Sternengeschichten Folge 631: Himiko - Der große Blob am Anfang des Universums
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Sternengeschichten Folge 631: Himiko - Der große Blob am Anfang des Universums
In der heutigen Folge der Sternengeschichten geht es um einen gewaltigen Blob vom Anfang der Zeit, der nach Äonen plötzlich aus den fernen Nebeln der Vergangenheit aufgetaucht ist und alles durcheinander gebracht hat. Ok, ja - das klingt jetzt nicht nur mehr nach einem Horrorfilm anstatt seriöser Astronomie und es ist auch mehr als stark übertrieben. Aber zumindest das Wort "Blob" hab ich mir nicht ausgedacht; das ist in diesem Fall tatsächlich ein wissenschaftlicher Fachbegriff. Ich hätte auch sagen können, dass ich in der heutigen Folge über einen Lyman-Alpha-Emitter aus der Reionisierungsepoche sprechen möchte, aber das klingt vielleicht ein wenig abschreckend. So oder so: Das ist es, worum es heute geht. Um einen Lyman-Alpha-Emitter, den man zu Recht auch als "gewaltigen Blob" bezeichnen kann. Dieser Blob hat in der Reionisierungsepoche des Universums existiert, also vor gut 13 Milliarden Jahren, was man durchaus auch "am Anfang der Zeit" nennen kann. Und als man dieses Ding 2007 entdeckt hat, hat es tatsächlich für einiges an Verwirrung gesorgt.
Aber gehen wir das alles mal der Reihe nach durch und fangen bei den Lyman-Alpha-Emittern an. Diese Dinger sind logischer Dinger, die etwas emittieren, und zwar Lyman-Alpha. Ok, das ist nicht ganz richtig und erklärt auch nicht viel. Mit "Lyman Alpha" ist Licht mit einer ganz bestimmten Wellenlänge gemeint, und zwar 121,567 Nanometer. Das ist Licht, das unter anderen dann entsteht, wenn das Elektron eines Wasserstoffatoms vom ersten angeregten Zustand in den Grundzustand wechselt. Und das bedeutet folgendes: Ein Wasserstoffatom hat einen Kern aus einem positiv geladenen Proton und ein negativ geladenes Elektron in seiner Atomhülle. Wenn man zum Beispiel durch Strahlung von außen Energie auf dieses Elektron überträgt, dann kann es unterschiedliche Zustände einnehmen; vereinfacht gesagt: Es kann sich unterschiedlich weit vom Atomkern entfernen. Es können keine völlig beliebigen Zustände sein; das verbietet die Quantenmechanik. Das Elektron kann nur ganz bestimmte Energiemengen absorbieren und dementsprechend auch nur ganz bestimmte Zustände einnehmen. Wenn das Elektron gerade im Grundzustand ist, also dem Zustand, in dem es die niedrigste Energie hat, die es haben kann, und wenn dann Strahlung mit 121,567 Nanometern auf das Elektron trifft, dann ist das genau die passende Menge an Energie, um es vom Grundzustand in den ersten angeregten Zustand zu versetzen. Jetzt sind Elektronen aber nicht so gerne angeregt, sie wollen die Energie wieder loswerden und in den Grundzustand wechseln. Das tun sie auch irgendwann wieder und wenn sie das tun, dann geben sie Strahlung mit einer Wellenlänge von genau 121,567 Nanometern ab. Es gibt noch mehr Möglichkeiten, wie Elektronen zwischen angeregten Zuständen und dem Grundzustand hin und her wechseln können und dementsprechend auch Strahlung bei anderen Wellenlängen, die sie absorbieren oder abstrahlen können. Das erste Mal beschrieben hat dieses Verhalten der amerikanische Physiker Theodore Lyman und er hat die Übergänge mit griechischen Buchstabend sortiert. Und deswegen nennen wir diesen speziellen Übergang bei 121,567 Nanometern heute den Lyman-Alpha-Übergang.
Soweit zu Lyman-Alpha, aber was ist mit den Emittern? Wir wissen schon, dass wir dafür Wasserstoff brauchen und wenn es im Universum etwas mehr als genug gibt, dann ist es Wasserstoff. Im frühen Universum gab es fast nur Wasserstoff, drei Viertel aller Materie ist aus diesem einfachsten Atom aufgebaut, weil es von Anfang an nach dem Urknall da war - eben weil es so simpel ist. Der Rest war Helium und für die ganzen anderen komplexen Atome hat man erst auf die Kernfusion im Inneren der ersten Sterne warten müssen. Im frühen Universum hat es also jede Menge große Ansammlungen von Wasserstoff gegeben. Wenn diese Wasserstoffansammlungen von irgendwo her mit der passenden Energie angeregt werden, geben sie Lyman-Alpha-Strahlung ab und damit haben wir die Lyman-Alpha-Emitter. Die besonders großen davon werden auch oft Lyman-Alpha-Blobs genannt. Und besonders groß ist hier genau so gemeint: Die Dinger können bis zu 500.000 Lichtjahre groß sein, das ist deutlich größer als zum Beispiel der Durchmesser unserer eigenen Galaxie, der Milchstraße.
In unserer Gegenwart des Univerums sehen wir diese gigantischen Objekte nicht. Wir finden sie nur dann, wenn wir Licht beobachten, das wirklich, wirklich lange gebraucht hat, bis es bei uns angelangt ist oder anders gesagt: Wir sehen die Lyman-Alpha-Blobs nur, wenn wir ins sehr junge Universum schauen. Typischerweise müssen wir in eine Zeit schauen, als das Universum erst 2-3 Milliarden Jahre alt war. Und es ist auch kein Wunder, dass wir sie gerade in dieser Epoche sehen. Das war die Zeit, in der quasi das Licht im Kosmos eingeschaltet wurde. Oder anders gesagt: Es war der Höhepunkt der Sternentstehung im Universum. Es hat ja ein paar hundert Millionen Jahre gedauert, bis im jungen Universum aus den Wasserstoffwolken die ersten Sterne entstanden sind und die ersten Galaxien gebildet haben. Dann sind immer mehr und mehr Sterne entstanden, bis sich die Lage wieder ein bisschen beruhigt hat. Aber damals war der Kosmos voll mit jungen, heißen Sternen und was tun junge und heiße Sterne: Sie geben viel und vor allem viel Ultraviolett-Strahlung ab, was genau die Art von Strahlung ist, die Wasserstoffwolken dazu anregt, Lyman-Alpha-Strahlung zu emittieren. Es gibt auch noch andere Möglichkeiten, wie man den Wasserstoff anregen kann, aber dazu komme ich später noch. Auf jeden Fall ist es keine Überraschung, wenn wir vor allem dann viele Lyman-Alpha-Blobs sehen, wenn wir in eine Zeit zurück schauen, in der das Universum noch voll mit großen Wasserstoffwolken und heißen Sternen war.
Abgesehen davon gibt es noch sehr viel, was wir bei diesen Dingern nicht verstehen. Sie sind vermutlich ein wichtiger Schritt bei der Entstehung der ersten großen Galaxien. Wenn wir einen Lyman-Alpha-Blob sehen, dann sehen wir wahrscheinlich die frühe Phase einer Galaxie, wo das Wasserstoffgas in den riesigen Wolken gerade kühl genug geworden ist, um Sterne entstehen zu lassen. Das ist alles sehr interessant, aber in dieser Folge soll es ja um einen ganz speziellen Blob gehen. Man hat ihn bei Beobachtungen im Jahr 2007 entdeckt. Ein Team japanischer Forscherinnen und Forscher war auf der Suche nach Lyman-Alpha-Emittern im frühen Universum und hat dafür über 200 Kandidaten identifiziert und beobachtet. Einer dieser Kandidaten war extrem hell, zumindest verglichen mit den schwach leuchtenden Objekten deren Licht Milliarden Jahre bis zu uns gebraucht hat. Deswegen wollte man es zuerst gar nicht weiter analysieren, weil man davon ausgegangen ist, dass es sich um eine normale Galaxie handelt, die einfach zufällig im Vordergrund des Bilds liegt. Aber man hat das Licht dieses Objekts dann doch noch genauer angesehen und festgestellt, dass es genau die charakteristischen Eigenschaften von Licht zeigt, dass sehr, sehr lange durchs All unterwegs war. Es war kein nahes Vordergrundobjekt; ganz im Gegenteil! Es war ein Lyman-Alpha-Blob, aber einer, der extrem weit entfernt war beziehungsweise andersherum gesagt, extrem kurz nach dem Urknall existiert hat. Dieser Blob stammt aus einer Zeit, nur 800 Millionen Jahre nach dem Urknall, deutlich früher als all die anderen Blobs die man bis dahin beobachtet hat. Die Daten zeigen, dass dieser Blob auch erstaunlich groß sein muss, circa 55.000 Lichtjahre, was immerhin halb so groß wie unsere Milchstraße ist. Aus der Analyse des Lichts kann man auch ableiten, wie viele Sterne dort entstehen: Circa 34 pro Jahr, was deutlich mehr ist, als in unserer Gegenwart und eigenen Galaxie, wo es nur um die 5 Sterne pro Jahr sind. Wir sehen auch, dass das Gas sich dort sehr schnell bewegt, mit ein paar hundert Kilometer pro Sekunde - was immer auch dort passiert, passiert auf jeden Fall sehr dynamisch.
Auf jeden Fall ist dieses Objekt ein sehr spezielles Objekt. Es ist erstaunlich groß und aktiv für ein Objekt so früh im Universum. Es passt nicht so ganz zu den Modellen, mit denen man die Entstehung von Galaxien bis dahin beschrieben hat, dafür hätte es noch nicht so gewaltig sein dürfen. Aber warum ist das so und was passiert denn da jetzt genau? Das wissen wir nicht. Ich hab vorhin schon gesagt, dass es neben der Anregung durch junge, heiße Sterne auch noch mehr Möglichkeiten gibt. Es kann auch sein, dass sich in einer jungen Galaxie schon ein aktives Zentrum gebildet hat, als ein großes schwarzes Loch, um das jede Menge heißes Gas herumwirbelt und dieses wirbelnde Gas kann ebenfalls Strahlung aussenden, die eine Wasserstoffwolke dazu bringt, Lyman-Alpha-Strahlung auszusenden. In dem Fall hat man aber keine anderweitigen Hinweise auf die Existenz so eines aktiven Zentrums gefunden, die man eigentlich sehen hätte müssen. Das ist also eher unwahrscheinlich, aber vielleicht sind da auch zwei große Blobs, also zwei Galaxien in Entstehung miteinander kollidiert und verschmolzen, denn auch bei so einem Prozess kann Wasserstoffgas entsprechend angeregt werden. Das würde auch besser zu den Beobachtungsdaten passen und könnte uns mehr darüber verraten, wie wichtig solche Kollisionsprozesse im jungen Universum für die Entstehung von Galaxien waren. Und dann könnte auch die dunkle Materie eine Rolle spielen, also die Materie, von der wir wissen, dass sie da sein muss, aber nicht wissen, aus was sie besteht. Wir gehen davon aus, dass sich die Galaxien in den Zentren riesiger Wolken aus dunkler Materie gebildet haben, weil sich dort der ganze Wasserstoff angesammelt hat. Und während der Wasserstoff ins Zentrum der Wolke fällt, kann ebenfalls Lyman-Alpha-Strahlung abgegeben werden. Dann würden wir dort tatsächlich die erste Phase der Entstehung einer Galaxie beobachten. Oder wir sehen dort