Die Lyrikerin Mascha Kaléko war ein Star im Berlin der frühen 30er Jahre - bis ihre Bücher als „Asphaltliteratur“ von den Nazis verboten und sie als Jüdin verfolgt wurde. Es war nicht ihre erste Flucht, die Kaléko 1938 in die USA antrat; ihr ganzes Leben war von Sprach- und Kulturwechseln geprägt - und von Literatur und Musik. Über das Zusammenspiel von diesen Künsten in Kalékos Leben, über die musikalische Umsetzung ihres Werkes und einen „dritter Raum“, der daraus entsteht, spricht Nikola Herweg (Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar) mit der Komponistin und Hörspielmacherin Ulrike Haage.
Martin Heidegger las meist mit dem Stift in der Hand. Glücklicherweise! Erlaubt uns dies doch, seine Denkarbeit anhand von Spuren in Texten anderer nachzuvollziehen. Als der Philosoph 1970 seine Papiere – auf eine Empfehlung von Hannah Arendt – dem Deutschen Literaturarchiv übergab, blieb der größte Teil seiner Handbibliothek in Freiburg, weil sie für die Erarbeitung der Gesamtausgabe seiner Werke noch benötigt wurde. Nach Abschluss der Editionsarbeiten gute 50 Jahre später wurden die Bücher wie vereinbart dem Marbacher Archiv und damit der Forschung übergeben. Ulrich von Bülow und Lorenz Wesemann (beide DLA) werfen einen Blick in die Bücherkisten und zeigen wichtige Exemplare von Aristoteles bis Marx.
Reich an Konflikten, bieten Ovids „Metamorphosen“ eine Reihe von Anknüpfungspunkten für das Jahresthema der BBAW für die Jahre 2025 und 2026, „Konflikte lösen!“: Der Mythos von Philemon und Baucis dient als Aufhänger für ein Gespräch über Gastfreundschaft als Strategie zur Konflikttransformation. Vielfach als berührende Geschichte unerschütterlicher Verbundenheit des alternden Paares gelesen, erzählt der Mythos von einer brisanten Situation der Konfrontation mit dem Fremden. Indem Philemon und Baucis die inkognito auftretenden Götter Jupiter und Merkur trotz ihrer bescheidenen Verhältnisse reich bewirten, zerstreuen sie den potentiellen Konflikt. Was erzählt uns der Mythos heute über Konflikte und ihre Lösung? Es diskutieren Christopher Degelmann (Althistoriker, HU zu Berlin), Ernst Osterkamp (Germanist, HU zu Berlin) und Sabrina Zajak (Sozialwissenschaftlerin, Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung), moderiert von Anita Traninger (Literaturwissenschaftlerin).
Das Universum begann im Urknall. Am Anfang war nichts da - alles musste erst geschaffen werden. Das geschah in einer Reihe von Phasenübergängen, die jeweils den Zustand des Universums dramatisch veränderten. Wie ein See bei Kälte einfriert, macht auch der Kosmos derartige Metamorphosen mit. Die Geschichte geht kontinuierlich weiter, als Teil der kosmischen Evolution. Besonders eindrucksvoll kann man das an den Galaxien sehen, die sich durch gigantische Kollisionen ständig verändern. Die Schwarzen Löcher in ihren Zentren spielen dabei eine ganz besondere Rolle, wie Günther Hasinger (Astrophysiker, Deutsches Zentrum für Astrophysik, Akademiemitglied) in seinem Vortrag zeigt.
Der Vortrag des Historikers Stefan Berger (Ruhr-Universität Bochum) beschäftigt sich mit dem Strukturwandel im Ruhrgebiet seit dem 19. Jahrhundert. Wie entwickelte sich die Region innerhalb von wenigen Jahrzehnten zum wichtigsten schwerindustriellen Zentrum des Deutschen Reiches vor 1914? Wie wurde es zum Ort sozialer Revolution und nationaler Solidarität in der Weimarer Republik, wie zur Waffenschmiede der Nation im Nationalsozialismus? Wie ist es zu vereinbaren, dass auch international die Neuerfindung des Ruhrgebiets als Erfolgsgeschichte des Strukturwandels seit den 1960er Jahren mit Modellcharakter für andere postindustrielle Regionen der Welt gefeiert wird, während gleichzeitig in vielen Reportagen das Ruhrgebiet als das Armenhaus der Republik charakterisiert wird?
Die Verbindung Deutschlands zu den Benin Bronzen geht weit über die Restitutionsimpulse in jüngster Zeit zurück. Seit dem Spätmittelalter versorgten deutsche Händler die im Seehandel mit Afrika agierenden Nationen mit Metallen, wobei sich die Verbindung deutscher Rohstoffe zu den Benin-Bronzen noch heute mit geochemischen Methoden nachweisen lässt. Ab dem 16. Jahrhundert dominierten dabei jene Firmen den Handel, die auch die Entwicklung der deutschen Schwerindustrie maßgeblich bestimmten. Über die Ergebnisse eines von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Forschungsprojektes sprechen Tobias B. Skowronek (THGA Bochum) und Hermann Parzinger (Prähistoriker, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Akademiemitglied) mit Moderator Frank Suder (Fritz Thyssen Stiftung).
Migration als Chance, ein anderer Mensch zu werden: In dynastisch verfassten Herrschaften war die Verheiratung von königlichen Töchtern und Schwestern in fremde Länder eine übliche Praxis. Diese diente verschiedenen politischen Zielen, aber obwohl die Instrumentalisierung der Frauen unbestreitbar ist, fand sie bei ihnen selbst im Allgemeinen Akzeptanz. Die Heiratsmigrantinnen wandelten sich durch die Annahme neuer Namen, anderer Kleidung und manchmal auch durch den Wechsel der Religion, vor allem aber begriffen nicht wenige von ihnen die Fremde als Freiraum zu einer kreativen Lebensgestaltung, die ihnen am heimischen Hof niemals möglich gewesen wäre. Der Vortrag von Michael Borgolte (Mittelalterhistoriker, HU zu Berlin, Akademiemitglied) zeigt das an Beispielen aus dem Mittelalter.
Sprachen sind immer im Fluss. Das Verständnis der Faktoren, die zu bedeutenden Veränderungen in der Sprache führen, steht im Mittelpunkt zahlreicher Forschungsarbeiten in der Sprachwissenschaft. Wir werden uns dieser Frage nähern, indem wir Herkunftssprachen betrachten. Bei einer Herkunftssprache handelt es sich um eine Sprache, die von ihren Sprechern als Kinder zu Hause erworben wird, die aber mit einer anderen dominanten Sprache aufwachsen. Herkunftssprachen können die aktuellen Debatten darüber beleuchten, wie Sprache funktioniert und wie sie sich verändert. Ein Vortrag von Artemis Alexiadou (Sprachwissenschaftlerin, HU zu Berlin, Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS), Akademiemitglied).
Ovids „Metamorphosen“ zählen zu den bekanntesten Werken der Weltliteratur und zugleich zu den rätselhaftesten. Es ist keine durchgängige Heldenerzählung, die das Publikum seit zweitausend Jahren in ihren Bann zieht, sondern Geschichte auf Geschichte in sich immer neu entwickelnden Verflechtungen, mit wechselnden Perspektiven und komplexen, mehrsträngigen Strukturen. Auch der Autor gibt uns bis heute Rätsel auf – wer war Ovid, warum wurde er verbannt? – Oder ist all das Fiktion? Schließlich ist auch das Lesepublikum Metamorphosen unterworfen, indem sich die gesellschaftliche Perspektive auf das Erzählte bis heute ständig verändert. Ein Vortrag von Altphilologin Katharina Wesselmann (Universität Potsdam).
Bildung ist von immenser Bedeutung für eine stabile Demokratie. Wie steht es um unsere Bildung in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft? Wie kann in Zeiten des Umbruchs und der Krisen die Aus- und Weiterbildung eines jeden Einzelnen gelingen? Ungleiche Bildungschancen verschärfen das Problem: Soziale Herkunft oder Migrationshintergrund bestimmen eine Bildungsbiographie erheblich – oftmals trotz einheitlicher Schulsysteme mit eklatanten regionalen Unterschieden. Darüber sprechen die Soziologen Aladin El-Mafaalani (TU Dortmund), Heike Solga (Wissenschaftszentrum Berlin, FU Berlin, Akademiemitglied) und Armin Nassehi (LMU München) mit Moderatorin Stephanie Rohde (Deutschlandfunk).
Literatur verwandelt, Literatur erzählt vom Wandel, Literatur hält aber auch allem Wandel stand. Ovids „Metamorphosen“ zählen zu den bedeutendsten Werken der Literaturgeschichte. Kafkas Erzählung von der Verwandlung Gregor Samsas in ein ungeheures Ungeziefer ebenso. Die Schauspielerin Corinna Kirchhoff begibt sich mit Akademiemitglied Helmut Schwarz und Akademiepräsident Christoph Markschies auf die Suche nach Verwandlungen in der Literatur. Suchen Sie mit!
Demokratien können ohne dramatischen Bruch als Folge immanenter Prozesse ihr Wesen verändern. Das kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Schweigende Mehrheiten mögen sich gegen die wahrgenommene Dominanz von konstitutionellen Beschränkungen erheben. Dann werden beispielsweise Verfassungsgerichte und der Minderheitenschutz ausgehebelt. Minderheiten können aber auch minderheitenschützende Verfahrensregeln nützen, um ein autoritäres Projekt durchzuboxen. So kann man die Entwicklung in den USA lesen. Der Prozess der Metamorphose unterscheidet sich aber auch je nach Wahlsystem. Und schließlich ist auch das Ergebnis der Metamorphose offen. Es gibt verschiedene Projekte, die das Ergebnis der Metamorphose von Demokratien sein können. Die Politikwissenschaftler Michael Zürn (Wissenschaftszentrum Berlin, FU Berlin, Akademiemitglied) und Daniel Ziblatt (Wissenschaftszentrum Berlin, Eaton-Professor für Regierungswissenschaften Harvard Universität) diskutierten mit Bettina Martin (Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern), moderiert von Anna Sauerbrey (Außenpolitische Koordinatorin der ZEIT).
Was kann es bedeuten, heute konservativ zu sein? Wie lässt sich aus konservativer Sicht auf gesellschaftliche Erneuerungen blicken? Wann wird aus dem Wunsch nach Bewahren eine Blockade? Wie kann ein neues „Wir“ gelingen, das Tradition und Offenheit verbindet? Und welche Orientierung können Bekenntnisse zu Religion, Familie und Heimat dabei noch geben? Düzen Tekkal (Autorin und Journalistin), Christoph Möllers (HU zu Berlin, Akademiemitglied) und Simon Strauß (Autor und Journalist) sprechen mit Moderatorin Shelly Kupferberg (rbb Kultur, Deutschlandfunk Kultur) über die Möglichkeiten konservativen Denkens und Lebens in Zeiten weitreichender Umbrüche und Transformationen. Eine Veranstaltung von Villa Aurora & Thomas Mann House e.V. und BBAW
Während die Metamorphose in der Zoologie sehr eng und klar definiert ist als „Umwandlung der Larvenform zum Adultstadium, dem geschlechtsreifen, erwachsenen Tier“, weckt sie in den Geisteswissenschaften eine Fülle von Assoziationen. Diese produktive Spannung der Metamorphose, ihre Präzision ebenso wie ihre Elastizität, ihr ungemeines Potential, ihre Grenzen und Entgrenzungen diskutieren die Biologin Christiane Nüsslein-Volhard (Nobelpreisträgerin, Akademiemitglied) und Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy (TU Berlin, Akademiemitglied) mit Christoph Markschies (Akademiepräsident).
Eröffnung des Salon Sophie Charlotte 2025 durch Christoph Markschies, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW). Beim Salon Sophie Charlotte am 18. Januar 2025 drehte sich alles um Metamorphosen: In der Natur. Aber auch in der wissenschaftlichen, politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Welt. Der Dichter Ovid schrieb einst: „Keines bleibt in derselben Gestalt, und Veränderung liebend, / schafft die Natur stets neu aus anderen Formen“, und setzte fort: „Und in der Weite der Welt geht nichts – das glaubt mir – verloren“. Aber stimmt das denn? Geht nicht gerade unendlich viel auf dieser Welt verloren? Was verändert sich gerade? Und wie soll man diese Veränderungen beurteilen? Und muss man sie hinnehmen wie das Verblühen der Blume? Solche Fragen hat der Salon der Akademie in der bekannt unterhaltsamen, an- und aufregenden Weise mit vielen Gästen gestellt, angeschaut und debattiert.
gesichtet von Marie Luise Knott und Jan Bürger (Deutsches Literaturarchiv). Die im sächsischen Penig aufgewachsene Barbara Köhler starb Anfang 2021 in Mülheim an der Ruhr. Da war sie gerade mal 61 Jahre alt. Seitdem mehren sich die Stimmen, die sie für eine der wichtigsten deutschsprachigen Lyrikerinnen ihrer Generation halten. Ihren Nachlass hat Köhler dem DLA vermacht: Er wirft Licht auf die wechselhafte Lebenszeit einer Autorin, die in der DDR unter dem Stichwort „Feminist“ bespitzelt wurde, gleich nach der Wende im Suhrkamp Verlag debütierte, ins Ruhrgebiet zog, Samuel Beckett und Gertrude Stein für sich entdeckte und für ein Buch über Istanbul mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet wurde. Im März 2024 erscheint ein neuer Auswahlband, "Schriftstellen", mit ihren Texten in der Bibliothek Suhrkamp, der von Marie Luise Knott herausgegeben wird. Knott, Autorin und Herausgeberin, Kuratorin und Übersetzerin, schrieb u.a. über Erwin Piscator, Karl Wolfskehl, Bertolt Brecht und Paul Klee sowie über Hannah Arendt. Jan Bürger leitet in Marbach das Suhrkamp-Archiv. Neben Büchern über HansHenny Jahnn und Gottfried Benn veröffentlichte er unter anderem „Zwischen Himmel und Elbe. Eine Hamburger Kulturgeschichte” (2020).
geöffnet von Ulrich von Bülow (Deutsches Literaturarchiv Marbach). Kürzlich wurde ein Konvolut von Briefen an Hans-Joachim Hoffmann (1929–1994), den damaligen Kulturminister der DDR, erworben. 1983 hatte Hoffmann Persönlichkeiten aus allen gesellschaftlichen Bereichen um Auskunft über ihre Lektüre gebeten. In 289 Antwortschreiben berichteten Offiziere der NVA, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Ärzte, Kulturschaffende u. v .a. über Bücher, die sie besonders beeindruckt hatten, darunter Günter de Bruyn, Peter Hacks, Erik Neutsch, Werner Tübke, Christa Wolf und der Fliegerkosmonaut Sigmund Jähn. Ihre bisher unbekannten Briefe erlauben überraschende Einblicke in das intellektuelle Leben der DDR. Ulrich von Bülow leitet die Marbacher Archiv-Abteilung. 2018 erschien von ihm „Papierarbeiter. Autoren und ihre Archive“, 2021 veröffentlichte er zusammen mit Matthias Bormuth „Ins Denken ziehen“, einen Band mit Gesprächen mit Dieter Henrich.
Nikola Herweg (Deutsches Literaturarchiv Marbach) im Gespräch mit Emmanuel Wiemer. Eröffnung von Sandra Richter, Direktorin des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Der Verlagslektor Horst E. Wiemer arbeitete von 1936 bis 1977 im Verlag C.H. Beck und gilt als Entdecker des Romanciers Heimito von Doderer. Wiemers spätere Frau Madeleine Boudot-Lamotte wiederum war von 1938 bis 1944 bei Gallimard in Paris angestellt. Durch sie und ihren Bruder kamen Briefe von Annette Kolb, Jean Cocteau, Marguerite Yourcenar, aber auch Widmungen von Proust ins Familienarchiv. Dieses Archiv mit wichtigen Zeugnissen zur österreichischen, deutschen und französischen Literatur aus der Zeit der größten Katastrophen des 20. Jahrhunderts hat Emmanuel Wiemer, der Sohn des Ehepaars Wiemer, nun dem DLA gestiftet. Nikola Herweg leitet das Helen und Kurt Wolff-Archiv für Exilliteratur im DLA und ist unter anderem Herausgeberin von Werken und Briefen von Hilde Domin, Nelly Sachs, Felix Hartlaub und Ilse Aichinger.
In zwei Positionen und im gemeinsamen Gespräch wird die ebenso paradoxe wie populäre Zwillingsformel von der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen auf ihren Ursprung in der Kunst und deren Geschichte zurückgeführt. Sie wird auf ihr Potential hin befragt, unterschiedliche gleichzeitige Erfahrungen und Phänomene in ihrer konfliktuellen Wechselwirkung zu beschreiben, ohne dabei die Geschichte aufzuheben. Ein Gespräch zwischen den Kunsthistorikern Andreas Beyer (Universität Basel, Gerda Henkel Stiftung) und Horst Bredekamp (Humboldt Universität zu Berlin, Akademiemitglied).
Rituale gliedern die Zeit. Wo sonst nur unmerkliche, fließende Übergänge wären, stiften Rituale Zäsuren und Kontinuität zugleich. Sie trennen das alte Jahr vom neuen, die Kindheit vom Erwachsensein, das Leben vom Tod. Indem sie den individuellen Einschnitt markieren, sorgen sie zugleich dafür, dass die Ordnung als ganze die gleiche bleibt. Jede Gesellschaft hat ihre spezifischen Rituale und lässt sich über diese Rituale beschreiben. Barbara Stollberg-Rilinger (Historikerin, Akademiemitglied, Wissenschaftskolleg zu Berlin), Hans-Georg Soeffner (Soziologe) und Michael Lackner (Sinologe) diskutieren das Verhältnis von Zeit und Ritual anhand von Beispielen aus der chinesischen Kaiserzeit, der europäischen Vormoderne und der Moderne.