Saharastaub - Wenn sich der Himmel trübt - radioWissen
Description
Im Mittelalter galt er als böses Omen. Dabei steckt hinter Blutregen und Blutschnee nur Saharastaub. 200 Millionen Tonnen trägt der Wind pro Jahr bis in die Arktis. Der Staub kann unter Umständen der Gesundheit schaden. Aber er ist auch ein wertvoller Dünger und sorgt für Regen. Von Roana Brogsitter
Credits
Autorin dieser Folge: Roana Brogsitter
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprach: Julia Fischer
Technik: Ursula Kirstein
Redaktion: Iska Schreglmann
Im Interview:
Dr. Patric Seifert, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung
Prof. Anke Friedrich, Institut für Geologie Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dennis Nowak, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
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Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:
Linktipps:
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung HIER und HIER
Deutscher Wetterdienst HIER
Deutsche Meterologische Gesellschaft HIER
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
SPRECHERIN
Am 26. Mai 1554 kam es in der mittelfränkischen Stadt Dinkelsbühl zu einem seltenen Naturereignis. Es regnete Blut vom Himmel. So viel, dass sich die Wäsche, die zum Trocknen vor dem Stadttor hing, rot verfärbte. Der sogenannte Blutregen sorgte für Angst und Schrecken. Kündigte er Krieg und Blutvergießen an? Gott möge gnädig und barmherzig sein, bittet der Autor des Textes, der von dem Ereignis berichtet. Ergänzt werden seine Zeilen durch eine bildliche Darstellung des Blutregens, angefertigt vom Nürnberger Buchdrucker Hans Glaser. Das Original liegt heute in der Zentralbibliothek Zürich.
MUSIK (kurz hochziehen)
SPRECHERIN
Seit der Antike gibt es zahlreiche Belege für Blutregen. Roms berühmtester Redner Cicero berichtete beispielsweise im letzten Jahrhundert vor Christus, dass ein Effekt wie Blut entsteht, wenn sich Wasser mit bestimmten Bodenarten vermischt, die vom Südwind herangeweht werden. In Friedenszeiten würde das kaum einer bemerken, so Cicero sachlich, in Zeiten von Angst und Gefahr dagegen würde es als Vorzeichen interpretiert. So war es noch mehrere hundert Jahre später, als 580 zufällig nach einem Blutregen in Paris die Pest ausbrach.
1 O-TON SEIFERT
Es wurde genutzt, um Angst zu machen. Wenn ein König gestorben ist, wenn es einen Unfall gab, wenn es eine Krankheit gab von einer wichtigen Person, und es gab dann zufällig diesen Blutregen, dann war das ein Omen. Die dokumentierten Ereignisse treffen nahezu immer mit gesellschaftlichen oder kulturellen politischen Ereignissen zusammen. Dann haben eben Historiker dieses Ereignis genutzt, um die Dramatik zu erhöhen.
MUSIK: Skyline 0‘22
SPRECHERIN
Der Meteorologe Dr. Patric Seifert arbeitet am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung, kurz TROPOS, und beschäftigt sich intensiv mit dem Phänomen Saharastaub, das die Ursache von Blutregen ist.
2 O-TON SEIFERT
Der Staub befindet sich bevorzugt in den untersten sechs Kilometern Höhe, kann aber sporadisch auch bis an den Oberrand der Troposphäre reichen, also bis in eine Höhe von zwölf oder 13 Kilometern.
SPRECHERIN
Rund eine Milliarde Tonnen Saharastaub landen Jahr für Jahr in der Atmosphäre. Zur Veranschaulichung: Wenn man diese Menge gleichmäßig über Deutschland verteilen würde, lägen am Ende rund 2,8 Kilogramm Staub auf jedem Quadratmeter Boden. Zum Glück verteilt er sich aber großräumig – vom äußersten Süden der Erde bis in den höchsten Norden, erklärt Patric Seifert.
3 O-TON SEIFERT
Es ist nicht untypisch, dass auch die Arktis von Wüstenstaub getroffen wird. Also wir haben selber mit unseren Messgeräten auch über der Arktis Wüstenstaub Ausbrüche beobachtet. Es gibt auch auf Spitzbergen eine
Beobachtungsstation, wo durchaus mehrere Male im Jahr Wüstenstaub Ausbrüche beobachtet werden.
SPRECHERIN
Spitzbergen liegt Luftlinie rund 5.800 Kilometer vom Zentrum der Sahara entfernt. Die Wüste bedeckt über 9,2 Millionen Quadratkilometer Afrikas und erstreckt sich über elf Länder - von der Atlantikküste im Westen bis zum Roten Meer im Osten und vom Mittelmeer im Norden bis zur Sahelzone im Süden. Wie kommt der Staub von hier bis nach Spitzbergen?
4 O-TON SEIFERT
Besonders häufig treten Saharastaubausbrüche auf, wenn die Wetterküche sehr aktiv ist. Und das ist meistens im Frühjahr und im Herbst. In diesem Zeitraum reichen die Tiefdruckgebiete häufig bis in die Wüstenregion hinein. Und wenn dann so ein Tiefdruckgebiet über die Sahara hinwegzieht, dann kommt es eben auch zu den entsprechenden starken Winden und diesbezüglich dann auch zur Emission von dem Saharastaub in die Atmosphäre.
ATMO STURM
SPRECHERIN
Tiefdruckgebiete, die sich entgegen dem Uhrzeigersinn drehen, schaufeln Luft aus Südwesten Richtung Nordosten. Durch die Winde entstehen regelrechte Staubstürme in der Sahara, die die Staubpartikel bis in große Höhen aufwirbeln und weiter Richtung Europa tragen.
5 O-TON SEIFERT
Der erste Kandidat, der meistens getroffen wird, das sind die afrikanischen Länder wie Marokko, Algerien. Dann geht es über Mallorca, Sardinien und eben auch die typischen Länder wie Spanien, Italien und dann zunehmend seltener bis an die Alpen heran und noch seltener nach Skandinavien.
SPRECHERIN
Bis zu sechs Monate bleibt der Staub in der Luft. Dabei gilt die Regel, je größer die Nähe zur Sahara, desto mehr Staub. Rund 60 Mal pro Jahr erreicht der Wüstenstaub auch Deutschland in relevanter Menge. Wobei Bayern deutlich häufiger und stärker betroffen ist als zum Beispiel Schleswig-Holstein.
MUSIK: Whispering dunes (b) 0‘26
SPRECHERIN
Wer den Kopf nach oben richtet, kann bei Saharastaubausbrüchen unter Umständen einen milchigen bis ockerfarbenen Schleier am Himmel sehen, durch den die Sonne schwer durchdringt. In seltenen Fällen kommt es zum spektakulären Blutregen, nämlich dann
ATMO REGEN (unterlegen)
6 O-TON SEIFERT
wenn Regentropfen durch diese Wüstenstaub Schicht hindurchfallen, dann nehmen Sie diese Staubkörner auf. Der Regen fällt zu Boden, und es bleibt dann dieser bräunlich gelbliche Schleier oder rötlich-gelblich Schleier zurück auf Autos, auf Wegen. Das Gleiche passiert bei Schneefall. Die Schneeflocken, die haben ja auch eine sehr komplexe, schwammige Struktur und wenn die dann zwei, drei, vier Kilometer durch die Atmosphäre nach unten sinken, dann kollidieren die auch mit dem einen oder anderen Wüstenstaubpartikel. Und das ergibt dann eben am Boden diese Färbung.
SPRECHERIN
Eine Färbung, die das Herz von Prof. Anke Friedrich höherschlagen lässt. Sie ist Geologin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und freut sich immer, wenn sie Blutschnee sieht.
7 O-TON FRIEDRICH
Jeder, der schon mal hinter einem Schneepflug hergefahren ist, der dann so eine meterdicke Schneewand anschneidet, da sieht man ja dann die feinen Lagen, dunkle Lagen drin, im Wechsel mal mehr, mal weniger.
MUSIK: Frozen nights 0‘41
SPRECHERIN
Nicht immer ist der Staub so gut sichtbar wie im März 2022, als es in Deutschland ein außergewöhnliches Blutschnee-Ereignis gab. Große Mengen von Saharastaub verfärbten damals nicht nur die schneebedeckte Zugspitze. Auch in tieferen Lagen fuhren Skifahrer plötzlich über rötliche Pisten und selbst im Flachland überzog der Staub alles mit einer dünnen Schicht.
8 O-TON FRIEDRICH
Saharastaub ist was Faszinierendes, weil wir Hinweise bekommen auf die Herkunft. Das sind alles Gesteinsteilche