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Magie - Der uralte Draht nach drüben - radioWissen

Magie - Der uralte Draht nach drüben - radioWissen

Update: 2024-09-16
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Description

Magie ist ein schillernder Begriff, der sich nicht leicht fassen lässt. Letztlich aber geht es darum, das Schicksal zu beeinflussen mit Praktiken und Ritualen, die modernen Vorstellungen irrational erscheinen. Dennoch zieht sich Magie als kulturgeschichtliches Phänomen wie ein roter Faden bis heute durch alle Epochen und Kulturen der Menschheit. Von Thomas Grasberger

Credits
Autor dieser Folge: Thomas Grasberger
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Christian Baumann, Hemma Michel, Carsten Fabian
Technik: Robin Auld
Redaktion: Thomas Morawetz


Im Interview:
Josefine Biedinger, Kuratorin und Archäologin am Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle an der Saale

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Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:


Die Sonderausstellung „Magie – das Schicksal zwingen“ ist im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale) noch bis zum 13. Oktober 2024 zu sehen.


Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.


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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.


Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:


Erzähler



Er war die große Liebe ihres Lebens. Eines Tages jedoch verließ er die junge Frau – für eine andere. Und dafür sollte er büßen, der untreue Liebhaber. Schmerzen sollte er erleiden – so lange, bis er zu der Verlassenen zurückkehrte.


Erzählerin


Doch wie sollte das gehen? Sein Herz hatte ja längst anders entschieden. Das ahnte auch die enttäuschte Frau. Daher wählte sie eine spezielle Methode, einen magischen Liebeszauber. Sie nahm sich einen 30 Zentimeter großen Block aus Pflaumenholz und fing an zu schnitzen. Schon bald waren die Umrisse eines Menschen erkennbar; zwar nur grob, aber um künstlerische Details ging es ja nicht. Kaum war die Puppe fertig, schlug ihr die liebeskranke Frau eiserne Nägel ins Holz. Vier in den Schädel, und einen mitten ins Herz hinein. Der schmerzhafte Liebeszauber konnte nun wirken.


Erzähler


Glaubt man den Quellen, so hat die Rachepuppe ihr Ziel nicht erreicht. Der Ex kehrte nie wieder zu seiner früheren Geliebten zurück. Dass die Holzpuppe dennoch zu einem wertvollen Objekt für die Wissenschaft wurde, hat mit ihrem Herstellungsdatum und ihrer Herkunft zu tun. Das Nadelpüppchen war nämlich kein Jahrtausende altes Relikt, wie wir es aus Mesopotamien, Ägypten oder dem alten Rom kennen. Es war erst in den 1950er Jahren entstanden, im nördlichen Saarland. Und 2024 landete es auf einem Ausstellungsplakat im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle an der Saale. Der Titel der Schau: „Magie – Das Schicksal zwingen“


Musik:  Mystic tendency (c) 0‘28


Erzählerin


Magie ist ein schillernder Begriff, der sich nicht leicht fassen lässt. Um ihn ranken sich zahlreiche Geschichten von übernatürlichen Kräften und rituellen Handlungen, von geheimnisvollen Sprüchen und Gegenständen, mit denen sich angeblich handfeste Wirkungen erzielen lassen.


Erzähler


So weit, so rätselhaft. Wer sich wissenschaftlich mit dem Thema befasst, um Licht ins Halbdunkel der magischen Welt mit ihren Voodoo-Püppchen, Hexenfläschchen und Nachgeburtstöpfen zu bringen, braucht eine genaue Definition des Begriffs. Die studierte Archäologin Josefine Biedinger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Landesmuseum Halle. In der Sonderausstellung, sagt Biedinger, werde Magie verstanden als eine erlernbare Fähigkeit,


ZSP 1 Bied was 0,17


Die von jedem aufgenommen werden kann. Die sich von Religion zum Beispiel insofern unterscheidet, dass man keine Götter braucht, die man auf seine Seite ziehen muss, durch Opfer zum Beispiel oder beten, sondern dass es etwas ist, das man selber ausführen kann, um eben sein Schicksal selbst zu bestimmen.


Erzählerin


Sein Leben in die eigene Hand nehmen, um die persönliche Zukunft positiv zu gestalten – dieses Anliegen erscheint durchaus plausibel. Die Wahl der Mittel hingegen aus heutiger Sicht eher nicht. Und doch gab es zu allen Zeiten magische Bemühungen, sagt Josefine Biedinger, weil Menschen stets Hoffnungen und Ängste haben.


ZSP 2 Bied warum 0,20


Jeder wollte schon immer sein Hab und Gut schützen, sein Haus schützen, seine Familie schützen. Und weil die Menschen eben so viele Sorgen hatten oder Wünsche und die sich nicht immer durch ihre eigenen Taten herbeiführen ließen, hat man eben versucht, sich auf andere Mittel zu berufen, um das dann auch wirklich herbeizuführen.


Musik:  Lydian 0‘38


Erzähler


Die Mittel der Magie! Sie gehorchen oft eigenen Gesetzen, die von den Naturgesetzen abweichen. Magische Urformen finden wir vermutlich schon in der Steinzeit, sagt die Archäologin Biedinger. Bereits damals trugen Menschen Amulette aus fossilen Muscheln oder nutzten Farben, um Zeichen an die Wände ihrer Höhlen zu malen. Magie als kulturgeschichtliches Phänomen zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Menschheitsgeschichte.


ZSP 3 Bied Quellen 0,28


Die ersten schriftführenden Kulturen in Mesopotamien und Ägypten haben alle Belege von Magie. Wir haben diverse griechische Geschichtsschreiber, die eben über Magie in allen Formen reden. Wir haben römische Geschichtsschreiber, die sich teilweise auch lustig drüber machen. Also zum Beispiel bei der Zukunftsschau sagen, ja, das ist natürlich alles Humbug. Also die Kritiker hat es auch immer gegeben. Insofern in jeder Kultur, zu der wir Schrift haben, haben wir auch irgendeine Erwähnung von Magie, in welcher Form auch immer.


Musik:  Ancient world 0‘55


Erzählerin


Gewisse Grundmuster dieses globalen Phänomens kehren immer wieder. Zum Beispiel die Vorstellung, dass eine Puppe einen bestimmten Menschen repräsentiere. Was ich ihr antue, etwa mit Nadeln, wirke sich dann auch auf den realen Menschen aus. Wie im Kleinen, so im Großen! Dieses Denken in Analogien ist gepaart mit der Vorstellung von Ursache und Wirkung. Denn Mikrokosmos und Makrokosmos, so die Annahme, beeinflussen sich gegenseitig.


Erzähler


Vor diesem Hintergrund erscheint es auch plausibel, wenn man eine grüne Eidechse blendet und in ein Glas sperrt, in der Hoffnung, die Selbstheilungskräfte des Tieres würden bald auf den Menschen überspringen, der sein Augenleiden kurieren will.


Erzählerin


Die magische Methode funktioniert immer. Wenn man dran glaubt. Sollte sie tatsächlich mal nicht funktionieren, dann hat eben der Magier beim Ritual was falsch gemacht. Zum Beispiel den Zauberspruch nicht richtig aufgesagt. Das magische System an sich aber wird nicht in Frage gestellt. Allenfalls die angestrebten Ziele. Denn seit jeher werden zwei Formen von Magie unterschieden.


ZSP 4 Bied zwei Formen 0,20


Die sogenannte weiße Magie, die eben dazu da ist, anderen Leuten zu helfen, sich selber zu helfen, Krankheiten zu heilen oder sich selber zu schützen. Da fallen eben auch Amulette rein, die Unheil abwenden sollen. Das andere ist die schwarze Magie, die eben dazu da ist, anderen Leuten seinen Willen aufzuzwingen, anderen Leuten zu schaden, Rache zu üben, solche Dinge.


Musik:  School of wizards 0‘38


Erzähler


Zur schwarzen, also bösen Magie wird übrigens auch der Liebeszauber gerechnet, weil er das Opfer manipulieren und um seinen freien Willen bringen will. Die magische Trennlinie zwischen schwarz und weiß lässt sich freilich nicht immer scharf ziehen. Auch wenn es seit alters versucht wird. Im 18. Jahrhundert vor Christus zum Beispiel, im Codex Hammurabi. Diese berühmten Sammlungen von Rechtssprüchen aus dem antiken Mesopotamien regelten alle möglichen Aspekte des Lebens. Auch Zauberei und magische Praktiken.


Erzählerin


Wenn etwa jemandem vorgeworfen wurde, er habe sich schwarz-magischer Methoden bedient, um einem anderen zu schaden. Der Beschuldigte wurde vor Gericht gestellt und musste in einen Fluss springen. Ging er unter und ertrank, dann war er schuldig. Das Haus des ertrunkenen Schwarzmagiers bekam sein Kontrahent. Ging aber der Beschuldigte nicht unter, dann galt er als unschuldig. Und sein Ankläger wurde hingerichtet.


Erzähler


Mit heutigen Rechtsvorstellungen ist dieses Verfahren nicht in Einklang zu bringen. Der Zweck des Verfahrens aber wird deutlich, sagt Josefine Biedinger: Zauberei und verbotene schwarz-magische Praktiken sollten verhindert werden.


ZSP 5 Bied alltäglich 0,22


Wo aber auch gleichzeitig klar wird, dass andere Formen von Magie erlaubt sind. Also dass Magie einfach etwas sehr Alltägliches war für den Menschen. Wir kennen aus dem mesopotamischen Raum zum Beispiel auch ein Hexenabwehrritual, das benutzt wurde, um den Fluch einer Hexe von sich abzuwenden. Also auch da wieder der Schutz vor schwarzer Magie. Also diese Angst war sehr reell für die Leute, die zu dem Zeitpunkt gelebt haben.


Musik:  Historic secrets 0‘48 


Erzählerin


Und keineswegs nur damals. Denn Ängste gibt es zu allen Zeiten, in allen Kulturen. Zum Beispiel die Angst vor Wiedergängern, die – auf unnatürliche Weise ums Leben gekommen – weiter als Untote auf der Welt herumspuken. Oder die Angst vorm bösen Blick. Als „Fenster der Seele“, sagt man, sei das menschliche Auge besonders empfäng

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