#123 Fearless Inclusion — Interview mit Raúl Krauthausen — Sozialhelden über Inklusion und Diversität, Teilhabe aller —
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Im Interview mit Raul Krauthausen von den Sozialhelden reden wir darüber, wie die ersten Schritte hin zu einer inklusiveren Gesellschaft, Mobilität und Arbeitswelt aussehen könnten. Zudem geht es um die spannende Frage, ob wir erst die Barrieren in den Köpfen der Menschen senken müssen, oder zu allererst die real existierenden Barrieren brechen müssen, um uns erst danach um die Barrieren in den Köpfen zu kümmern - falls es diese dann noch gibt. Aber wir sprechen auch – und hier muss ich meine eigene Ignoranz gestehen – über die absolute Schieflage bei den angeblich so sozialen Einrichtungen, den Behinderungswerkstätten.
Es geht nicht um Aufklärung, es geht nicht um Ausbildung, es geht um Begegnung
Eigentlich müsste statistisch jede:r eine Person mit Behinderung in seinem Umfeld haben und kennen. Denn jeder zehnte in Deutschland lebende Mensch hat eine Schwerbehinderung. Eigentlich … Für viele Menschen, bei denen das trotzdem nicht der Fall ist – und ich schließe mich da ein — stellen sich in den seltenen Momenten dann viele Fragen des potenziell „Richtigmachen“ ein. Was tue ich, wie gehe ich damit um, was biete ich an und was spreche ich an? Gleichermaßen müssen Menschen mit Behinderung das Recht haben, auch mal nicht über ihre Behinderung zu sprechen, wie Heiko Kunert, Geschäftsführer, blind (GF von „blind“ oder ist er blind?) sagt.
„Die Ängste, diese Beklommenheit, diese Unsicherheiten, die sind entstanden, weil wir einander im Laufe unserer Leben, in der Kindheit, im Kindergarten, in der Schule, einfach nicht begegnet sind. Das sind Orte, an denen wir eigentlich in unserem Leben am meisten lernen. Und das sind Orte, wo auch Vielfalt eigentlich egal sein sollte“, sagt Raul Krauthausen im Podcast-Interview. Den Jungs ist es egal, dass es Mädchen gibt und umgekehrt. Natürlich gibt es trotzdem Mobbing. Aber Mobbing kann irgendwie jeden treffen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Kinder mit Behinderung unter anderen Kindern auch egal sind. Die einzigen, die immer die Probleme haben, sind die Erwachsenen. Das kommt daher, dass sie selber den Umgang nicht gelernt haben. So bleibt dann letztendlich dieser Ausschluss erhalten, weil viele Leute Angst haben, ihre eigene Komfortzone zu verlassen. Dann werden Ausreden gesucht, so was wie: ‚Ich bin dafür nicht ausgebildet‘ oder ‚Jemand könnte gemobbt werden‘ oder ‚Es könnte ja was passieren.‘ Da wird gemutmaßt, was oft gar nicht der Realität entspricht. Wenn jemand sagt: ‚Ich bin für das Thema Behinderung nicht ausgebildet‘, dann ist es auch anmaßend, weil davon ausgegangen wird, dass jemand mit Behinderungen besondere Betreuung braucht.Automatisch immer. Dahinter steckt das Bild, dass hinter jedem Behinderten eine Krankenschwester herrennen muss. Aber genau diese ’Ich-bin-nicht-ausgebildet-Erzählung‘ führt zur Selektion. Die führt dazu, dass behinderte Menschen nur an die Orte kommen, wo jemand ausgebildet wurde. Welche Ausbildung das überhaupt war, kann auch keiner genau sagen. Außerdem wurden Eltern von behinderten Kindern vorher auch nicht ausgebildet. Warum glauben wir immer, wir müssen vorher alles wissen? Können wir es nicht in der Begegnung lernen? Das heißt, früher oder später geht es immer um die Begegnung. Es geht nicht um Aufklärung, es geht nicht um Ausbildung, es geht um Begegnung und in der Begegnung werden wir erfahren, welche besondere Unterstützung jemand vielleicht braucht oder nicht.”
„Leider bin ich immer noch viel zu oft der erste Behinderte, auf den jemand trifft. Dieser Erklärbär oder die intellektuelle Putzkraft zu sein, die die ganze Zeit die emotionale Arbeit leistet, ist anstrengend. Ich glaube, da können wir ganz viel lernen von der Black Lives Matter-Bewegung. Hier wird eben gesagt: ‚Sorry, Leute, aber bevor ihr uns ständig ausfragt, lest erst mal selbst.‘ Es ist tausendfach gesagt worden, tausendfach ins Internet geschrieben worden. Wie gehe ich mit Menschen mit Behinderung um? Ich werde dir das jetzt nicht mehr erklären. Das kannst du nachlesen.”
Denken wir bei New Work wirklich an alle Menschen?
Sind wir wirklich bereit für eine inklusive Welt? Oder machen wir uns die Welt einfach nur ein bisschen schöner, damit wir mit einem reineren Gewissen im New Work Bälleparadies besser unsere Privilegien ausleben können?
„Ich würde auf die Frage Ja und Nein antworten. Ja, wir sind bereit dafür, gar keine Frage. Es handelt sich bei Inklusion um Teilhabe von Menschen so ganz allgemein und dafür sollte eine Gesellschaft bereit sein können - immer und jederzeit“, sagt Raul Krauthausen, Aktivist für Diversität und Inklusion im Fearless Culture Podcast. „Die Frage ist, ob die Leute, die momentan die Macht haben, oder die Regeln bestimmen, ob die bereit sind, ihre eigenen Komfortzonen zu verlassen. Wenn wir uns diese ganzen Dinge anhören wie New Work und Selfcare-Themen, habe ich schonmal das Gefühl, dass das eigentlich so Wischiwaschi Luxus-Aspekte und Themen sind, die vor allem die privilegierten Menschen betreffen. Ich weiß nicht, ob eine Person, die bei Lidl an der Kasse arbeitet , da klatschen würde, wenn wir von New Work oder von Resilienz sprechen, von der Einführung einer Vier-Tage-Woche oder von Plänen, ins nächste Retreat zu gehen. Das ist von bestimmten Lebensrealitäten einfach sehr fern.“
– Links –
Raúl Krauthausen
Die Website von Raul
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Mehr zum Thema Arbeit in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) und die fatale Schieflage findet ihr auf der Website Job Inklusive.de



