#fcp 111 Fearless Vielsprachig — Interview mit Jochen Adler – Kompreno über das Gründen in der Krise
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Wie wäre es, wenn nicht nur Barrieren für vermeintlich verrückte Ideen fielen, sondern auch die Barriere von Sprache? Wenn Deine Informationen nicht mehr daran gebunden wären, dass Du die Sprache beherrschst, in denen die Informationen transportiert werden, sondern wenn es eine Möglichkeit gäbe, dass Informationen und Neuigkeiten unabhängig von Sprache zu Dir gelangen würden? Diese vielleicht verrückte Idee hat Jochen Adler, Gründer und CEO von Kompreno, gehabt, der sich dachte: Was wäre, wenn Qualitätsjournalismus auch aus anderen Ländern für jede und jeden zugänglich wäre? Was wäre, wenn Artikel aus Frankreich, Spanien, Italien oder auch England hier in Deutschland zu lesen wären? Wie wäre es, wenn deutsche Artikel in all diesen Ländern zu lesen wären und wir in der Informationsbeschaffung viel freier wären, als wir es heute sind?
Mit seinem frisch gegründeten Unternehmen geht er jetzt an den Start. Es ermöglicht Dir, Artikel aus anderen Ländern in anderen Sprachen in Deiner Sprache zu lesen. Wie es ist, in der Pandemie zu gründen und fast alle vermeintlichen Sicherheitsleinen durchzuschneiden, das hörst Du heute im Podcast.
Wir müssen immer auf Zwischentöne achten. Die muss ich spüren und dann auch ansprechen
„Ich bin sehr dran interessiert mitzukriegen, wie es den Leuten geht - gerade weil wir mit jungen Menschen zusammenarbeiten und ich nunmal weiß was es bedeutet, wenn jemand beispielsweise 21 ist und umzieht. Dann frage ich auch ‚Wie geht es Dir damit?‘ Und das funktioniert, weil ich mit jedem ein wöchentliches One-on-One habe, wo es ehrlich gesagt eigentlich gar nicht um die Arbeit gehen muss. Auch wenn ich die Leute nie Face-to-Face treffe, vielleicht sogar niemals treffen werde, habe ich doch das Gefühl, die Leute zu kennen und auch kennenlernen zu wollen. Ich habe ein echtes Interesse an den Menschen. Um dieses One-on-One aber ein bisschen von seinem Sockel runterzuheben: Ganz oft klappt es auch nicht, weil wir einfach als Start-up nicht diesen geregelten Ablauf haben. Es ist einfach nicht so, dass wir jeden Tag um zehn das Meeting haben und dann jeder weiß, was er oder sie zu tun hat. Wir müssen einfach unfassbar dynamisch sein.“
„Ich kann Dir jetzt noch nicht sagen, was nächsten Freitag sein wird, weil sich das ja ständig ändert. Das heißt, wir müssen immer Zwischentöne hören und die muss ich spüren und dann auch ansprechen. Zum Beispiel: ‚Ich hatte das Gefühl, wir sind mit der Agenda zwar durch, aber da ist noch was, willst Du mich vielleicht heute Abend mal anrufen oder am Wochenende.‘ Das ist für mich jetzt eine riesige Belastung, gerade weil ich auch Ehemann, Familienvater, Hausmeister, Auto-Reifenwechsler und was auch immer bin, aber es ist jetzt in dieser Gründungsphase super wichtig, dass ich da bin, wenn jemand einfach nochmal ein Gespräch braucht, auch über eine private Angelegenheit.“
Ich habe gelernt offen zu kommunizieren, auch eigene Schwächen und Mut zur Lücke zu haben
Jochen zeigt an vielen Stellen Mut, Furchtlosigkeit oder extremen Mut zur Lücke – wie es ihm einmal attestiert wurde. Für Kompreno geht es nicht nur darum, Menschen zu gewinnen irgendein Abo-Modell abzuschließen, sondern auch die Partner von El Pais über Le Monde bis zur Zeit, The Economist als Partner zu gewinnen. Und trotz des enger werdenden Zeitfensters bleibt er ganz hoffnungsfroh, dass es irgendwie alles zur richtigen Zeit an den richtigen Platz fällt.
„Eine Jugendfreundin hat mal zu mir gesagt, dass sie sich - wenn sie mit mir unterwegs ist - gut fühlt, weil sie immer das Gefühl hat, ich sei wie eine Katze: Auch wenn ich mal vom Balkon falle, lande ich immer auf den Füßen. Das habe ich mir gemerkt und ich hoffe, ich strahle es aus. Aber klar, es ist ein Riesenstress. Wir haben ein Plattform-Geschäftsmodell
und diesen Netzwerkgedanken. Es geht um ein Netzwerk von Zeitschriften und Zeitungen, im kontinentalen Maßstab und wer da jetzt dabei ist, ist für das Gelingen oder das Misslingen der Idee zum Start gar nicht so entscheidend. Hauptsache es sind mal entsprechend welche dabei.“
„Ich bin relativ guter Dinge, weil wir einen sehr guten Onboarding-Prozess haben: Jeder Verlagspartner, der sich entscheidet, mit uns zusammenzuarbeiten und mir das am Mittwoch mitteilt, der ist dann vielleicht am Wochenende schon am Start. Das ist jetzt für mich auch so ein bisschen der Mut zur Lücke, den ich mir da erarbeitet habe, weil wir die Prozesse bei Kompreno so gestalten, dass wir sehr schnell wachsen können.“
„Das wissen die Partner auch und ich kommuniziere es ganz aktiv. Ich habe gelernt mit meiner Art offen umzugehen, auch mit Schwächen und mit den Mut zur Lücke.
Ich bin nicht immer so gewesen, sondern es ist eine harte Zeit gewesen. Ich habe viele Erfahrungen gemacht, bin auch richtig gegen die Wand gelaufen und habe mir eine blutige Nase geholt.“
Wir machen uns bewusst, dass die Möglichkeit des Scheiterns besteht. Dann habe ich ja keine Angst mehr davor
Wir - meine Frau Anna und ich - haben einmal vor sehr langer Zeit eine Outdoor-Reise gemacht bei der wir uns auf Campingplätzen und mit einem gemieteten Van rumgeschlagen haben. Ich bin jetzt nicht so der krasse Outdoor-Typ, ich bin auch nicht mit Leben im Zelt und auf Campingplätzen aufgewachsen, deswegen war das schon eine gewisse Herausforderung. Da denkst Du dann ja wirklich über sehr elementare Dinge nach: Wie wird das Wetter? Bleibt es sonnig oder werde ich nass, weil es regnet? Und wenn Du eine Wanderung machen willst, die drei Tage dauert, ist halt auch immer die Frage, habe ich genug Wasser dabei. Muss ich dann 20 Kilo Wasser tragen, damit ich nicht verdurste, weil ich das vielleicht aus dem Fluss nicht trinken kann, weil da irgendwelche Bakterien drin sind. Das hat uns sehr stark geprägt und wir mussten natürlich ein bisschen lachen, als wir da auf dem Campingplatz saßen, diese Wanderung geschafft hatten, nicht verdurstet sind oder vom Grizzly gefressen wurden und dann daran dachten, wie ich im vergangenen Monat in einem Projekt eine Deadline verpasst hatte. Mein Chef hat mich angebrüllt bis die Adern in den Augen hervorquollen. Ich dachte zu diesem Zeitpunkt: Das ist jetzt das Ende der Welt. Jetzt sterben hier alle, weil ich dieses Projekt, meine Deadline um eine Woche verrissen habe. Da haben wir uns schon, etwas Katzenhaftes angeeignet - selbst wenn alles im beruflichen Sinne schiefgeht, ist es nicht das Ende der Geschichte.“
„Als ich gestern mal in meinem Team gefragt habe: ‚Wenn ich in diesen Podcast gehe zum Thema Fearless Culture, was fällt Euch denn dazu ein?‘ Da hat die Kollegin aus Buenos Aires gesagt: ‚Wir machen uns bewusst, dass die Möglichkeit des Scheiterns besteht. Und dann habe ich keine Angst mehr davor.‘
Natürlich kann das alles scheitern. Es kann alles schiefgehen. Aber wir haben sehr konkret darüber geredet, was alles noch schiefgehen kann und was wir in Folge dessen tun müssen, um es zu verhindern.“
„Das war wirklich interessant. Ich habe darüber lange nachgedacht. Das Entscheidende im Umgang mit Ängsten ist meiner Meinung nach, dass man es sich bewusst machen muss. Vor was habe ich denn gerade Angst und was kann jetzt wirklich passieren? Sterbe ich? Frisst mich der Grizzly? Oder muss ich jetzt nur ein paar Geschäftspartnern sagen, wir gehen eine Woche später live? Und deswegen bin ich vielleicht relativ entspannt. Meine Lebenserfahrung sagt mir, es ist nicht immer alles so schlimm.“
– Links –
** Jochen Adler **
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– Medien –
Spotlight — Die Filmempfehlung von Jochen zum Thema investigativer Journalismus aus dem Jahre 2015 und der deutsche Trailer auf Youtube über den Leiter des Investigativ-Teams des Boston Globe, der Fälle von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche recherchiert, von denen schon lange hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird.
Hinter den Schlagzeilen
die Dokumentation aus 2021 über die alltägliche Arbeit des Investigativ-Ressorts der Süddeutschen Zeitung und der Trailer auf Youtube



