Der gute Duft - Die Geschichte des Parfüms - radioWissen
Description
Ein Duft sagt mehr als 1000 Worte. Schon immer schätzten die Menschen den Wohlgeruch. Doch welcher Duft wurde wann und wozu angewendet? Wie entstand das erste moderne Parfum? Die Geschichte des Parfums gibt spannende Einblicke in Vorlieben, Trends und Ansichten der Vergangenheit. Von Silke Wolfrum
Credits
Autorin dieser Folge: Silke Wolfrum
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Christian Baumann, Hemma Michel
Technik: Josef Angloher
Redaktion: Bernhard Kastner
Im Interview:
Justine Diemke, wiss. Mitarbeiterin für Alte Geschichte an der Universität Hamburg (promoviert gerade);
Johann Maria Farina, Nachkomme des Erfinders des Eau de Cologne, geschäftsführender Gesellschafter der ältesten noch Inhaber geführten Parfümfabrik der Welt (mit Museum)
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Literaturtipps:
Collectif Nez & Jeann Doré: „Parfum: Alles über die Welt der Düfte“ – umfangreiche illustrierte Informationen
Andrea Dalmus: „Eau de Cologne. Farina 1709“ – anschaulicher Überblick über die 300jährige Geschichte des Eau de Cologne aus dem Hause Johann Maria Farina
Joachim Mensing: „Schöner Riechen. Die magische Wirkung von Parfums auf das Wohlbefinden“ – ausführliche und detailreiche Informationen rund um Geruch, Geruchsforschung und Parfum
Andrea Hurton: „Erotik des Parfums. Geschichte und Praxis der schönen Düfte“ – Überblick über die Geschichte des Parfums mit zahlreichen Anekdoten
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
SPRECHER: (immer verführerisch gesprochen wie in Werbung)
Das Kyphi! Lieblingsparfum der Alten Ägypter: Zyperngras, Kalmus, Wacholderbeeren, Pistazie, Kamelgras, Honig, Myrrhe, Rosinen und Wein …
SPRECHERIN:
Wohlgeruch hat etwas Magisches an sich. Er hebt die Laune, weckt Erinnerungen und Sehnsüchte, verschönert und verzaubert. Kein Wunder, dass er in vielen Kulturen als Attribut der Götter gilt. Aphrodite trägt den „himmlischen Wohlgeruch rosenduftender Salben“ und selbst der Schweiß Mohammeds soll besser duften als Ambra und Moschus. Schon die Steinzeitmenschen sollen Harze und Hölzer verbrannt haben, um den Göttern zu huldigen. Vermutlich verschönerten sie sich aber auch ihr Alltagsleben mit Wohlgeruch. In Südafrika fand man 77.000 Jahre alte Betten, die aus den duftenden Blättern der Kap-Quitte hergestellt wurden.
Musik: Dithyrambos 0‘17
Zur ersten großen Meisterschaft in der gezielten Herstellung des Wohlgeruchs brachten es die Alten Ägypter. Das Räucherwerk galt dort als heilig und oblag den Priestern. Mumien wurden mit einer ganzen Palette von Duftstoffen präpariert und für die Lebenden stellte man unterschiedlichste parfümierte Salben her, die auch therapeutischen Zwecken dienten. Trägersubstanzen waren Pflanzenöle und tierische Fette.
MUSIK: The villa of mysteries 0‘17
SPRECHER: (immer verführerisch gesprochen wie in Werbung)
Das Lieblingsparfum der Antike: Rosenöl: ein Duft aus Rosenblättern, Zitronengras, Kalmus, Honig und Olivenöl.
SPRECHERIN:
Die Griechen und Römer machten es den Ägyptern nach. Den anstrengenden Herstellungsprozess übernahmen Sklaven, die Rezepte stammten von Medizinern und Naturphilosophen. Parfümherstellung, Medizin und Pharmazie lagen Jahrhunderte lang nah beieinander. Parfums sollten in der Antike – und eigentlich sogar bis ins 19. Jahrhundert - auch viel mehr leisten als „nur“ gut zu riechen. Justine Diemke von der Universität Hamburg hat im Rahmen eines Lehrprojekts selbst antike Düfte hergestellt.
01 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Justine Diemke
Diese Duftöle wurden nicht nur, wie wir es heute kennen, dann auf die Haut aufgetragen, sondern auch in Salben gemischt oder als Pharmakon, also als Heilmittel, gegen verschiedene Krankheiten eingenommen. Eine heilende Wirkung wird zum Beispiel dem Rosen-Parfüm auch zugeschrieben, das von Ärzten gegen Kopfschmerzen oder auch Reizungen der Eingeweide verordnet wurde. Besonders beliebt waren Duftstoffe zum Beispiel auch bei Frauenkrankheiten, also hier vor allem gegen Menstruations-Beschwerden und da schlechte Gerüche in der Antike auch als ansteckend galten, wurden diese Duftöle auch häufig eingesetzt, um einfach den Gestank zu überdecken.
Musik: Pandura 0‘38
SPRECHERIN:
Tatsächlich muss es im Alten Rom grauenvoll gestunken haben, Urin entleerte man einfach auf die Straße, in den Mietskasernen wohnte man eng beieinander, die Thermen konnten nur die Reichen besuchen, wie auch gut riechende Parfums eine Sache der Oberschicht blieben. Cäsar soll übrigens nach dem so genannten Cyprinum geduftet haben, einer Kreation aus Henna, Olivenöl, Kalmus, Rotbusch, Gewürzen, Wein und Zimt. Parfümiert wurde aber nicht nur der Körper.
02 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Justine Diemke
Darüber hinaus wurde auch im privaten Raum alles Mögliche besprüht, also zum Beispiel Gegenstände wie Textilien, auch die Haustiere wurden parfümiert, Gardinen, Kissen und auch der städtische Raum, also wir waren ja gerade bei dem Thema Gestank in der Urbs, so in Rom, auch aufgrund der Latrinen. Da ist es so, dass auch einzelne Baustrukturen wie Theateranlagen oder Thermen, also Badeanlagen, parfümiert wurden, um dem Besucher den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten.
SPRECHERIN:
Nicht immer wurde der Einsatz von Duftstoffen positiv gesehen. Als Kaiser Nero bei der Bestattung seiner zweiten Gattin Poppaea eine ganze Jahresernte Weihrauch verbrennen ließ, stieß das nicht überall auf Beifall. Manche Philosophen standen dem Luxus-Produkt Parfum generell recht kritisch gegenüber – rochen aber selbst nicht gut, wie Diogenes in seiner Tonne.
In Maßen eingesetzt gehörte der feine Duft allerdings durchaus zum guten Ton der Oberschicht. Im Theater versprühte man in den besten Reihen ein Safran-haltiges Parfum, das auf den weißen Togen der Senatoren rötliche Flecken hinterließ.
03 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Justine Diemke
Damit haben sich die Senatoren zum Beispiel profilieren können, indem sie gezeigt haben: Hier wir haben quasi das Prestige, die Möglichkeit überhaupt hier zu sitzen, und das haben sie quasi an diesen Farben dann zum Ausdruck gegeben, also an der Färbung ihrer eigenen Toga.
Musik: Orpheus 0‘22
SPRECHERIN:
Auch Hetären, die Prostituierten der Antike, benutzten Parfum, auch wenn es manchmal nutzlos war. Die Verbindung von Frauen, Erotik und verführerischem Wohlgeruch war immer eng – genauso wie heute:
04 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Justine Diemke
Also das sehen wir vor allem auf Vasen-Darstellungen, aber auch auf der Wandmalerei, dass die Frauen die verschiedenen süßen, lieblichen Düfte nutzen, um den Mann zu verführen. Das haben wir auch heute noch in der Werbung, also bei Chanel oder Dior zum Beispiel funktioniert das ähnlich, dass die Frau dann also sehr sexualisiert dargestellt wird, das sehen wir dann auch in antiken Darstellungen, um den Mann mit dem betörenden Duft zu entführen.
MUSIK: Ballade für Laute 1 0‘13
SPRECHER: (immer verführerisch gesprochen wie in Werbung)
Das Ungarische Wasser: Rosenwasser mit Rosmarin auf Alkoholbasis – lässt Frauen ewig jung aussehen …
SPRECHERIN:
Mit dem Christentum war es vorbei mit dem Verwenden von Parfums für so gottlose Zwecke wie Erotik. Der gute Duft hatte jetzt vorrangig zeremoniellen Zwecken zu dienen, wie etwa der Weihrauch in der Kirche. Nichtsdestotrotz studierten Mediziner wie Alchimisten das Wissen der Antike und entwickelten es weiter. Auch wenn die Alten Ägypter schon alkoholische Parfums hergestellt haben sollen, erst im Mittelalter fand die Kombination aus Alkohol, als Trägersubstanz, und ätherischen Ölen breite Anwendung. Alkohol verdampft viel schneller als Öl, verteilt also den Geruch schneller und feiner. Im 15. Jahrhundert erschien das erste europäische Handbuch der Destillation in Straßburg. Doch das Zentrum der Parfümkunst lag lange Zeit in Italien. Mit der Heirat Katharina von Medicis mit dem Bourbonen Heinrich II 1547 verlagerten sich die Machtverhältnisse aber allmählich nach Frankreich. Spätestens im 17. Jahrhundert ist der französische Hof tonangebend.
MUSIK: Entree pour quatre Medicins 0‘58
Hier wird parfümiert, was nur geht. Denn: Es stinkt überall. Im Louvre, in den Tuilerien wie in der Oper. Zeitgenossen nannten Paris ein „Amphitheater der Latrinen“ und auch in Versailles ist die Kloake gleich neben dem Palast. Die Füße Ludwig XIV sollen übrigens grauenerregend nach Schwe