DiscoverScience on Player FMDie unsichtbare Brille - Wie Glaubenssätze unser Leben lenken - radioWissen
Die unsichtbare Brille - Wie Glaubenssätze unser Leben lenken - radioWissen

Die unsichtbare Brille - Wie Glaubenssätze unser Leben lenken - radioWissen

Update: 2024-11-13
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Description

Jeder Mensch trägt tiefe Überzeugungen über sich selbst, seine Mitmenschen und die Welt in sich. Diese Glaubenssätze sind die Brille, durch die jeder dann seine eigene Realität sieht. Wie kommen die Glaubenssätze in uns? Kann man negative Glaubenssätze löschen und welche Auswirkungen haben sie auf unsere Beziehungen? Von Victoria Marciniak

Credits
Autorin dieser Folge: Victoria Marciniak
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Andreas Neumann, Marlen  Reichert
Technik: Andreas Lucke
Redaktion: Bernhard Kastner


Im Interview:
Joschiko-Emily Eckstein, arbeitet im Bereich HR
Franca Cerutti, Psychotherapeutin; 
Dr. Raquel Peel, Soziologin



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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.


Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:


Sprecher



Ein zerknülltes gelbes Post-it aus ihrer Schulzeit. Es liegt sicher versteckt in einem Schuhkarton in ihrem Zimmer. An den kleinen Zettel wird Emily noch sehr oft denken. Auch heute. An einem gemütlichen Abend im Dezember. Weihnachtszeit. Und die Psychologie-Studentin Emily sitzt in der WG-Küche ihrer drei besten Freundinnen und trinkt eine heiße Tasse Tee. Sie philosophieren über Gott und die Welt; und irgendwann unterhält Emily sie alle mit Anekdoten aus den unterschiedlichsten Theaterstücken, in denen sie mitgespielt oder die sie angeschaut hat. Ihre Freundinnen weinen vor Lachen.


O-Ton 01 Emily (00`06)


Das ist einfach so ein richtiger Moment von „Hey, hier bin ich angekommen.“ Ein 10 von 10 Abend.


Sprecher


Eine 10/10, also volle Punktzahl für den scheinbar perfekten Abend. Zumindest – bis Emily sich von ihren Freundinnen verabschiedet. An der Haustür sagen sie sich noch, wie schön der gemeinsame Abend gewesen ist und dass sie sich ganz bald wiedersehen müssen. Sie umarmen sich, Emily dreht sich um, dann fällt die Tür hinter ihr ins Schloss (Atmo: Tür geht zu):


O-Ton 02 Emily (00`55)


Und dann ist es wirklich so mit einem Mal, dass auf einmal mir mein Kopf so ein Querpass schießt und dann sagt „Moment mal, aber war es wirklich so geil, wie du dachtest? Oder war es vielleicht nur für dich geil, weil du wieder die ganze Zeit geredet hast? Und ist dieses: Hmm, hast bestimmt allen erzählt, dass du total viel Theater gespielt hast. Meinste die hat das interessiert?“ Und dann versuche ich noch zu sagen „Nee, aber es wird ja auch ganz oft nachgefragt und die haben ja total viel gelacht, als ich auch diese Story erzählt hab.“ Und dann kommt sofort dieses „Hmm, nennt sich Höflichkeit, nennt sich Sozialkompetenz, was andere Leute haben.“ Und es ist ganz krass, weil mit jedem Schritt, den ich gehe und den ich mich halt weiter aus dieser Situation entferne, verliere ich dann irgendwie den Zugang zu dieser Situation. Und dass ich dann wirklich auf diesem Weg nach Hause auf einmal anfangen musste zu weinen, weil ich das Gefühl hatte „Hey, ich bin ein Riesenarschloch.“ 


Atmo (Schritte und Wind)


Musik:  Train journey 0‘22


Sprecher


Vier Kilometer – So weit läuft Emily von der WG ihrer Freundinnen zu sich nach Hause. Sie muss den Kopf frei kriegen. Aber ihr Kopf spielt immer und immer wieder Szenen ab, wie sie ihre Freundinnen unterbricht, wie sie zu laut lacht, wie sie zu viel Aufmerksamkeit fordert. Sie holt ihr Handy aus der Tasche und noch auf dem Weg nach Hause schreibt sie weinend ihren Freundinnen Text-Nachrichten, in denen sie sich entschuldigt (erst SFX Handytastatur-Tippen und dann Nachrichten-Pling vor jedem „Sorry“): Sorry, dass ich so viel übers Theater geredet habe. Sorry, dass ich zu laut war. Sorry, dass ich dich unterbrochen habe. Sorry, dass wir so lange über meine Geschichte geredet haben. Sorry... Pling, Pling, Pling


*bisschen längere Pause*


O-Ton 03 Franca Cerutti (00‘16)


Glaubenssätze haben häufig so eine konditionale Struktur, die uns sehr stark nahelegen, wie wir sein sollen oder wie wir uns verhalten sollen.   Wenn ich immer lieb bin oder immer höflich bin, dann werde ich geliebt.


Sprecher


Franca Cerutti ist Psychotherapeutin und Psychologie-Podcasterin. 


Eines ihrer Lieblingsthemen: Glaubenssätze, also feste Überzeugungen, die jeder Mensch in sich trägt. Aber eigentlich, sagt sie, sind es eher ganze Glaubenssysteme. 


O-Ton 04 Franca Cerutti (00`27)


Also ein Glaubenssatz, der mich selber betrifft, könnte ja zum Beispiel lauten: „Ich muss fleißig sein und leistungsstark, um Anerkennung zu bekommen.“ Und der ist aber vielleicht verknüpft mit einem Glaubenssatz, der dann eher so die gesamte Gesellschaft betrifft. Der lautet dann so was wie „Ohne Fleiß kein Preis“. Und das ist wiederum geknüpft an so eine gesamtgesellschaftliche Erwartung.


Musik:  Mansplaning 1‘00


Sprecher


Also: Glaubenssätze stehen nicht isoliert da. Sie hängen oft eng mit anderen Glaubenssätzen zusammen. Und dieses Glaubenssystem bestimmt die Art und Weise, wie man sich selbst, Beziehungen und das Umfeld bewertet und einsortiert.


O-Ton 05 Emily (00`18)


Der Glaubenssatz von mir, der sich eigentlich in allen anderen Glaubenssätzen von mir auch widerspiegelt, ist: Ich bin zu viel. Also dieses ich bin too much. Ich bin zu viel. Ich brauche zu viel Aufmerksamkeit oder ich fordere zu viel Aufmerksamkeit. Ich glaube, das ist eigentlich das, was es ganz, ganz gut zusammenfasst.


Sprecher


Nicht nur Emily – Alle Menschen weltweit haben Glaubenssätze bzw. Glaubenssysteme in sich. Sowohl gute wie „Ich bin genug“, „Die Welt ist ein schöner Ort“ oder „Ich kann anderen vertrauen“. Aber eben auch negative Glaubenssätze. Und die haben alle – auch die ganz großen Stars.


O-Ton 06 Franca Cerutti (00`45)


Ich habe irgendwann mal gelesen, dass das Topmodel Kate Moss, die ja nun wirklich, wie gesagt ein weltbekanntes Topmodel war und mit ihrem sehr guten, überdurchschnittlichen Aussehen Geld verdient hat. Das war ihr Beruf. Dass sie dennoch tiefe Glaubenssätze hatte, sie sei unattraktiv und sie hätte ein hässliches Gesicht. Und ich finde, das zeigt noch mal sehr stark, wie unglaublich krass auch eigentlich das reale Leben und der Glaubenssatz auseinander gehen können. 


Sprecher


Eine Frau, die glaubt, dass sie zu laut sei und eine andere, die glaubt, dass sie nicht schön genug sei. Typische Glaubenssätze von Frauen, sagt Psychotherapeutin Franca Cerutti. Sie erkennt in ihrer Praxis durchaus Unterschiede in den Glaubenssätzen von Männern und Frauen.


O-Ton 07 Franca Cerutti (00`25)


Keine Evidenz, nur mein Eindruck. Aber bei Männern habe ich häufiger leistungsbezogene Glaubenssätze. Da geht es dann häufig um nicht gut genug sein im Leistungssinn. Und bei Frauen geht es häufig um Beziehungen und Attraktivität. Als Mensch, als Partnerin. Oder wie gut bin ich als Mutter oder so. Schon sehr rollenspezifisch manchmal noch. 


Musik:  Genetics 0‘30


Sprecher


Negative Glaubenssätze können sich in banalen Alltagssituationen bemerkbar machen, wie: Am freien Tag unwichtige Aufgaben erledigen, anstatt zu entspannen, weil man das Gefühl hat, immer was leisten zu müssen. Oder sie zeigen sich nach einem Treffen mit guten Freundinnen. Aber woher kommt das Gefühl von Emily - selbst bei guten Freundinnen-, zu viel, zu laut, zu nervig zu sein?...


Pause-Atmo (Spannungsaufbau)


… Wie entstehen Glaubenssätze?


O-Ton 08 France Cerutti (00‘46)


Ich stelle mir das so vor, dass wenn wir groß werden in unserer Kernfamilie, aber natürlich auch in der Schule, im Umfeld, dass all das in uns immer so Informationen hinein träufelt. Ich denke da manchmal eine Tropfsteinhöhle, wo so nach und nach eben etwas hineintropft. Und wenn an einer Stelle immer wie

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