Automatisierte Datenanalyse: Der grüne Palantir-Spagat
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Baden-Württemberg hat bereits Millionen ausgegeben, um Software des US-Konzerns Palantir in die Polizeiarbeit zu integrieren. Im Petitionsausschuss wurde nun das Anliegen angehört, nicht mit Palantir zusammenzuarbeiten. Die Grünen sind dabei zerrissen: Die Bundespartei positioniert sich gegen Palantir, doch die Regierungspartei in Stuttgart trägt den Deal mit.
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<figcaption class="wp-caption-text">Der Petent Sebastian Müller (rechts) vor dem Landtag in Stuttgart.</figcaption></figure>Das Land Baden-Württemberg hat mehr als 25 Millionen Euro ausgegeben, um eine Lizenz für Software des US-Konzerns Palantir zu kaufen, die in der Polizeiarbeit zum Einsatz kommen soll. Doch die Polizei hat rechtlich noch gar keine Befugnis, sie auch zu nutzen. Denn ein neues Polizeigesetz ist gerade erst auf dem Weg durch den Landtag in Stuttgart, um eine solche Befugnis zu schaffen.
Doch es regt sich erheblicher Widerstand, auch in Form einer öffentlichen Landtagspetition. Die Petition fordert unter anderem, den Palantir-Vertrag offenzulegen und ihn „rückabzuwickeln“.
In Baden-Württemberg sind solche Online-Petitionen eine ganz neue Beteiligungsform, die es erst seit dem Sommer gibt. 13.473 Menschen haben ihren Namen unter die Petition gegen den Einsatz der Palantir-Software gesetzt. Das Quorum von 10.000 Stimmen war damit erreicht, so dass gestern die erste öffentliche Online-Anhörung des Petitionsausschusses folgte.
Grüne auf den Barrikaden
Der Petent Sebastian Müller, der die Sache ins Rollen brachte, setzte sich in seiner Rede vor dem Ausschuss dafür ein, dass die Polizei in Baden-Württemberg nicht mit der Palantir-Software ausgestattet wird. Sich von diesem abgründigen US-Konzern abhängig zu machen, sei eine falsche Weichenstellung. Die Vereinigten Staaten seien insgesamt kein verlässlicher Partner mehr.
In der Rede vor dem Petitionsausschuss regt er an, von Experten rechtlich prüfen zu lassen, „welche Optionen es zum Kündigen der Verträge [mit Palantir] gibt“. Das Gesetzesvorhaben, das die polizeiliche automatisierte Datenanalyse erlauben würde, sieht Müller ebenfalls kritisch.
Der Petent ist langjähriger Umweltaktivist und aktives Grünen-Mitglied. Er trägt sein Anliegen auch innerhalb der grünen Landespartei vor und unterstützt eine Urabstimmung dazu. Nun werden Unterschriften gesammelt, um den Palantir-Einsatz zu verhindern. Wenn fünf Prozent der Grünen-Mitglieder zustimmen, wird ein Mitgliederentscheid fällig.
Weil die Grünen in Baden-Württemberg bekanntlich regieren und den Ministerpräsidenten stellen, könnte der Palantir-Protest im anstehenden Wahlkampf eine Rolle spielen. Denn im März 2026 will Cem Özdemir gern das Amt von Winfried Kretschmann übernehmen.
Zwar ist der zuständige Innenminister Thomas Strobl von der CDU, aber die für den Palantir-Einsatz notwendige Polizeigesetzänderung ist eine gemeinsame Sache der grün-schwarzen Koalition, die Kretschmann in seiner dritten Amtszeit als Ministerpräsident anführt. Auf der anstehenden Landesdelegiertenkonferenz ab 12. Dezember 2025, auf der das Landtagswahlprogramm festgezurrt werden soll, könnte Palantir zum Thema werden.
Beamte in Strobls Ministerium hatten im Sommer den Vertrag mit Palantir geschlossen, ohne den grünen Koalitionspartner vorab zu konsultieren. Die Grünen reagierten irritiert. Und es erzürnte auch die grüne Basis, die jetzt gern noch ein Wörtchen mitreden würde. Mehrere grüne Kreisverbände haben sich bereits gegen den Einsatz von Palantir positioniert. Dazu gehören Ulm, Tübingen, Mannheim und Karlsruhe.
Die grüne Landtagsfraktion hingegen trägt nach einem Kompromiss mit der CDU den Palantir-Einsatz mit, wenn auch mit Unmut. Der Süddeutschen Zeitung sagte Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz, man habe Bedenken und Sorgen aufgegriffen. Doch das Innenministerium habe den Palantir-Vertrag geschlossen, das könne man nicht mehr ändern.
Die Anhörung im Petitionsausschuss könnte nun mehr Grüne auf die Barrikaden bringen. Petent Müller sagte der Schwäbischen Zeitung, er wolle, „dass die Entscheidung noch gedreht wird“. Gegenüber netzpolitik.org zeigte sich Müller nach der Anhörung überrascht davon, dass viele Abgeordnete konkrete Regelungen im Polizeigesetz „gar nicht zu kennen schienen“.
Wie autoritäre Tech-Netzwerke die europäische Souveränität gefährden
Ein grüner Spagat
Rückenwind könnte nun von den Grünen im Bund kommen. Denn die veröffentlichten heute einen Sechs-Punkte-Plan mit dem Titel: Das Internet befreien! Freiheit im Internet garantieren! Darin wenden sie sich ausdrücklich auch gegen Palantir: „Wir lehnen jede Form digitaler Massenüberwachung ab, von der Chatkontrolle über die anlasslose Vorratsdatenspeicherung und öffentliche Gesichtserkennung bis hin zum Einsatz von Palantir-Software.“ Solche Vorhaben „schwächen unsere Freiheit und unsere Souveränität“, heißt es in dem Papier.
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Iniitiert wurde der Beitrag von der Bundesvorsitzenden Franziska Brantner und grünen Innenexperten wie dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Konstantin von Notz. Auch die Europaabgeordneten Alexandra Geese und Sergey Lagodinsky unterstützen ihn. Wie auch der Petent fordern die Spitzengrünen mehr „Unterstützung für freie und offene Software als Alternative zu den proprietären Anbietern“, zu denen auch Palantir mit seiner geschlossenen Software gehört. Die hohen Kosten für die Lizenzen könne man sich sparen.
Die Grünen auf Bundesebene positionieren sich damit klar gegen die automatisierte Rasterfahndung in den Polizeidatenbanken mit Palantir. Doch im Bund ist die Partei in der Opposition. Wie der Spagat funktionieren soll, dass die Regierungspartei in Baden-Württemberg zur selben Zeit die gesetzliche Grundlage für die automatisierte Datenanalyse schafft und Palantir auch ganz praktisch einzusetzen plant, müssen die Grünen erklären.
Landesdatenschutzbeauftragter bleibt kritisch
Der in den Ausschuss eingeladene Landesdatenschutzbeauftragte, Tobias Keber, ist schon Monate in die Beratungen zu Palantir und zum Polizeigesetz einbezogen. Er kritisierte, dass ihm die flankierende Verwaltungsvorschrift noch immer nicht vorgelegt worden sei. Diese sei jedoch „entscheidend“, um etwa Zugriffsrechte und weitere Details der praktischen Umsetzung bewerten zu können.
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<figcaption class="wp-caption-text" id="caption-attachment-502241">Der Landesdatenschutzbeauftragte Tobias Keber (Mitte) in der Petitionsausschuss-Anhörung.</figcaption></figure>Generell sieht Keber die neue Vorschrift zum Data Mining im Polizeigesetz nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, das sich 2023 im Palantir-Urteil mit den Polizeigesetzen Hessens und Hamburgs auseinandergesetzt hatte. Die Paragraphen zur automatisierten Datenanalyse des hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes und des hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei waren nicht verfassungsgemäß und teilweise nichtig.
Das Gericht stellte die enorm hohe Streubreite und Intensität der Grundrechtseingriffe fest. Im Urteil wurden detailreiche Anforderungen formuliert, wie eine automatisierte Datenanalyse überhaupt rechtmäßig sein kann.
Keber hatte seine Kritikpunkte am neuen Polizeigesetz bereits in einer <a href="https:/



