungen auf jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland zu informieren. Vor allem, um zu zeigen: ein Miteinander ist möglich.
Von der Opulenz des Barock bis zum Minimalismus der Molekularküche: Ute Cohen untersucht in ihrer Geschichte der Kulinarik den „Geschmack der Freiheit“ – wie die europäische Restaurantkultur entstand und was sie uns heute bedeutet. In Paris war sie als Kommunikationsberaterin lange für amerikanische Unternehmensberatungen tätig. „Poor Dogs“ heißt ihr Roman über Menschen im Finanzkapitalismus, wo alles, auch das Privatleben, einer Kosten-Nutzen-Rechnung folgt. Und Business-Modelle selbst das Liebesleben prägen: „Sex war auch nichts anderes als Körperpflege“. Ute Cohen lebt in Berlin.
Mwangi Hutter ist ein Künstler-Duo mit einer Persönlichkeit: „die Geschichte zweier Individuen, die zu einem Künstler verschmelzen“. So stellt sich das Paar auf seiner Website vor. In ihrer Kunst zeigen Mwangi Hutter, wie konventionelle Vorstellungen von Identität und Geschlecht, sozialer und kultureller Herkunft überwunden werden können. Geboren in Nairobi und in Ludwigshafen am Rhein, haben sich die beiden während des Studiums in Saarbrücken kennengelernt. Ihre Arbeiten wurden bei der documenta, bei der Biennale von Venedig, im Brooklyn Museum New York und im Centre Pompidou Paris gezeigt.
Auf welche Erzählung kann sich eine Gesellschaft verständigen? Vor allem, wenn Menschen zusammenleben, die sehr unterschiedliche Erfahrungen mit Krieg oder Diskriminierung gemacht haben, in der eigenen Biografie und/oder in der Familie? „Gewalt und Gedächtnis“ heißt das Buch, in dem die Historikerin Mirjam Zadoff der Möglichkeit einer gemeinsamen Erinnerungskultur nachgeht. Als Direktorin des NS-Dokumentationszentrums in München war zuletzt die Kontinuität rechter Gewalt ein Schwerpunkt ihrer Arbeit: wie Rechtsextreme dadurch von 1945 bis heute versucht haben, ein Klima der Angst zu schaffen.
Mit dem Mauerfall erlitten die Menschen in Ostdeutschland einen „Freiheitsschock“ – meint der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk. Und nennt so sein neues Buch mit dem Untertitel „Eine andere Geschichte Ostdeutschlands von 1989 bis heute“. Den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes 1990 und die Transformation des sozialistischen Staats in eine Demokratie mit kapitalistischer Wirtschaft bezeichnet er als „Übernahme“ durch die Bundesrepublik. Mit sozialen Narben, Entwertungen von Biografien und antidemokratischen Ressentiments, die bis heute in Ostdeutschland nachwirken.
„Ein Mann seiner Klasse“. Heißt der Roman, den Christian Baron über seinen Vater schrieb. Vor allem über seine eigene Kindheit in Kaiserslautern. Was es bedeutet, in Armut aufzuwachsen. Deshalb diskriminiert zu werden. Und in einem reichen Land von Behörden quasi keine Hilfe zu bekommen. Wie er es schaffte, als erster seiner Familie die Armut zu verlassen, aufs Gymnasium zu gehen und Journalist zu werden. Warum das nur mit Glück gelang. Und mit Menschen, die an ihn glaubten. Als läge Döblins „Berlin Alexanderplatz“ in der Pfalz. Der SWR hat „Ein Mann seiner Klasse“ jetzt für die ARD verfilmt.
Wie blickt man auf die Ukraine, wenn man eine eigene Geschichte mit ihr hat – mit einer Großmutter, die in Luhansk aufwuchs, 1942 von Deutschen deportiert und als Zwangsarbeiterin missbraucht wurde? „Aleksandra“ heißt das Jahrhundertpanorama, in dem die niederländische Autorin und Virtual-Reality-Regisseurin Lisa Weeda sich auf die Suche macht.
Ebele Okoye hat einen weiten Weg gemacht: 1969 mitten im Bürgerkrieg Nigerias in großer Armut geboren, gelang ihr 2000 die legale Einwanderung nach Deutschland. Ab 2003 studierte sie in Köln ihr Wunschfach Trickfilm- und Animationszeichnerin. Heute nennt man sie „Mother of African Animation Movie“: die erste Trickfilmerin aus einem afrikanischen Land. Bekannt auch für ihre Social-Media-Videos. Seit Jahren engagiert sie sich in der Frauen- und Nachwuchs-Förderung, in Berlin wie in Lagos. Ein Gespräch über kindliche Einsamkeit im Dschungeldorf, zerlegte Radios und die Kraft der Fantasie.
Das Meer. Für die Meeresbiologin Antje Boetius ist es vor allem die Tiefsee – eine geheimnisvolle Welt mit vielen Unbekannten. „Das dunkle Paradies“ nannte sie das Buch, das sie mit ihrem Vater darüber schrieb. In dem sie die Kindheit der Ozeane schildert. Das komplexe Ökosystem der Meere erklärt. Und weshalb Wasser nicht einfach nur Wasser ist. Sie ist selbst in 3.500 Meter Tiefe getaucht. Leitet das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Forscht zu Methan am Meeresboden. Und warnt davor, dass es die Klimakrise beschleunigt, wenn man es freigesetzt. Als Kind wollte sie Piratin werden.
Das erste Mal oben ohne im Freibad – für Linus Giese war das „ein befreiendes Gefühl“. Oben ohne heißt in seinem Fall nicht nur ohne Shirt, sondern auch ohne Brüste. Die hat er sich nach langer und intensiver Überlegung abnehmen lassen. „Tatsächlich fühlt sich mein Leben wie eine Wiedergeburt an. Oder vielleicht sogar wie eine Neugeburt“. Schrieb er damals in seinem Blog. Sein Leben als trans Mann und sein Coming Out teilt der Buchhändler mit über zwanzigtausend Followern auf Instagram. Und er erzählt davon in seinem Bestseller „Ich bin Linus. Wie ich der Mann wurde, der ich schon immer war“.
Jan Weiler ist einer der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller. Bekannt wurde er mit „Maria ihm schmeckt’s nicht“ über seine angeheiratete italienische Familie. Es folgten drei Bestseller über „Das Pubertier“ und die „Kühn“-Krimis. In seiner Kolumne „Mein Leben als Mensch“ erzählt der ehemalige Chefredakteur des SZ-Magazins seit 2007 von seinem Alltag, spricht über seine Ängste und über die Notwendigkeit von Humor. Zum Beispiel im Roman „Drachensaat“. So nennt sich dort eine Gruppe scheinbarer Psychotiker, die einen Industriellen entführt und auf eine bürgerliche Revolution hofft.
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