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Was liest du gerade?
Author: ZEIT ONLINE
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Wer ist nun besser: Kehlmann oder Kafka? Und was macht ein wirklich gutes Buch mit seinen Lesern und Leserinnen? Zweimal im Monat streiten und schwärmen wir über Bücher. Wir suchen aus der Fülle der Neuerscheinungen die interessantesten Bücher aus – mit Vorliebe solche, die uns selbst auf neue Gedanken gebracht haben. Es geht um neu erschienene Romane und Sachbücher und literarische Klassiker, die überraschende Schlaglichter auf die Gegenwart werfen.
Im Wechsel sprechen aus den ZEIT-Redaktionen Adam Soboczynski und Iris Radisch über Belletristik sowie Maja Beckers und Alexander Cammann über Sachbücher.
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31 Episodes
Reverse
In der neuen Folge unseres Buch-Podcast „Was liest du gerade?“ sprechen
Iris Radisch und Adam Soboczynski über die fantastische Aktualität eines
der bedeutendsten Romane der deutschen Literatur: „Der Zauberberg“ von
Thomas Mann erschien vor genau 100 Jahren und lässt uns in die Debatten
einer großen europäischen Umbruchszeit eintauchen, aus denen wir viel
für unsere Gegenwart lernen können.
Im neuen Roman „Man kann auch in die Höhe fallen“ von Joachim Meyerhoff
geht es auch um eine Krise: in diesem Fall um die Lebens- und
Schreibkrise des berühmten deutschen Schauspielers und Autors, aus der
er während eines langen Kuraufenthalts bei seiner vor Lebensenergie nur
so sprühenden 86-jährigen Mutter an der Ostsee wieder herausfindet –
indem er ungemein unterhaltsam von ihr erzählt.
Auch in dem autobiographischen Roman „Vilhelms Zimmer“ von Tove
Ditlevsen geht es um die Lebenskrise einer berühmten Autorin, die nicht
weiterleben kann, nachdem sie von ihrem vierten Ehemann, dem
Chefredakteur einer Kopenhagener Zeitung, verlassen wurde. Anrührend und
mit dem mitreißenden Humor der Verzweifelten erzählt die spät
wiederentdeckte dänische Schriftstellerin von ihrer gescheiterten Ehe
und ihren vergeblichen Versuchen, das Leben durch eine skurrile
Heiratsannonce noch einmal neu zu starten.
Unser Zitat des Monats stammt dieses Mal aus dem neuen Buch „Das
Schattengetuschel“ von Botho Strauß, der am 2. Dezember 80 Jahre alt
wird.
Sie erreichen das Team von "Was liest du gerade?" unter buecher@zeit.de.
Literaturangaben:
Thomas Mann: Der Zauberberg, Fischer Taschenbuch Verlag, 1120 Seiten, 22
Euro
Joachim Meyerhoff: Man kann auch in die Höhe fallen, Kiepenheuer und
Witsch Verlag, 368 Seiten, 26 Euro
Tove Ditlevsen: Vilhelms Zimmer, Aufbau Verlag, 206 Seiten, 22 Euro
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Die Sachbuch-Folge von "Was liest Du gerade?" diesmal etwas anders als
sonst: Thea Dorn ist am Mikro als Gast-Host dabei, die Essayistin,
Schriftstellerin und Moderatorin des "Literarischen Quartetts" im ZDF.
Den "Ersten Satz" liefert Svenja Flaßpöhler in ihrem Essay "Streiten":
Warum ist Streit so wichtig, privat und gesellschaftlich – und was
unterscheidet ihn von der Diskussion, der Debatte, dem
Miteinanderreden?
Heftigen Streit ausgelöst hat aktuell die Entertainerlegende Thomas
Gottschalk mit seinem Buch "Ungefiltert": Er zieht darin mächtig vom
Leder gegen den Zeitgeist, gegen Influencer, den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk und gegen alles, was ihm sonst momentan nicht passt. Erleben
wir das persönliche Drama eines 74-Jährigen oder lohnt sich die
Diskussion über einige von Gottschalks Thesen?
Die Journalistin und Historikerin Anne Applebaum hat neulich in
Frankfurt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen. Jetzt
schreibt sie in ihrem Buch "Die Achse der Autokraten", wie gefährlich
die neuen Allianzen zwischen China, Russland, Iran und diversen anderen
diktatorisch regierten Ländern für die Demokratien weltweit sind.
Wenige Tage vor den Schicksalswahlen in Amerika schauen wir auf eine
Klassikerin, die uns dieses faszinierende Land mit seinen politischen
Dramen erklärt: Hannah Arendts Buch "Über die Revolution" von 1963. Sie
erklärt darin, wie der Amerikanischen Revolution im 18. Jahrhundert die
"Gründung der Freiheit" gelang. Wäre Hannah Arendt heute auch noch so
optimistisch?
Sie erreichen das Team von "Was liest Du gerade?"
unter buecher@zeit.de.
Literaturangaben:
Svenja Flaßpöhler: Streiten, Hanser Berlin, 128 Seiten, 20 Euro
Thomas Gottschalk: Ungefiltert. Bekenntnisse von einem, der den Mund
nicht halten kann, Penguin, 320 Seiten, 24 Euro
Anne Applebaum: Die Achse der Autokraten. Korruption, Kontrolle,
Propaganda: Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten, aus dem
Englischen von Jürgen Neubauer, Penguin, 208 Seiten, 26 Euro
Hannah Arendt: Über die Revolution, Piper, 544 Seiten, 16 Euro
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In der neuen Folge unseres Buchpodcasts "Was liest du gerade?" sprechen
Iris Radisch und Adam Soboczynski über Zurückgebliebene und Aussortierte
der Zeitläufe in Berlin und in Paris. Im neuen Roman "Unser Ole" von
Katja Lange-Müller geht es um zwei alte Frauen – eine aus dem Westen,
eine aus dem Osten –, die zusammen in einem heruntergekommenen Dorfhaus
im Speckgürtel Berlins in einer Zweck-WG leben. Doch plötzlich liegt
eine der beiden tot auf dem Treppenabsatz, und der seelisch kranke Enkel
ist auch verschwunden. Fast ein Krimi, aber auch ein Seelendrama, das
ungeschminkt und heiter vom Überleben der Kriegskindergeneration in
Deutschland erzählt.
Auch im Roman "Memory Lane" des französischen Literaturnobelpreisträgers
Patrick Modiano geht es um Übriggebliebene und Lebenskünstler. In diesem
Fall um ein Pariser Freundesgrüppchen, das sich nach dem Zweiten
Weltkrieg im verblichenen Glanz früherer Tage sonnt, bis diese
Scheinexistenz zusammenkracht und die Freunde sich in alle Winde
verstreuen.
Unser Klassiker verbreitet Mut: Bertolt Brechts "Unwürdige Greisin"
zeigt uns, wie man im Alter noch einmal ganz neu anfangen kann.
Und unser Zitat des Monats stammt dieses Mal von der frisch gekürten
Literaturnobelpreisträgerin Han Kang, die sich auf beeindruckende Weise
den dunklen Seiten der koreanischen Geschichte zuwendet.
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Er ist wieder mal ganz oben auf der Bestsellerliste, bei uns liefert er
den Ersten Satz: Diesmal hat Hape Kerkeling mit Gebt mir etwas Zeit ein
Buch über sich und seine Vorfahren geschrieben – mit auch politisch
überraschenden Ergebnissen. Man kann aus seiner Recherche lernen, wie
vielfältig Deutschland in Sachen Herkunft seit Jahrhunderten ist.
Erfindet sich da ein Entertainer etwa neu?
Die prominente Aktivistin und Bestsellerautorin Naomi Klein begibt sich
in ihrem Buch Doppelgänger auf die Spur einer merkwürdigen Geschichte,
die sehr viel mit ihr persönlich zu tun hat: Immer wieder wird sie im
Internet mit der bekannten Feministin Naomi Wolf verwechselt, die sich
von einer linken Ikone in eine rechte Verschwörungstheoretikerin
verwandelt hat. Was sagt diese Verwandlung über das Amerika von heute,
kurz vor den Präsidentschaftswahlen? Wie konnte so etwas überhaupt in
dieser Gesellschaft passieren? Und wie selbstkritisch müssen Linke wie
Naomi Klein mit ihren eigenen Illusionen umgehen, wenn es um die
Verteidigung von Demokratie und Öffentlichkeit geht?
Verlust – das ist vielleicht das zentrale Gefühl unserer Gegenwart.
Jeder kennt es, und ausgerechnet jetzt wirkt es als Krisenverstärker in
den westlichen Gesellschaften. Der Soziologe Andreas Reckwitz erklärt in
seinem bahnbrechenden Buch Verlust erstmals, weshalb diese Krisen von
heute mit Verlust zusammenhängen und warum Fortschritt nicht mehr so
wichtig ist. Wie können wir als Gesellschaft lernen, mit Verlusten
umzugehen, um die Zukunft zu meistern? Merke: Keine Angst mehr vor
Verlust!
Als Klassiker empfehlen unsere Hosts diesmal Walden von Henry David
Thoreau: 1845 zog sich der amerikanische Autor in eine Blockhütte
zurück, wo er zwei Jahre in der Einsamkeit des Waldes lebte. Über diese
existenzielle Erfahrung schrieb er ein berühmtes Buch, das die Natur,
Freiraum und menschliches Dasein, Amerikas Geist und die Grenzen der
Zivilisation verknüpfte. Hilft uns diese Lektüre heute wieder?
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Literaturangaben:
Hape Kerkeling: Gebt mir etwas Zeit. Meine Chronik der Ereignisse,
Piper, 368 Seiten, 24 Euro
Naomi Klein: Doppelgänger. Eine Analyse unserer gestörten Gegenwart.
Übersetzt von Peter Robert und Rita Seuß, S. Fischer, 496 S., 29 Euro
Andreas Reckwitz: Verlust. Ein Grundproblem der Moderne, Suhrkamp, 463
Seiten, 32 Euro
Henry David Thoreau: Walden oder Leben in den Wäldern. Diverse
Übersetzungen und Ausgaben auf Deutsch
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In der neuen Folge unseres Buchpodcasts Was liest du gerade? lassen Iris
Radisch und Adam Soboczynski sich von der deutsch-indischen Autorin
Mithu Sanyal auf eine Zeitreise ins London um 1906 mitnehmen. In ihrem
neuen Roman Antchristie begegnen wir den Helden der indischen
Befreiungsbewegung und erleben die Debatten mit Mahatma Gandhi. Sollen
sich die Inder vom Joch des britischen Kolonialismus mit oder ohne
Gewalt befreien? Und was ist anders, wenn man die Weltgeschichte
konsequent aus indischer Perspektive betrachtet? Eine wichtige Frage ist
auch: Schafft es Mithu Sanyal, ihren schon aus Identitti bekannten Sinn
für scharfen Witz und Humor in die wortreichen Auseinandersetzungen über
den britischen Kolonialismus hineinzuschmuggeln?
David Wagners Roman Verkin fußt auf einer wahren Begebenheit: Er handelt
von der Lebensgeschichte einer türkischen Armenierin und dem Schicksal
ihrer Familie, die dem Völkermord 1915/16 ausgesetzt war. Verkins Vater
gelingt es, als Unternehmer in der türkischen Gesellschaft aufzusteigen,
auch mit fragwürdigen Mitteln. Die Tochter, heute Ende siebzig, führt
ein illustres Jetset-Leben, das sie immer wieder in die höchsten Kreise
und die Popkultur führt. Wagner besucht seine Protagonistin immer wieder
in Istanbul. Und ist auch mit einer dunklen Seite Verkins konfrontiert:
Wie passt es, dass sie sich für Erdoğans AKP engagiert?
Unser Klassiker ist diesmal eine sensationelle Neuentdeckung: Völlig
überraschend sind fünf neue und bedeutende Briefe von Heinrich von
Kleist (1777–1811) aufgefunden worden. Wir können ihn erstmals als
unmittelbaren Beobachter einer Schlacht erleben – und als einen Agenten
in Aktion mit einer politischen Mission. Kleist gehörte einem Kreis von
Napoleon-Gegnern an, die sich konspirativ einem Befreiungsprojekt
verschrieben haben: Die Deutschen sollten sich vereinen und Napoleon in
einem nationalen Volksaufstand niederringen. Als das Vorhaben scheitert,
ist Kleist am Boden zerstört. Die Briefe zeigen, wie sich der große
Dichter des Zerbrochenen Krugs und der Marquise von O… auch politisch
ins Abseits manövrierte.
Unser Zitat des Monats kommt aus Parade, dem neuen Buch der
kanadisch-britischen Autorin Rachel Cusk, in dem es um die nur schwer zu
erreichende Vereinbarkeit von Mutterschaft und weiblichem Künstlertum
geht.
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Der Sommer geht zu Ende, es beginnt der Herbst mit vielen neuen
Sachbüchern, die Diskussionen auslösen werden. In Amerika hat das Samuel
Moyn schon geschafft: Mit seinem Buch Der Liberalismus gegen sich selbst
greift der Ideenhistoriker berühmte Klassiker des liberalen Denkens nach
1945 an, von Hannah Arendt, Isaiah Berlin bis hin zu Karl Popper und
Judith Shklar. Alle seien sie mitschuldig am Aufstieg Trumps und der
heutigen Schwäche der westlichen Demokratie – denn der Liberalismus
dieser Denker sei einseitig gewesen. Hat Moyn recht mit seiner Attacke?
Die Welt der Superreichen ist vor den Blicken der Normalverdiener
meistens gut geschützt. Der Journalistin Julia Friedrichs gelingt jetzt
ein Blick an Bord der Luxusjachten und hinter die Mauern und Hecken um
all die großen Villen: Ihre Recherche schaut auf Statistiken ebenso wie
auf ganz normalen superreichen Lebensalltag, auf das gute oder schlechte
Gewissen, das auf immensen Reichtum folgt. Die Privilegien kommen ebenso
vor wie die Sinnkrisen dieser Elite, während die Autorin nach Antworten
sucht, wie eine Gesellschaft, die gerecht sein will, obszöne
Ungleichheit in den Griff bekommen kann.
Der "Erste Satz" stammt diesmal aus dem Buch von Barbara Bleisch, Mitte
des Lebens: Darin geht es um die schon so oft beklagte Midlife-Crisis –
aber diesmal ganz anders als sonst. Denn die Philosophin Bleisch erklärt
auf originelle Art, weshalb diese "besten Jahre" eigentlich ziemlich
lässig sein können und auch noch überraschend viele neue Chancen bieten.
Als Klassikerin empfehlen unsere Hosts diesmal Hannah Arendt mit zwei
neu entdeckten Texten, die in dem Band Über Palästina erschienen sind.
Sie zeigen die weltberühmte Denkerin von einer wenig bekannten Seite:
als politisch hellwache Zeitgenossin, die sich schon in den 1940er- und
1950er-Jahren Gedanken über Lösungen im Nahostkonflikt machte. Und diese
Gedanken sind leider immer noch hochaktuell.
Sie erreichen das Team von Was liest du gerade? unter buecher@zeit.de.
Literaturangaben:
Barbara Bleisch: Mitte des Lebens. Eine Philosophie der besten Jahre,
Hanser, 272 Seiten, 25 Euro
Samuel Moyn: Der Liberalismus gegen sich selbst. Intellektuelle im
Kalten Krieg und die Entstehung der Gegenwart, übersetzt von Christine
Pries, Suhrkamp, 303 Seiten, 30 Euro
Julia Friedrichs: Crazy Rich. Die geheime Welt der Superreichen, Berlin
Verlag, 384 Seiten, 24 Euro
Hannah Arendt: Über Palästina, übersetzt von Mieke Hiegemann, Piper, 272
Seiten, 22 Euro
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Wir sprechen über Alexander Schimmelbuschs neuen Roman „Karma“, der
einen Blick in die Zukunft wagt. Wie sieht Deutschland im Jahr 2033 aus?
Was wird die Künstliche Intelligenz mit uns machen? Und vor allem: Wie
steht es in wenigen Jahren um die Liebe und den Sex?
Auch Martina Hefters neuer Roman „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“
handelt von der Liebe im digitalen Zeitalter. Die Heldin des Romans
treibt in ihrer Leipziger Wohnung nachts ein aufregendes Spiel mit
Love-Scammern. Also mit Männern, die einsamen Frauen auf Instagram Liebe
versprechen, um ihnen am Ende ihr Geld abzuknöpfen. Doch hier hält die
Erzählerin souverän alle Fäden in der Hand, während ihr schwer kranker
Partner im Nebenzimmer an seinem Roman arbeitet.
Unser Klassiker ist Robert Musils erster Roman „Die Verwirrungen des
Zöglings Törless“ aus dem Jahr 1906. Er bietet nicht nur erstklassigen
Lesegenuss, sondern auch reichlich Stoff, um über den spektakulären
Untergang der Welt des 19. Jahrhunderts, sowie über die Entdeckung
sexueller und seelischer Abgründe zu diskutieren.
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Selten war ein Wahlkampf derart turbulent – vom Attentat auf Donald
Trump bis zu Joe Bidens Verzicht und der Einwechslung von Kamala Harris
als Kandidatin der Demokraten. Wohin treibt Amerika? Es gibt viele
Bücher, die versuchen, ein Land im Aufruhr zu erklären. Für ein "Was
liest du gerade?"-Spezial sprechen Maja Beckers und Alexander Cammann
über vier Sachbücher, die sich wirklich lohnen.
Da ist das neue Buch von Daniel Ziblatt und Steven Levitsky,
Politikwissenschaftler in Harvard und Autoren des Weltbestsellers Wie
Demokratien sterben. Sie glauben, die amerikanische Demokratie stehe am
Abgrund, weil Mehrheiten sich nicht mehr durchsetzen können. In ihrem
neuen Buch Die Tyrannei der Minderheit erklären sie, warum das
amerikanische Wahlsystem geradezu darauf ausgelegt ist, dass eine
reaktionäre Minderheit sich durchsetzt und warum deshalb diese reiche
Demokratie besonders anfällig ist für den Autoritarismus.
Jemand, der davon profitiert, ist J. D. Vance, Trumps Kandidat für die
Vizepräsidentschaft. In der Rubrik Der erste Satz diskutieren unsere
Hosts über ein Zitat aus seinem gefeierten Buch Hillbilly-Elegie von
2016. Was meint Vance damit, wenn er den weißen Armen im Rust Belt eine
geradezu spirituelle Kultur des Scheiterns attestiert?
Wachsende Zeltstädte, Sucht und Obdachlosigkeit – die oft extreme Armut
in den USA ist ein zentrales Thema vieler Wahlkampfdebatten. Matthew
Desmond ist Soziologe in Princeton und Pulitzer-Preisträger. In seinem
Buch Armut. Eine amerikanische Katastrophe versucht er zu verstehen,
warum Armut in den USA ein derart gravierendes und dauerhaftes Problem
ist. Und er kommt zu einigen überraschenden Schlüssen, die mit den
üblichen Erklärungen von rechts (Migration) und links (Neoliberalismus)
nichts zu tun haben.
Und warum spielen individuelle Rechte, von Schwangerschaftsabbrüchen bis
Black Lives Matter, in den amerikanischen Diskussionen immer so eine
große Rolle? Aufschlussreich ist da ein Blick in vier Essays von Judith
Shklar, die unter dem Titel Der Liberalismus der Rechte zum Klassiker
geworden sind. Die 1992 verstorbene und seit einigen Jahren
wiederentdeckte Theoretikerin findet, dass genau dieser Fokus auf
persönliche Rechte typisch ist für den besonderen amerikanischen
Liberalismus.
Sie erreichen das Team von Was liest du gerade? unter buecher@zeit.de.
Literaturangaben:
Steven Levitsky, Daniel Ziblatt: "Die Tyrannei der Minderheit. Warum die
amerikanische Demokratie am Abgrund steht und was wir daraus lernen
können", übersetzt von Klaus-Dieter Schmidt, DVA, 352 Seiten, 26 Euro
Matthew Desmond: "Armut. Eine amerikanische Katastrophe", übersetzt von
Jürgen Neubauer, Rowohlt, 304 Seiten, 20 Euro
JD Vance: "Hillbilly-Elegie", übersetzt von Gregor Hens, Ullstein, 304
Seiten, 18 Euro
Judith Shklar: "Der Liberalismus der Rechte", übersetzt von Dirk Höfer,
Hannes Bajohr (Hg.), Matthes & Seitz, 203 Seiten, 16 Euro
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In unserer August-Folge von Was liest du gerade? geht es um
Sommerbücher, die der Seele guttun. Wir blicken mit Anna Katharina
Fröhlichs Sommernovelle Die Yacht aufs rauschende Meer. Die in Italien
lebende Autorin entführt uns nach Sizilien in eine Welt des edlen
Müßiggangs. Geld spielt keine Rolle, alle tragen weiße Leinenkleider,
trinken Gin, ergehen sich in gebildeter Kulturkritik und glühenden
Leidenschaften. Natürlich endet alles in einem dramatischen Finale, in
dem diese herrlich sorglose Parallelwelt grandios in sich zusammenfällt.
Aber bis dahin schwelgen wir in geschmackvoller süditalienischer
Oberklassenherrlichkeit und einer verschwenderischen Wortpracht.
Ganz anders, aber auch sommerleicht geht es im Tagebuch der Dichterin
Sarah Kirsch zu. In Berlin dreht sich im historischen Sommer 1990 alles
um die Wiedervereinigung. Die Dichterin sitzt währenddessen in ihrem
Landhaus in Schleswig-Holstein und trinkt erst einmal "Koffie", füttert
die Katzen und bringt den Esel auf die Hausweide. Die Politik ist Sarah
Kirsch lästig, die Akteure in Berlin kommen ihr wichtigtuerisch und
eitel vor. Sie bevorzugt ein mönchisches Leben in der Natur und
hinterlässt uns ein hinreißendes Plädoyer für ein beschauliches
Sommeridyll auf dem Land.
Sie erreichen das Team von Was liest du gerade? unter: buecher@zeit.de.
Literaturangaben:
Anna Katharina Fröhlich: "Die Yacht; Eine Sommernovelle", Friedenauer
Presse, Berlin 2024, 164 S., 20,– Euro
Sarah Kirsch: "Der Sommer fängt doch so an! Tagebuch 1990", Steidl
Verlag, Göttingen 2023, 221 S., 24,– Euro
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Es ist ein Dauerbrenner in den öffentlichen Debatten: die schwierige
Situation in Ostdeutschland. Daher schauen Maja Beckers (West) und
Alexander Cammann (Ost) diesmal in der Sachbuchausgabe von Was liest Du
gerade? auf interessante Bücher von Ostdeutschen über den Osten. Der
Soziologe Steffen Mau plädiert für Realismus: In seinem Bestseller
Ungleich vereint erklärt er, weshalb der Osten auch in Zukunft sich vom
Westen unterscheiden wird und wie eine kluge Politik darauf reagieren
sollte. Die Tagesthemen-Moderatorin Jessy Wellmer, wie Mau in der DDR
geboren, erzählt in Die neue Entfremdung aus ihrer Kindheit in
Mecklenburg, von Freunden und Familie und deren Träumen und
Schwierigkeiten nach der Wiedervereinigung und von der
gesellschaftlichen Gefahr durch Klischees und bequeme Mythen.
Der erste Satz stammt diesmal aus einem besonderen Buch: Annett
Gröschner, Peggy Mädler und Wenke Seemann haben sich mehrfach getroffen,
diskutiert und gestritten und das alles in einen Gesprächsband Drei
ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat
verwandelt. Sie debattieren über Alltag und Aufwachsen in der DDR,
Feminismus, Familie und Kapitalismus, Utopien und Alternativen.
Als Klassiker empfehlen unsere Hosts diesmal Die Ostdeutschen. Kunde von
einem verlorenen Land: Der Soziologe Wolfgang Engler hat sich darin
bereits 1999 auf die Suche nach der speziellen Mentalität gemacht, die
in der DDR entstanden ist, und mit diesem Buch die Ost-West-Debatten
stark geprägt. Sind seine Thesen heute noch aktuell?
Ob Heimatkunde oder Entdeckungstrip: Der Osten bleibt also aufregend!
Sie erreichen das Team von Was liest du gerade? unter buecher@zeit.de.
Literaturangaben:
Steffen Mau: Ungleich vereint. Warum der Osten anders bleibt, Suhrkamp,
168 Seiten, 18,– €
Jessy Wellmer: Die neue Entfremdung. Warum Ost- und Westdeutschland
auseinanderdriften und was wir dagegen tun können, Kiepenheuer & Witsch,
256 Seiten, 24,– €
Annett Gröschner, Peggy Mädler, Wenke Seemann: Drei ostdeutsche Frauen
betrinken sich und gründen den idealen Staat, Hanser, 320 Seiten, 22,– €
Wolfgang Engler: Die Ostdeutschen. Kunde von einem verlorenen Land,
Aufbau, 352 Seiten, 12,– €
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An diesem Wochenende wird der legendäre Ingeborg-Bachmann-Preis in
Klagenfurt verliehen. Seit Tagen streitet die Jury vor Publikum und
Fernsehkameras über literarische Texte vor den Augen der
Schriftstellerinnen und Schriftstellern. In dieser Folge von Was liest
du gerade? sprechen Iris Radisch und Adam Soboczynski daher über ein
neues Buch aus dem Nachlass von Ingeborg Bachmann mit dem Namen Senza
Casa. Von der österreichischen Schriftstellerin (1926–1973), zu deren
Ehren der Preis in ihrer Geburtsstadt verliehen wird, können im Juli
bislang unbekannte autobiografische Skizzen und Notizen aus Neapel,
Ischia und Klagenfurt entdeckt werden. Wir erfahren von einer
unerfüllten Liebe, vom Leid des Schreibens – aber immer ist sie voller
Lebenshunger, der ansteckend ist.
Jenny Erpenbeck wurde vor Kurzem mit ihrem Roman Kairos den
International Booker Prize verliehen. Wir sprechen über dieses große
Werk, das uns in die letzten Jahre der DDR entführt: Es spielt im
weinseligen und amourösen Intellektuellenmilieu Ost-Berlins. Wie wird in
diesem Roman der Westen gesehen? Wie die Stasi? Und warum ist die
Liebesgeschichte der jungen Protagonistin zu einem alten
Schriftstellerfreund so böse, toxisch und sadistisch?
Im Roman von Jenny Erpenbeck taucht auch der Schriftsteller Heiner
Müller auf. Unser Klassiker ist diesmal eine Erzählung von Müller aus
dem Jahr 1956: Das Eiserne Kreuz.
Der "Erste Satz" kommt diesmal aus dem ungewöhnlichen und lustigen Krimi
Die Frau mit den vier Armen von Jakob Nolte.
Sie erreichen das Team von Was liest du gerade? unter: buecher@zeit.de.
Literaturangaben:
Ingeborg Bachmann: Senza Casa, Suhrkamp, 336 Seiten, 42 Euro
Jenny Erpenbeck: Kairos, Penguin, 384 Seiten, 24 Euro
Jakob Nolte: Die Frau mit den vier Armen, Suhrkamp, 235 Seiten, 20 Euro
Heiner Müller: Werke 2. Die Prosa, Suhrkamp, herausgegeben von Frank
Hörnigk, 210 Seiten, 30 Euro
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Ob am Strand, im Garten oder auf dem Balkon: Die Ferien können mit guter
Sachbuchlektüre noch schöner werden. Dafür haben Maja Beckers und
Alexander Cammann diesmal vier unterhaltsame und anregende Tipps parat.
Der Bestsellerautor Manfred Lütz hat in seinem neuen Buch einen ganz
besonderen Ort im Visier: Rom. In Der Sinn des Lebens erzählt er von der
Ewigen Stadt und ihren legendären Kunstwerken, den Bauwerken, Bildern
und Skulpturen, von der Antike bis heute. Lütz erklärt in Anekdoten und
Analysen die nie nachlassende Faszinationskraft der Stadt mit ihrer
besonderen Schönheit. Immer wieder hat sie die größten Künstler zu
Meisterwerken angestachelt, von Michelangelo, Raffael bis Caravaggio –
und sie zieht die Menschen aus aller Welt bis heute magisch an.
Besessen von Kunst war auch einer der erstaunlichsten Täter der
Kriminalgeschichte: Stéphane Breitwieser stahl in den 1990er-Jahren mit
seiner Lebensgefährtin Kunstwerke aus 200 Museen im Wert von einer
Milliarde Euro und hortete sie bei sich zu Hause. Michael Finkel hat den
spannenden Fall dieses Mannes rekonstruiert.
"Der erste Satz" stammt diesmal aus einem zur Reisezeit passenden Buch:
Marion Löhndorf erzählt vom Leben im Hotel, über die legendären Häuser
von Kalifornien bis Europa sowie ihre berühmten Gäste – und die
besondere Aura, die ein Hotel von der Airbnb-Wohnung immer noch
unterscheidet.
Als Klassikerin empfehlen unsere Hosts diesmal Anne Fadiman und ihr 1998
erschienenes Buch Ex Libris. Aus dem Leben einer Bibliomanin. Höchst
unterhaltsam schildert die amerikanische Autorin, was es im Alltag
bedeutet, eine leidenschaftliche Buchliebhaberin zu sein – viele
süchtige Leserinnen und Leser dürften sich bei ihr wiedererkennen.
In diesem Sinne, einen schönen Urlaub!
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In dieser Folge von Was liest du gerade? sprechen Iris Radisch und Adam
Soboczynski über die Fortsetzung der aktuellen Morgenstern-Serie von
Karl Ove Knausgård. Im neuen Band Das dritte Königreich steht noch immer
ein unbekannter Stern am Himmel, und es häufen sich magische und
unerklärliche Ereignisse. Die Mystery-Handlung des aktuellen Bandes
lässt viel Raum für die originellen philosophischen und theologischen
Reflexionen, für die der norwegische Starautor bekannt ist.
Außerdem sprechen sie über die aktuelle Neuerscheinung von Saša Stanišić
Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die
Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne. Das neue Buch des erfolgreichen,
aus Bosnien stammenden deutschsprachigen Schriftstellers ist ein
Erzählungsband, der humorvoll das Fremdsein junger Einwanderer in
Deutschland reflektiert, aber auch nachdenklich von der Einsamkeit alter
Frauen oder einer seltsamen Fantasiereise nach Helgoland erzählt. Die
Tonlage ist stets heiter und pointensatt. Das liest sich munter und
frisch. Oder kann es auch schon mal nerven?
In der neuen Reihe des Hanser Berlin Verlages, in dem aktuell die
existenziellen Themen des Lebens von prominenten Autoren und Autorinnen
essayistisch bearbeitet werden, hat Theresia Enzensberger einen
interessanten Essay über den Schlaf veröffentlicht. Woran liegt es, dass
immer mehr Menschen so schlecht schlafen? Warum hat der Schlaf so einen
miesen Ruf? Wäre es nicht besser, wenn man nicht ständig hellwach seien
müsste? Die Schriftstellerin führt anschaulich durch ein vermintes
Themenfeld und bekennt: Sie selbst kann auch nicht gut schlafen.
Willkommen im Club.
Passend zum Schlaf-Essay fragt der Klassiker diesmal nach den
unkontrollierten Nachtseiten der Existenz. In Heinrich von Kleists
Novelle Die Marquise von O … wird eine junge Witwe während einer
Ohnmacht von einem Unbekannten geschwängert und sucht anschließend in
schöner Unschuld per Zeitungsannonce nach dem Vater ihres ungeborenen
Kindes.
Sie erreichen das Team von Was liest du gerade? unter: buecher@zeit.de.
Literaturangaben:
Karl Ove Knausgård: Das dritte Königreich, aus dem Norwegischen von Paul
Berf, Luchterhand Verlag, 656 Seiten, 28 Euro
Theresia Enzensberger: Schlafen, Hanser Berlin, Berlin 2024, 112 Seiten,
20 Euro
Saša Stanišić: Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf
dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne. Erzählungen,
Luchterhand, 256 Seiten, 24 Euro
Heinrich von Kleist: Die Marquise von O …, Reclam, 88 Seiten, 3,50 Euro
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Über dieses heikle Thema sei zu lang geschwiegen worden, sagt der
US-amerikanische Germanist und Goetheforscher Daniel Wilson: "Goethe und
die Juden". So heißt sein neues Buch, in dem er sich das Verhältnis des
Dichters zu Jüdinnen und Juden ganz genau ansieht. Wilson durchkämmt
sein Werk, aber schaut sich auch an, wie Goethe privat sprach, wie er
sich politisch verhielt oder als Theaterdirektor in Weimar – mit sehr
unterschiedlichen Ergebnissen: zwischen Feindschaft und Faszination.
Außerdem diskutieren Maja Beckers und Alexander Cammann diesmal über ein
hochaktuelles und ebenso streitbares Buch: "Die vulnerable Gesellschaft"
von Frauke Rostalski. Die Juristin beklagt eine neue Verletzlichkeit und
die juristischen Folgen. Sind wir wirklich zu weich? Geht das Gesetz zu
weit und macht selbst Opfer unfrei?
"Der erste Satz" kommt diesmal aus einem Buch, das höchst unterhaltsam
Illusionen platzen lässt: In "Mythos Nationalgericht" erklärt der
italienische Historiker Alberto Grandi, was wirklich hinter Pizza,
Carbonara und italienischem Olivenöl steckt.
Und kurz vor der Europawahl empfehlen unsere Hosts diesmal den Klassiker
"Der entführte Westen", ein Essay von Milan Kundera aus dem Jahr 1983.
Darin beklagt Kundera eine Entführung, wie er es nennt, von Mitteleuropa
in den Osten, obwohl Staaten wie Polen, Tschechien oder Ungarn
eigentlich tief sitzende westliche Traditionen hätten.
Sie erreichen das Team von "Was liest du gerade?" unter buecher@zeit.de.
Literaturangaben:
W. Daniel Wilson: Goethe und die Juden. Zwischen Feindschaft und
Faszination, C.H. Beck, 351 Seiten, 29,90 Euro
Frauke Rostalski: Die vulnerable Gesellschaft. Die neue Verletzlichkeit
als Herausforderung für die Freiheit, C.H. Beck, 189 Seiten, 16 Euro
Alberto Grandi: Mythos Nationalgericht. Die erfundenen Traditionen der
italienischen Küche, aus dem Italienischen von Andrea Kunstmann, Harper
Collins, 256 Seiten, 22 Euro
Milan Kundera: Der entführte Westen. Die Tragödie Mitteleuropas, aus dem
Französischen von Uli Aumüller, Kampa, 96 S., 20 Euro
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In dieser Folge sprechen wir über das aufsehenerregende Buch „Knife“ von
Salman Rushdie. Im August 2022 hat der weltberühmte Schriftsteller einen
Anschlag nur knapp überlebt und jetzt ein großes Buch über den
körperlichen Schmerz und die Liebe zu seiner Frau, seiner Familie und
seinen Freunden veröffentlicht. Er versucht zu erklären, weshalb
religiöse Fanatiker es auf ihn abgesehen haben und was es bedeutet, im
Leben eine zweite Chance zu erhalten.
Wir diskutieren über einen besonders düsteren und hochkarätigen Autor
Amerikas, über George Saunders. In seinem Erzählungsband „Tag der
Befreiung“ werden Menschen versklavt und programmiert, sie haben nicht
den Mut sich gegen eine Diktatur zu erheben, sie schlagen sich
gegenseitig halbtot. Freiheit gibt es keine mehr, oder ist das Schreiben
vielleicht der letzte Akt von Unabhängigkeit? Und überhaupt: Was ist so
faszinierend an diesen Erzählungen, die so bedrückende Botschaften
transportieren?
Die Dänin Madame Nielsen erzählt in ihrem Buch „Mein Leben unter den
Großen“ herrlich unterhaltsam, wie sie zuerst zum Schriftsteller, und
dann zur Schriftstellerin wurde. Sie wurde auch deshalb zur großen
Autorin, weil sie andere Schriftstellerinnen und Schriftsteller traf,
die ihr mal großherzig, mal arrogant entgegentraten. Ein Sittengemälde
des Literaturbetriebs.
Unser Klassiker ist ein wenig bekanntes Meisterwerk von Anna Seghers,
die Erzählung „Der Ausflug der toten Mädchen“: Wie konnten aus harmlosen
Schulkameradinnen nur glühende Nationalsozialistinnen werden?
Sie erreichen das Team von "Was liest du gerade?" unter: buecher@zeit.de
Literaturangaben:
Salman Rushdie: Knife, Penguin, 256 Seiten, 25 Euro
George Saunders: Tag der Befreiung, Luchterhand, 320 Seiten, 25 Euro
Madame Nielsen: Mein Leben unter den Großen, Kiepenheuer & Witsch, 224
Seiten, 24 Euro
Anna Seghers: Der Ausflug der toten Mädchen. Erzählungen, Aufbau
Taschenbuch, 151 Seiten, 11 Euro
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Ein Politikerleben voll shakespearehafter Dramen steht auf Platz eins
der "Spiegel"-Bestsellerliste: Wolfgang Schäuble war ein Nachkriegskind,
verhandelte 1989 die deutsche Wiedervereinigung, überlebte ein Attentat
und war fortan der erste Spitzenpolitiker im Rollstuhl. In dieser Folge
von "Was liest du gerade?" sprechen Maja Beckers und Alexander Cammann
über Schäubles kurz vor seinem Tod fertiggestellte Autobiografie
"Erinnerungen" und über die Frage: Wozu eigentlich Politikermemoiren?
Können sie überhaupt richtig gut sein?
Außerdem geht es um Bernd Brunners Buch "Unterwegs ins Morgenland", eine
faszinierende Sammlung mit Geschichten von Pilgern, Wissenschaftlern und
Abenteurern, die sich seit dem Mittelalter aufmachten ins Heilige Land,
ins historische Palästina. Wie stellte man sich in Europa, aber nicht
nur dort, das Heilige Land vor und wie war es wirklich? Was ist das für
ein Märchenlandgefühl, das die Reisenden hier befiel, und wie wichtig
war die Idee des Heiligen Landes für Christen, Juden und Muslime?
Der Klassiker diesmal: Mit "Über Frauen" ist gerade eine verblüffende
Essaysammlung von Susan Sontag über diverse Aspekte des Frauseins
erschienen. Erstmals erschienen in den 1970er-Jahren, geht es um
Schönheit, um weibliches Altern, um die falsche Verehrung für Leni
Riefenstahl – in jedem Fall fruchtbar für aktuelle Debatten von
Karrierefeminismus bis Schönheits-OPs und Ageism.
"Der erste Satz" stammt diesmal aus dem Buch "Zugemüllt" des Philosophen
Oliver Schlaudt. Er ist zu den dreckigsten Orten Deutschlands gereist –
vom Chemiewerk bis zum Abwasserkanal – und hat dort das seltsam paradoxe
Verhältnis beobachtet, das unsere Gegenwart zur Sauberkeit hat.
Sie erreichen das Team von "Was liest du gerade?" unter buecher@zeit.de.
Literaturangaben:
Oliver Schlaudt: Zugemüllt. Eine müllphilosophische Deutschlandreise, C.
H. Beck, 364 Seiten, 22 Euro
Wolfgang Schäuble: Erinnerungen. Mein Leben in der Politik, Klett-Cotta,
656 Seiten, 38 Euro
Bernd Brunner: Unterwegs ins Morgenland. Was Pilger, Reisende und
Abenteurer erwarteten und was sie fanden, Kiepenheuer & Witsch, 320
Seiten, 28 Euro
Susan Sontag: Über Frauen. Übersetzt aus dem Englischen von Kathrin
Razum, Hanser, 208 Seiten, 23 Euro
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Dieses Mal geht es um einen tollen neuen Trend: Klassiker der
Weltliteratur werden noch einmal neu geschrieben, aber jetzt viel
moderner und zeitgemäßer. Wir sprechen über Percival Everetts Remake
von Mark Twains Huckleberry Finn. In der neuen Fassung des Romans ist es
der Sklave James, der die alte Geschichte von Rassismus und brutaler
Unterdrückung aus seiner Sicht erzählt. Bei Everett ist der Sklave kein
dummer, pseudokindlich sprechender Schwarzer mehr wie bei Twain, sondern
ein gebildeter Schwarzer, der die Weißen schlau an der Nase herumführt,
indem er den Dummen nur spielt.
Außerdem tauchen wir in dem Debüt der Österreicherin Julia Jost, Wo der
spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht, noch einmal
ein in das schöne Kärnten in seiner alten Pracht und Scheußlichkeit,
samt unverbesserlichen Alt-Nazis, neurechten Populisten, schlagenden
Vätern und missbrauchten Messdienern.
Unser Zitat der Woche stammt aus Inga Machels Debütroman Auf den
Gleisen, einem berührenden Erinnerungsbuch über einen jungen Mann, der
seinen an Depressionen leidenden Vater verloren hat.
Unser Klassiker ist die Neuübersetzung von Julien Greens Roman Treibgut,
einem vor über neunzig Jahren zum ersten Mal erschienenen Paris-Roman,
der unnachahmlich die Abgründe unerfüllter Liebe auslotet.
Sie erreichen das Team von Was liest du gerade? unter: buecher@zeit.de.
Literaturangaben:
Percival Everetts: James, Hanser, 336 Seiten, 26 Euro
Jette Jost: Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf
fletscht, Suhrkamp, 231 Seiten, 24 Euro
Inga Machels: Auf den Gleisen, Rowohlt, 160 Seiten, 22 Euro
Julien Green: Treibgut, Hanser, 400 Seiten, 28 Euro
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Eine Jüdin heiratet einen Top-Faschisten und Mussolini ist Trauzeuge?
Klingt wie ein Roman und ist doch wahr. Die amerikanische Historikerin
Victoria de Grazia erzählt in "Der perfekte Faschist" die Geschichte
eines italienisch-jüdisch-amerikanischen Glamourpaares in Mailand und
Rom der 1920er-Jahre. Wer verstehen will, wie der Faschismus die
italienische Gesellschaft bis in die bürgerlichen Kreise erobert hat,
wie Italien in den Krisen und Kriegen Anfang des 20. Jahrhunderts
tickte, der lese diesen brillanten Pageturner. Der Soziologe Jens
Beckert will erklären, warum es mit dem Stopp des Klimawandels nicht so
einfach klappt. "Verkaufte Zukunft. Warum der Kampf gegen den
Klimawandel zu scheitern droht" ist eine Bestandsaufnahme der heißen
gesellschaftlichen Debatten momentan – aber erfahren wir auch etwas
Neues darin?
In der Rubrik „Der erste Satz“ gackern wir mit einem unterschätzten
Tier, es ist ja bald Ostern: Sally Coulthard präsentiert in "Am Anfang
war das Huhn" unterhaltsam alles, was wir über diese Vögel, die Eier und
alles andere zwischen Kultur, Natur, Mythologie und Biologie heute
wissen – das Huhn ist wirklich ein rasend interessantes Tier!
Und unser Klassiker kommt diesmal aus Amerika: Der berühmte
Schriftsteller Mark Twain lebte 1891/92 für ein paar Monate in Berlin –
und was er da als Reisender Lustiges und Befremdliches erlebt hat, nicht
zuletzt auf dem wie heute heftig umkämpften Wohnungsmarkt, das hat er in
fünf sehr komischen, hochaktuellen Reisereportagen den Amerikanern
damals berichtet. Frohe Ostern, gutes Hören und Lesen!
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Literaturangaben:
Sally Coulthard: "Am Anfang war das Huhn", übersetzt von Andrea
Kunzmann, Harper Collins, 304 S., 24 Euro
Jens Beckert: "Verkaufte Zukunft. Warum der Kampf gegen den Klimawandel
zu scheitern droht", Suhrkamp, 238 S., 28 Euro
Victoria de Gracia: "Der perfekte Faschist", Wagenbach, 512 S., 38 Euro
Mark Twain: "Wie man in Berlin eine Wohnung mietet", Bebra Verlag, 80
S., 10 Euro
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In der neuen Folge von „Was liest du gerade“ sprechen Iris Radisch und
Adam Soboczynski über ein echtes Weltereignis: Der große Gabriel García
Márquez ist zwar bald zehn Jahre tot, aber er hat einen fertigen Roman
nachgelassen: „Wir sehen uns im August“, der jetzt zeitgleich in vielen
Sprachen erscheint. Es geht, wie immer beim legendären „Gabo“ um Sex, um
Treue, um Träume von einem anderen, wilderen Leben. Immer am 16. August
fährt Ana Magdalena Bach auf eine kleine Karibikinsel, um Gladiolen auf
das Grab ihrer Mutter zu legen. Danach vergnügt sie sich im Hotel Jahr
um Jahr und Kapitel für Kapitel reichlich deftig mit allen möglichen
Herren. Ansonsten ist sie eine brave Ehefrau. „Garbo“ wollte den Roman
nicht mehr veröffentlichen, hielt ihn für schlecht. Seine Söhne sahen
das anders. Die Meinungen gehen auseinander: Ist das letzte Buch des
Weltstars nun eine peinlich machohafte Altherrenfantasie? Oder ein
herrlich melancholisches Porträt der sexuellen Sehnsüchte älterer
Frauen?
Außerdem geht es um den vermutlich interessantesten Roman dieser Saison:
Timon Karl Kaleytas „Heilung“, ein mit allen Wassern der Ironie, der
Gegenwartskritik und der literarischen Parodie gewaschener Roman eines
jungen Autors, der das Zeug hat zum deutschsprachigen Michel Houellebecq
zu werden.
Der Klassiker ist diesmal Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“, ein
erstaunlich schwüler Versuch das Freudsche Unbewusste zum ersten Mal für
die Literatur zu entdecken.
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Literaturangaben:
Gabriel García Márquez: Wir sehen uns im August, übers. von Dagmar
Ploetz, Kiepenheuer & Witsch, 144 Seiten, 23 Euro
Timon Karl Kaleyta: Heilung, Piper, 208 Seiten, 22 Euro
Iris Wolff: Lichtungen, Klett-Cotta, 256 Seiten, 24 Euro
Arthur Schnitzler: Traumnovelle, Reclam, 125 Seiten, 3,60 Euro
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Von wegen Speer und Mammutjagd: Die schwedische
Wissenschaftsjournalistin Karin Bojs hat ein Buch über Frauen in der
Frühgeschichte geschrieben. Und es ging damals weiblicher zu, als wir
heute denken. Mit Netzen gingen Frauen auf die Jagd, und vielleicht
betete man sogar zu einer Göttin. Frauen waren auch damals oft die
stärkere Hälfte, ebenso wie ihre vergessenen Erforscherinnen – wie das
unterhaltsame Buch "Mütter Europas" zeigt. Ein dramatisches Kapitel der
deutschen Geschichte präsentiert in seinem spannenden Buch "Marseille
1940" der Journalist Uwe Wittstock: Nachdem die deutsche Wehrmacht im
Zweiten Weltkrieg Frankreich besiegt hatte, mussten zahlreiche
Emigranten in Frankreich plötzlich fliehen, darunter etwa Heinrich Mann,
Hannah Arendt, Lion Feuchtwanger. Sie versuchten, unter
lebensbedrohlichen Umständen nach Amerika zu kommen. Der Autor erzählt
von ergreifenden Schicksalen und von der Geheimmission des
amerikanischen Journalisten Varian Fry, der für die Flüchtlinge in
Marseille Pässe und Auswege organisierte.
In der Rubrik "Der erste Satz" geht es diesmal um ein verrücktes,
schreckliches Phänomen: die frei zugänglichen Schusswaffen in Amerika –
und ihre alltäglichen Opfer. Der Schriftsteller Paul Auster hat über
diesen Wahnsinn einen ergreifenden, die Hintergründe erklärenden Essay
geschrieben, ergänzt um Fotos zahlreicher Tatorte.
Der aktuelle Klassiker hat hingegen Verständnis für eines der ältesten
Laster der Welt: Das Buch "Betrunkenes Betragen" hat schon 1968 gezeigt,
dass es beim Alkohol in vielen Kulturen nur auf das Vorbild ankommt –
wenn alles richtig läuft, dann klappt der wilde Rausch auch ohne
schlimme Enthemmung.
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Literaturangaben:
Paul Auster: Bloodbath Nation, Rowohlt, 192 S., 26 Euro
Karin Bojs: Mütter Europas, C.H. Beck, 252 S., 26 Euro
Uwe Wittstock: Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur, 351 S.,
26 Euro
Craig MacAndrew / Robert B. Edgerton: Betrunkenes Betragen, Galiani, 304
S., 24 Euro
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