Laurel und Hardy – Mehr als „dick“ und „doof“ - radioWissen
Description
Stan Laurel und Oliver Hardy haben als ikonisches Duo der Stumm- und Tonfilmzeit das Genre der Filmkomik revolutioniert, mit Slapstick und universell verständlichem Humor. In Deutschland wurden sie als "Dick und Doof" bekannt, als populäre Massenware belächelt und in ihrer Bedeutung vielfach verkannt. Von Florian Kummert
Credits
Autor dieser Folge: Florian Kummert
Regie:
Es sprach: Susanne Schroeder
Technik:
Redaktion: Karin Becker
Im Interview:
Sven Hanuschek, Literaturwissenschaftler und Autor „Laurel und Hardy – eine Revision“
Wolfgang Günther, Laurel & Hardy Museum, Solingen
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Literatur:
Sven Hanuschek: Laurel und Hardy – eine Revision (Zsolnay/Kino, 2010)
Gianluca Buttolo: Laurel und Hardy (Splitter, 2024)
Norbert Aping: Das kleine Dick und Doof-Buch (Schüren, Neuauflage 2022)
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
ERZÄHLERIN
Ein paar Takte dieser Musik genügen und sie transportiert uns in eine andere Welt. Die Welt eines Komiker-Duos, so gegensätzlich und doch untrennbar vereint. Der eine schlaksig und mit Strubbelhaaren, der andere korpulent und mit gestutztem Schnurrbart. Der eine trägt Fliege, der andere Krawatte, beide schwören auf ihre Hüte, Modell Melone. Stan und Ollie, mit vollem Namen: Stan Laurel und Oliver Hardy. In Deutschland auch bekannt als „Dick und Doof“.
Der Kuckuckstanz ist das musikalische Markenzeichen für die Stan und Ollie-Filme, die seit Generationen die Fans verzücken. So wie den Literaturwissenschaftler Sven Hanuschek, Jahrgang 1964.
OTON Sven Hanuschek 1
Meine Leidenschaft begann natürlich in der Kindheit. Es gab so eine evangelische Wochenendfreizeit, die immer Samstagnachmittag Kinofilme gezeigt haben, und da gab es Buster Keaton und Laurel und Hardy. Ich denke, dass einer der Laurel und Hardy Filme der erste Kinofilm ist, den ich überhaupt gesehen habe auf der großen Leinwand.
ERZÄHLERIN
Slapstick-Abenteuer mit Titeln wie „Die Wüstensöhne“, „Die Klotzköpfe“ oder „Alles in Schlagsahne!“. In vielen lösen sie eine Verehrung aus, die in der Kindheit beginnt und das ganze Leben hält. Im Fall von Sven Hanuschek geht sie so tief, dass er über das Komiker-Duo ein Buch geschrieben hat: „Laurel und Hardy - eine Revision“.
Denn in Deutschland sind die beiden nun mal vor allem als „Dick und Doof“ bekannt. So wurden und werden sie oft reduziert auf Brachial-Komiker, die Torten werfen und auf Bananenschalen ausrutschen. Für Hanuschek ist die Geschichte von Dick und Doof in Deutschland eine - wie er sagt - „Schändungsgeschichte“.
OTON Sven Hanuschek 2
Es sind ja zum Teil Langfilme, große Spielfilme und im deutschen Fernsehen wurden die eigentlich immer nur gekürzt gezeigt, irgendwelche lieblos zusammengestellten Schnipsel, manchmal auch etwas liebevoller zusammengestellt, also man sieht nicht den eigentlichen Film. Es gibt sogar Kombinationen von verschiedenen Filmen, die dann zusammengeschnitten wurden, irgendwie, wo die meinten, das passt doch gerade.
MUSIK Väter der Klamotte
„Guten Abend, liebe Gäste, wir erfreuen euch aufs Beste, mit Klamotten, Komödianten,… (dann abblenden)
ERZÄHLERIN
Sendungen wie „Väter der Klamotte“, „Es darf gelacht werden“ oder eben - ab 1970 freitags im ZDF-Vorabendprogramm - der Straßenfeger „Dick und Doof“.
(( OTON Sven Hanuschek 3
Das sind immer so 20-Minüter gewesen, wo halt irgendwas zusammengebastelt, manchmal moderiert und mit merkwürdigen Tonspuren versehen wurde, die manchmal mehr, manchmal weniger gelungen, also öfter weniger gelungen waren, fand ich, auch sehr kalauerhaft und zum Teil einfach unterirdisch. Und das, was eigentlich die Filme ja ausgemacht hat, welche Ideen da drin stecken, die ja auch eigene Rhythmen haben, eine eigene Dramaturgie, das ist dadurch natürlich völlig zerstört worden und das meine ich mit Schändungsgeschichte. ))
ERZÄHLERIN
Das herablassende deutsche „Dick und Doof“ führte zu einer Geringschätzung in akademischen Kreisen und auch in cineastischen Nachschlagewerken. Andere Komiker der frühen Filmgeschichte, allen voran Charlie Chaplin, Harold Lloyd und Buster Keaton, werden als Meister ihres Fachs gewürdigt, die mit Poesie und akrobatischer Präzision große Kunst erschaffen haben, humorvolle Allegorien über den Umgang mit Armut, den Tücken der Moderne und den politischen Umbrüchen der Zeit.
OTON Sven Hanuschek 4
Das sind die Komiker, mit denen man sich beschäftigt, über die man schreiben kann, die auch als Meilensteine in der Kinogeschichte gelten und Laurel und Hardy sind eben Dick und Doof. Also die sind offenbar nicht satisfaktionsfähig, mit denen beschäftigt man sich nicht oder man benutzt sie sogar als Abgrenzung, um zu sagen, das ist jetzt eher so das Kleingeld der Komik oder das einfache, das primitive oder für die Kinder vielleicht auch nur.
ERZÄHLERIN
Eine Fehleinschätzung, die aber zunehmend korrigiert wird. Das liegt auch an der Materiallage. Die restaurierten Originalfassungen der Filme werden seit der Jahrtausendwende veröffentlicht, mit der englischsprachigen Tonspur und den diversen deutschen Synchronfassungen. Sie ermöglichen endlich einen unvoreingenommenen Blick auf die Leistung von Laurel und Hardy. Auf einzigartige Weise haben sie die Tücken des Alltags verarbeitet und uns als Publikum den Spiegel vorgehalten.
TRENNER, Sound gemütlich
ERZÄHLERIN
Dabei legen Laurel und Hardy-Filme eine bewusst andere Geschwindigkeit ein als die Konkurrenz. Während viele Slapstick-Werke der 1920er Jahre auf Rasanz setzen, nutzen Stan und Ollie die Komik der Langsamkeit. Slowburn nennt sich die Technik, das langsame, genüssliche Abfackeln des Feuerwerks, das in der gedehnten Handlung erst die volle Wirkung entfaltet und dem Publikum im Kinosaal Zeit zum Lachen gibt, ehe der nächste Gag inszeniert wird. Wenn Ollie etwa beim Servieren einer Torte stolpert und hinfällt, natürlich mit dem Gesicht in der Creme-Pampe, bleibt er erstmal liegen. Schicksalsergeben hebt er langsam den Kopf, so dass die Sahnecreme genüsslich Ollies Backe hinabläuft. Und als Finale ein weiteres Markenzeichen: der Blick direkt in die Kamera. Ein Blick, der das Publikum zu Komplizen macht.
OTON Sven Hanuschek 5
Da wird man ja einbezogen als Zuschauer. Die vierte Wand wird aufgemacht und dadurch hat man natürlich auch eine andere Art von Empathie, auch wenn das dann irgendwann zum Selbstzitat wird, wie bestimmte Motive sich ja doch wiederholen, bestimmte Gesten.
ERZÄHLERIN
Ollie, der - wenn er nervös wird - seine Krawatte zwischen den Fingern knotet. Stan, der - wenn er mal wieder auf der langen Leitung steht - die Stirn in Falten legt und sich am Kopf kratzt. Beide behalten aber immer ihre Würde, egal in welche Fettnäpfchen sie treten. Und sie bleiben gutherzige Typen und Freunde, auch wenn sie sich manche Gemeinheiten antun. Das Rezept: man nehme eine kleine Alltagsreiberei, und lasse sie dann Schritt für Schritt eskalieren. Laurel und Hardy, die Meister des „tit for tat“, zu Deutsch: „Wie du mir, so ich dir“.
OTON Sven Hanuschek 6
Das ist eigentlich eine Eskalationsstrategie in der Auseinandersetzung. Man tut dem anderen etwas an und der hat dann alle Zeit, sich zu überlegen, wie reagiere ich drauf und ich muss was dagegen setzen. Und das ist immer eins drauf und der andere sitzt dann da gespannt und wartet, was kommt jetzt, was ist die nächste Stufe und hindert den eben gar nicht. Der kann das dann ausführen und dann geht es wieder auf die andere Seite. Es geht hin und her, und auf die Weise kann das in ungeahnte Höhen getrieben werden.
ERZÄHLERIN
Eine Bananenschale kann zur Keimzelle einer riesigen Tortenschlacht werden, wie in „Der Kampf des Jahrhunderts“. Darin kauft sich Stan eine Unfallversicherung. Um schnell an das Geld zu kommen, legt Ollie für ihn Bananenschalen aus. Doch nicht Stan rutscht aus, sondern ein Kuchenhändler. Der rächt sich an Ollie, indem er ihm eine Torte ins Gesicht drückt. Daraus entwickelt sich eine irrwitzige Tortenschlacht, die ein ganzes Stadtviertel ins Chaos stürzt. 3000 Torten war