Ingrid Brodnig: Das mit den Fakten kommt nicht "durch", was tun in Zeiten der verrohten Debatten?
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Die Arbeit von Ingrid verfolge ich schon lange, auch, weil sie immer wieder damit hilft, einzusortieren, warum trotz allem Faktenwissens um die Klimakatastrophe die Transformation so stagniert – vor allem auch in der Mobilitätswende. Diese Betrachtung ist auch zentraler Teil meines neuen Buches „Raus aus der AUTOkratie – rein in die Mobilität von morgen!“. Schon gelesen? Wenn dir diese oder auch eine andere Folge gefällt, lass´ gern eine Bewertung da und/oder supporte mich per Ko-Fi oder PayPal. Meinen wöchentlichen Newsletter gibt es bei steady.
Wir diskutieren die Herausforderungen politischer Debatten, die Gefahren von Gruppenzugehörigkeitsgefühlen und die Bedeutung von Empathie und Selbstkritik. Was sind erfolgreiche Strategien für effektive Kommunikation, welche Rolle spielt der Journalismus bei der Polarisierung und der Notwendigkeit, das Vertrauen in staatliche Institutionen zu stärken.
Gruppenzugehörigkeitsgefühle und politische Debatten
Ingrid betont, wie schnell sich Menschen in Gruppen einordnen und wie dies zu Feindseligkeit führen kann, insbesondere wenn eine Bedrohung durch andere wahrgenommen wird. Für sie wird dadurch der gesellschaftliche Konsens verunmöglicht, der besonders bei Themen wie dem Klimawandel Basis sein sollte.
Identität und zwischenmenschliche Interaktionen
Das Gute an der Arbeit von Ingrid? Sie hat auch immer Lösungsansätze, wie scheinbar unüberbrückbare Differenzen überwunden werden können. So betonte sie die Wirksamkeit, im persönlichen Gespräch nach Gemeinsamkeiten zu suchen: Der Fußballverein, das Hobby, die Kinder. Verschiedene Facetten der Identität anzusprechen, kann festgefahrene Meinungen auflockern und negative Einstellungen verringern. Auch sei es wichtig, Selbstreflexion zu betreiben und das Zurücktreten zu üben, wenn man in starke Gefühle verwickelt wird. Denn gerade Wut ist ein Tool, dass die Status Bewahrer*innen gut für sich zu nutzen wissen.
Ingrid zeigt auf, wie wichtig es ist, immer auch Empathie und Achtsamkeit zu zeigen, um eine gemeinsame Basis zu finden und die andere Person zu erreichen. Denn genau DAS macht die „Gegenseite“ nicht. Laut Ingrid bewies eine Studie der Universität Stanford die Wirksamkeit von Empathie bei der Überzeugung von anderen Facetten von einer Debatte. Dabei sei es wichtig, sich nicht auf die eigene Position zu konzentrieren, sondern auch die Perspektive des Gegenübers zu berücksichtigen, um eine produktive und respektvolle Diskussion zu ermöglichen.
Ingrid beleuchtet dabei auch die Gefühle der Unsicherheit und des Verlusts, die entstehen, wenn von einer (falschen) festen Meinung abgerückt werden soll. Ich warf noch hinein, dass viele privilegiert sind, diese sich aber nicht so betrachten (wollen) – und das Debatten auch erschwert. Weil hier der Verlust systemisch natürlich vorhanden ist: Privilegien wieder in die Gemeinschaft geben, schmerzt – hilft aber allen (siehe Parkplatzrückgabe :))) – Ingrid hob auch hier die Tendenz hervor, dass Emotionen anstelle von Fakten in Diskussionen helfen, und verwies dabei auf die Debatte über Mobilität und Klimawandel. Sie erwähnte auch eine Studie des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, die vorhersagt, dass Deutschland aufgrund der aktuellen Treibhausgasproduktion einen Gehaltsverlust von 11% erleben könnte.
Strategien für effektive Kommunikation in Debatten.
Ingrid betonte die Wichtigkeit, Emotionen zu berücksichtigen und die Fakten noch vorne zu stellen, anstatt Falschinformationen zu wiederholen. Sie empfiehlt das „Sandwich-Prinzip“ und die Selbstvergewisserung vor Debatten. Ich habe mit Ingrid auch über meine steigende „Faktenmüdigkeit“ gesprochen. Es gibt einfach kein Erkenntnisproblem, dennoch erscheinen immer noch Bücher, die die Fakten betonen – emotional aber nicht bewegen. Und nur Emotionen bewegen, Fakten berühren Menschen nicht. Ingrid empfielt daher, Geschichten zu erzählen statt nur Fakten zu präsentieren.
Medienpopulismus und Hassrede: Eine Analyse des Rechtssystems
Als nächstes diskutierten wird die Rolle des Journalismus bei der Verstärkung von Polarisierung und populistischen Trends in den Medien. Ingrid erklärte das Konzept des „Medienpopulismus“, bei dem Medien in ihrer Berichterstattung ähnliche Rhetorik wie Populist*innen verwenden. Wir sprachen auch über die Herausforderungen des Rechtssystems bei der Bewältigung von Hassrede und meinen persönlichen Erfahrungen damit – seit Jahren. Der mangelnde Opferschutz und die Bagatellisierung von Hatespeech in der Gesellschaft droht, die Vielfalt der Stimmen zu begrenzen und gefährdet unsere Demokratie. Ingrid hob die Notwendigkeit hervor, das Vertrauen in staatliche Institutionen zu stärken und den Schutz vor Online-Hass zu verbessern. Für sie ist es unerlässlich, dass Betroffene Vorfälle immer und immer wieder veröffentlichen, damit Nichtbetroffene die Brisanz dieser Bedrohung begreifen.
Fazit: Was wäre notwendig:
- Entwicklung von Strategien zur Verringerung von Medienpopulismus und polarisierenden Debatten in der Berichterstattung.
- Aufklärungsarbeit über die Auswirkungen von Hassrede und Bedrohungen auf marginalisierte Stimmen in der Öffentlichkeit.
- Medien: Schulung im Umgang mit sensiblen Themen und Bedrohungssituationen von Interviewpartner*innen.
- Rechtssystem: Überprüfung und Anpassung der Gesetze zur effektiveren Verfolgung von Hassrede und Bedrohungen im digitalen Raum.
- Förderung von Empathie und konstruktivem Dialog in öffentlichen Debatten, insbesondere bei kontroversen Themen wie Klimawandel und Mobilitätswende.