DiscoverScience on Player FMDie Dolchstoßlegende - radioWissen
Die Dolchstoßlegende - radioWissen

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Update: 2024-11-08
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Ein Dolchstoß von hinten? Verrat an den kämpfenden Soldaten? Am Ende des Ersten Weltkrieges verschleierte die kaiserliche Militärführung ihr Scheitern. Rechte Verschwörungslegenden machten stattdessen die demokratischen Politiker der Weimarer Republik für die Kriegsniederlage verantwortlich. Und zur Zielscheibe rechter Gewalt. Von Renate Eichmeier


Credits
Autorin dieser Folge: Renate Eichmeier
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Katja Amberger, Christian Baumann
Technik: Daniela Röder
Redaktion: Thomas Morawetz


Im Interview:
Prof. Dr. Martina Steber, Professorin für Neueste Geschichte an der Universität Augsburg und Stellvertretende Direktorin des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin

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Literatur:


Boris Barth: Dolchstoßlegenden und politische Desintegration. Das Trauma der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg 1914 – 1933, ein dickes Standardwerk, mit vielen Details, Auswertung zahlreicher Quellen, gut geeignet um verschiedene Themenbereich nachzulesen




Gerhard P. Groß: Das Ende des Ersten Weltkrieges und die Dolchstoßlegende – für militärisch Interessierte, Details zur militärischen Situation am Kriegsende und vieles über Ludendorff und Hindenburg.


Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Radiowissen
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.


Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:


Atmo: Schüsse


ERZÄHLERIN:


26. August 1921. Gegen 11 Uhr vormittags. In der Nähe von Bad Griesbach hallen Schüsse durch den Schwarzwald. Sie gelten einem Mann, der mit einem Parteikollegen einen Spaziergang in seiner schwäbischen Heimat macht: Matthias Erzberger, Mitte 40, Gehrock, dunkle Hose, schwarzer Hut, Politiker des katholischen Zentrums, bis vor wenigen Monaten Finanzminister der Weimarer Republik. Matthias Erzberger wird von den Schüssen schwer verletzt, versucht zu fliehen, stürzt an einem Abhang, am Boden liegend treffen ihn weitere Kugeln. Die beiden Attentäter kommen aus rechtsextremen Netzwerken. Vor seiner Ermordung wurde Matthias Erzberger wie andere führende Politiker der Weimarer Republik von rechtsnationalen Kreisen mit Hetzkampagnen gejagt. 


ERZÄHLER: 


Fort mit Erzberger! Vaterlandsverräter! Novemberverbrecher! Verrat an den kämpfenden Soldaten! Ein Dolchstoß von hinten! 


ERZÄHLERIN:


Am Ende des Ersten Weltkrieges hatte die Militärführung des Deutschen Kaiserreiches ihr Scheitern verschleiert und damit den Boden für rechte Verschwörungslegenden bereitet. Diese machten die demokratischen Politiker der Weimarer Republik für die Kriegsniederlage verantwortlich. Und zur Zielscheibe rechter Gewalt.


O1 STEBER


In rechten Kreisen, in rechtsextremen Kreisen wird dieser Begriff des Dolchstoßes beständig überall aufgegriffen und wird zu einer Propaganda-Formel, zu einer Hetz-Formel, die Gewalt legitimiert, nämlich 'ne Gewalt, die sich dann in Morden an diesen führenden Vertretern der Novemberrevolution dann auch breit macht. 


ERZÄHLER: 


So die Historikerin Martina Steber, Professorin für Neueste Geschichte an der Universität Augsburg und Stellvertretende Direktorin des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin. 


O2 STEBER


Man kann sagen, dass das die Funktion hat, die historische Realität tatsächlich zu verschleiern.


ERZÄHLERIN:


Die historische Realität? Um sie zu verstehen, muss man zurückgehen zum Beginn des Ersten Weltkrieges. 


Musik:  Huldigungsmarsch 0‘30


Atmo: Jubel, marschieren


Im August 1914 herrschte nationale Euphorie. Regimenter marschierten unter dem Jubel der Bevölkerung durch die Straßen. Im Reichstag stimmten alle Parteien inklusive der SPD für die Kredite, die zur Finanzierung des Krieges notwendig waren. Ein Ausflug nach Paris sollte es werden, ein kurzer, schneller Eroberungskrieg im Westen – gekrönt mit Annexionen. 


Musik: War is coming 0‘50


Atmo: Kampf Krieg


Doch der deutsche Vormarsch im Westen stockte innerhalb kurzer Zeit. Die Front fraß sich ein. Ein zäher, brutaler Stellungskrieg mit unzähligen Toten folgte. Eine Seeblockade der Engländer schnitt die deutschen Nordseehäfen vom internationalen Handel ab. Es kam zu Lebensmittelknappheit und Mangel an kriegswichtigen Gütern. Zu Hause an der sogenannten Heimatfront verflog die nationale Hochstimmung. Die Menschen litten unter mangelnder Versorgung. Es kam zu ersten Krawallen und Streiks auf lokaler Ebene, die sich zunehmend ausweiteten und politisierten. Eine neue Oberste Heeresleitung unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff sollte ab Sommer 1916 für den entscheidenden militärischen Durchbruch sorgen. Doch der ließ auf sich warten. Die öffentlichen Diskussionen über die Beendigung des Krieges nahmen Fahrt auf. 


ERZÄHLER:


Sollte man verhandeln? Sollte man weiterkämpfen? Siegfrieden? Oder Verhandlungsfrieden? 


ERZÄHLERIN: 


Die Gesellschaft spaltete sich, so die Historikerin Martina Steber, in zwei Lager. 


O3 STEBER


Und da hat man auf der einen Seite ein rechtes Lager, das ganz deutlich auf einen Siegfrieden zielt, der gleichzeitig mit großen territorialen Annexionen rechnet, also eine Expansionspolitik, die sich ja in den Kriegszielen des Kaiserreichs im Ersten Weltkrieg auch zeigt und die das leitet und die dann gleichzeitig einen Verhandlungsfrieden ausschließt. Also es gibt nur einen Sieg, einen militärischen Sieg unter Einschluss eben von territorialen Gewinnen. Das ist das einzige Ziel, was akzeptabel ist. 


 ERZÄHLER:


Auf der anderen Seite, so Martina Steber, stehen diejenigen, die diesen propagierten Siegfrieden für unrealistisch halten.


O4 STEBER 


Es sind die Gruppen, die Vertreter eben von Sozialdemokratie, von Linksliberalen und aus dem Zentrum vom politischen Katholizismus, die auf einen Verhandlungsfrieden unter Wegfall aller annexionistischer Ziele drängen – 


ERZÄHLERIN:


darunter als führende Stimme: Matthias Erzberger – 


O5 STEBER 


Die werden als Verräter bezeichnet und zwar aus diesem rechten nationalistischen Lager. Das heißt, dieser Gedanke eines Verrats durch die Heimatfront, der ist

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