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Requiem für Harlem

Requiem für Harlem

Update: 2025-12-01
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Harlem, 1961. Der Drogendealer Clyde „Viper“ Morton hat zum dritten Mal in seinem Leben einen Menschen ermordet. Er ist überzeugt: Dieses Mal kommt er nicht damit davon. Also wartet er in einer privaten Jazz-Bar auf die Polizei. Dort stellt ihm die Besitzerin Nika eine Frage: 

‚Also, Viper‘, sagte die Baroness, ‚was sind deine drei Wünsche?‘  

Quelle: Jake Lamar – Viper’s Dream



Vom Marihuana zum Heroin 


Schon mit diesem Einstieg ist klar: Jake Lamars „Viper’s Dream“ ist in der Noir-Tradition verankert. Ein erfolgreicher Gangster, kurz vor dem Fall, erinnert sich an seinen Aufstieg, seine Träume.
Wie viele Schwarzen Menschen macht sich Viper 1936 inmitten der Großen Depression auf den Weg von Alabama nach New York City. Er hofft auf eine Karriere als Trompeter. Doch sein Talent liegt woanders: Er ist ein begnadeter Verkäufer. Für Marihuana. 
„Jazz ist 1936 von den Big Bands bestimmt – Swing Orchester von Duke Ellington und Count Basie. In dieser Zeit war Marihuana bei Schwarzen Jazz-Musiker vor allem als harmlose Freizeitdroge oder kreatives Mittel bekannt.“
Erzählt Jake Lamar. Doch der Bebop veränderte die Musik – und die Szene.  
„Jazz wurde dann von einer Musik, zu der man tanzen kann, zu einer Musik, die man wirklich hören muss. Fortan wurde Jazz als Kunstform ernst genommen. Aber zur selben Zeit verbreitet sich Heroin. Insbesondere mit Charlie Parker. Er war süchtig nach Heroin. Viele der Beboper dachten, Heroin würde sie inspirieren. Aber natürlich ist Heroin tödlich. Und viele Musiker liebten die Droge mehr als die Musik.“

Schwarze Lebensrealitäten im 20. Jahrhundert 


Jazz und Drogen, dazu eine Jazz-Diva als prototypische Femme fatale - „Viper’s Dream“ erzählt gelegentlich etwas zu melancholisch-nostalgisch von prägenden Jahrzehnten in Harlem. Dazu gibt es in diesem Roman viele gut gesetzte Verweise auf Schwarze Geschichte.
Alleine, dass Vipers Bruder – eine Nebenfigur – als Pullman Porter arbeitet, referenziert eine andere Schwarze Lebensrealität jener Jahre und schafft einen reizvollen Gegensatz zum Gangsterleben. 
„Viele von ihnen waren wirklich gebildet, aber sie verbrachten ihr Leben damit, sich um die Bedürfnisse von weißen Zugpassagieren zu kümmern. Aber es war ein sicherer, ein respektabler Job.“

Griechische Tragödie – made in Harlem 


Jake Lamar spielt zudem nicht nur mit Elementen des Noir. Zwar sind die drei Wünsche am Anfang historisch belegt. Die legendäre Jazzmäzenin Pannonica de Koenigswarter hat Musiker nach ihren Wünschen gefragt, deren Antworten wurden erst lange nach ihrem Tod in einem Buch publiziert.
Aber im Zusammenspiel mit dem überdramatischen Schlusspunkt des Romans und den gottgleichen Cameos von Miles Davis, Thelonius Monk oder auch Dizzy Gillespie liest sich „Viper’s Dream“ dadurch wie die Harlem-Version einer griechischen Tragödie. 
„Griechische Mythologie hat mich hier wirklich inspiriert. Griechische Tragödie – aufgelöst wie in einem Roman. In griechischen Tragödien gibt es Mars und Apollo. Ich habe Miles und Monk. Und wie in einer griechischen Tragödie sind die Schicksale der Figuren von den Göttern vorherbestimmt.“ 
Dadurch sind der Zorn und die Galligkeit, die Lamars früheren Roman „Das schwarze Chamäleon“ prägten, heruntergedimmt. Vielmehr erzählt er auf knapp 200 Seiten von der Great Migration, der Aufbruchsstimmung in Harlem in den 1930er Jahren, den Wandel durch Rassismus, Heroin und organisiertem Verbrechen.
„Viper’s Dream“ ist Kultur- und Stadtgeschichte, heruntergebrochen auf das Leben eines Gangsters. Lesenswert.
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