DiscoverScience on Player FMKampf um den Münchner Faun - Der Super-Promi der Glyptothek - radioWissen
Kampf um den Münchner Faun - Der Super-Promi der Glyptothek - radioWissen

Kampf um den Münchner Faun - Der Super-Promi der Glyptothek - radioWissen

Update: 2025-01-03
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Description

Im Winter 1819 überquert eine hart umkämpfte Fracht die Alpen. Adressat ist der bayerische König Ludwig I., der nun endlich den sogenannten Barberinischen Faun sein Eigentum nennen darf. Bis heute fasziniert dieser Star der Münchner Glyptothek Publikum und Forschung. Von Isabel Hertweck-Stücken


Credits
Autorin dieser Folge: Isabel Hertweck-Stücken
Regie: Frank Halbach
Es sprachen: Berenike Beschle, Thomas Birnstiel, Silke von Walkhoff, Peter Veit
Technik: Moritz Herrmann
Redaktion: Thomas Morawetz


Im Interview:
Prof. Dr. Raimund Wünsche, Klassischer Archäologe
Jean Sorabella, Kunsthistorikerin, Columbia University, New York



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Literatur:
Raimund Wünsche, „Ludwigs Skulpturenerwerbungen für die Glyptothek“. IN: Glyptothek München 1830-1980. Hrgs. von Klaus Vierneisel und Gottlieb Lenz – Hier beschreibt Raimund Wünsche detailliert die Geschichte der Erwerbung des Fauns
Jean Sorabella, „A Satyr for Midas: The Barberini Faun and Hellenistic Royal Patronage. IN: Classical Antiquity (2007) 26 (2): 219–248 – In dem oft zitierten Artikel entwickelt Jean Sorabella ihre Hypothese zum ursprünglichen Sinnzusammenhang des Faun


Linktipps:


Ein frischer Blick auf den Faun von BR Alpha:  HIER


Informationen zum Faun und vielen anderen Ausstellungsstücken bayerischer Museen gibt es in diesem empfehlenswerten Portal www.bavarikon.de HIER


Hier kann man ihn und viele andere einzigartige Meisterwerke antiker Skulptur besuchen



Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.


Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:


SPRECHERIN


Im Winter 1819 überquert ein besonderer Schwertransport die Alpen, über verschneite und vereisten Wege. Sechs Ochsen ziehen ein Fuhrwerk, das eine riesige Kiste geladen hat, der Inhalt: eine antike Skulptur.


O-ton : Raimund Wünsche


Um es mal so auszudrücken, es ist jetzt ein ganz einmaliges Werk, das wirkt wie vom Himmel gefallen, wie er da so rumliegt.


Er ist die einzige Figur, die man kennt, die seit der Auffindung nicht an Reputation verloren hat.


MUSIK ENDE


SPRECHER


Der Fuhrmann, der auf dem Kutschbock sitzt, und das Gespann sicher von Italien nach München bringen soll, hat den Inhalt seiner kostbaren Fracht vermutlich nie gesehen. Den Anblick des alten, wilden Wesens kann man nur moralisch und sittlich gefestigten Personen zumuten. Denn die Skulptur arbeitet mit einem Effekt, der bis heute in Horrorschockern Emotionen ins Unkontrollierte steigert: Überraschung!


O-ton Jean Sorabella: 


Overvoice:


Es gelingt ihm immer wieder, uns zu überraschen. Egal wie vorbereitet man ist. Und ich glaube, das muss von Anfang an ein Element seiner Wirkung gewesen sein.


And it never fails to surprise, no matter how prepared you are for it,


I think. And I think that that must have been an element of it from the beginning.


MUSIK privat Take A2 “Christ Is Born Indeed”; Album: The Green Knight; Label: Sony Classical – 19439908171; Interpret: Bridget Samuels; Komponist: Daniel Hart; ZEIT: 01:23


SPRECHERIN


In den über 2000 Jahren ihrer Geschichte war die Marmorskulptur immer wieder ein begehrtes Beutestück. Mächtige Kaiser und Könige wollten sie unbedingt besitzen – und so legte der sogenannte „Barberinische Faun“ eine weite Reise zurück. Von seinem „Geburtsort“ irgendwo in Kleinasien, über Rom bis nach München, in die Glyptothek, das erste öffentliche Museum Münchens und Prestigeobjekt des bayerischen Königs Ludwig I.


SPRECHER


Wir kennen heute nur kleine Ausschnitte dieser Reise – aber schon die zeigen: der Faun wechselte nicht einfach nur den Besitzer, er wurde umkämpft, geraubt, oder mit List und Tücke erobert. 


Ein paar Körperteile hat er im Laufe dieser abenteuerlichen Geschichte verloren. Das rechte Bein, den linken Arm, die Nasenspitze. Aber im Rest stecken immer noch genug Spannung und Sex-Appeal, um in die Köpfe der Besucherinnen und Besucher vorzudringen. 


SPRECHERIN


Einer der besten Kenner der Figur ist der ehemalige Direktor der Glyptothek, der Archäologe Raimund Wünsche. Der Star „seiner“ Ausstellung ist so positioniert, dass man ihn schon von weitem – durch mehrere Raumfluchten hindurch – sehen kann. So, dass man sich dem „unerhörten Anblick“ langsam annähern kann.


MUSIK ENDE


O-ton Raimund Wünsche: 


Dargestellt ist ein Satyr, ein männliches Wesen mit leicht tierischen Zügen. Das kann man ganz gut sehen. Er kommt aus dem Rücken heraus, so ein kleines Schwänzchen, das hier nach vorne geführt ist, das man auch sieht.(..)  Aber am besten erkennt man, dass es ein Satyr ist, wie er sich bewegt. So kann man in Griechenland nicht sitzen!


SPRECHER


So würde man auch heute nicht sitzen, normalerweise. Die Haltung ist die eines Volltrunkenen – totaler Kontroll- und Schamverlust.


SPRECHERIN


Die Pose kann man sich etwa so vorstellen:  Vom Oktoberfest hat es einer nicht mehr ganz nach Hause geschafft – hat sich auf eine Parkbank fallen lassen – und hängt dort nun etwas schief, halb sitzend, halb liegend, mit leicht offenstehendem Mund. Die Beine fallen weit auseinander, das eine Bein am Boden, mit dem anderen stützt er sich auf der Parkbank ab.


SPRECHER


Ein wichtiger Unterschied zum typischen Oktoberfest-Bild: Der Mann in der Glyptothek ist komplett nackt. Nicht nur das Gesicht, sondern jeder Muskel im gut trainierten Körper erzählt vom Versuch, die Kontrolle über Körper und Geist wiederzugewinnen – oder nicht ganz aufzugeben.


O-ton Raimund Wünsche 


Das Interessante ist, wie der Künstler hier fertigbringt,


nicht nur den Übergang vom Wachen zum Schlaf,


sondern auch in der Liegehaltung das vorherige Dasein,


was er gemacht hat auszudrücken, die Bewegtheit.


Er will also zeigen, das ist nicht irgendein Mensch, der schläft oder Eros, ein Liebesgott, sondern ist einer, der eigentlich gar nicht richtig schlafen kann, weil ihm tobt es noch immer im Kopf rum und sowas von seinen ganzen vorherigen Lustbarkeiten.


MUSIK  „Ludi inter Pana atque nymphas“; ZEIT: 00:49


SPRECHERIN


Die Lustbarkeiten – dabei handelt es sich mutmaßlich um wilde Tänze, viel Wein und freie Liebe. Alles das gehört zur Sphäre und zum Machtbereich des griechischen Gottes Dionysos: Gott des Weines und der Ekstase, der Freude und der Fruchtbarkeit. Die Satyrn gehörten zu seinem Gefolge, bildlich zu erkennen an ihren Esels-oder Pferdeohren, Schwänzen und „barbarischen“ Gesichtszügen mit breiten Stupsnasen, weit entfernt vom griechischen Schönheitsideal.


SPRECHER


Die Trunkenheit der Satyrn zeigt die „göttliche Macht“ des Dionysos. So erklärten sich die Griechen das Phänomen des Alkohol-Rauschs. Die wesens-verändernde Wirkung des Weins schrieben sie seinem göttlichen Einfluss zu. 


MUSIK ENDE


O-Ton Raimund Wünsche:


Junge Satyrn sind lebensfroh, lustig, geben im Grunde genommen auch ein Ideal wieder, dass man sagt, so kann man sich manchmal benehmen im gesetzten Rahmen. Und darum gab es auch Satyr-Feste, wo der Herrscher sogar Wein ausgab umsonst, damit sich alle wohlfühlen. Der Wein befreit von den Sorgen des Alltags. Das ist hier gegeben.


SPRECHERIN


Die Römer machten aus dem griechischen Dionysos den römischen Bacchus – und seine Begleiter, die Satyrn vermischten sich mit dem Bild eines altitalischen Wald-und Naturwesens: dem Faun. 


SPRECHER


Und so taucht unsere Skulptur, die von heidnischen Feiern der Fruchtbarkeit und des Lebens erzählt, als Barberinischer Faun in den Annalen der Kunsthistoriker auf. In den 20-er Jahren des 17.Jahrhunderts, in der Zeit des Barock, in Rom.


Das Christentum hat da die heidnischen Götter längst verdrängt, über Rom herrschen die Päpste. 


Irgendwann zwischen 1624 und `28 kommt der Faun dort ans Licht – er wird bei Bauarbeiten ausgegraben. Dass in Rom Zeugnisse der antiken Geschichte zum Vorschein kommen, ist nicht ungewöhnlich. Der Boden ist voll davon – doch diese Statue erregt sofort öffentliches Aufsehen. 


O-Ton Raimund Wünsche 


Da gibt es sogar Berichte, dass alle zusammenliefen, alle Künstler, um die zu sehen.


SPRECHERIN


Praktisch sofort nach ihrer Auffindung

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