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Tone Schunnesson – Reality, Reality

Tone Schunnesson – Reality, Reality

Update: 2024-11-26
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Description

Tone Schunnesson gilt als die neue Stimme des „Schmutzigen Realismus“. „Reality, Reality“ erschien 2020 im Original und ist der zweite Roman der schwedischen Autorin. Er erzählt in rauer, ungeschminkter Sprache den Alltag der Protagonistin Bibbs. Bibbs ist Reality-Star in Stockholm – oder wohl eher Reality-Sternchen, denn der Erfolg ist nicht mehr auf ihrer Seite. Sie ist Ende 30 und bekommt nur noch wenige und schlecht bezahlte Aufträge. 
Seit Bibbs kaum noch gebucht wird, kommt ihr Freund Baby für die Miete der gemeinsamen Wohnung auf. Die Beziehung der beiden: toxisch. Mehrfach trennen sie sich, raufen sich wieder zusammen und stellen fest, dass sie ohneeinander nicht können. Der Umgang miteinander eskaliert häufig. Auch kommt es zu sexueller Gewalt, was vor der Lektüre des Romans erwähnt sein sollte.  

Sehnsucht nach dem „glücklichen Sommer“ 


Als Baby sich endgültig von Bibbs trennt, dreht sich ihr Leben nur noch darum, an Geld zu kommen. Sie will die Wohnung übernehmen, muss Baby aber 100.000 Kronen überweisen, um den Vertrag auf sie umzuschreiben. Und natürlich auch die monatliche Miete aufbringen. Geld, das Bibbs nicht hat. Das Ersparte, von dem sie etwas vorgaukelt, gibt es auch nicht. Sie gibt stattdessen lieber Geld für ein Medium, Rubbellose und Kältetherapien zum Abnehmen aus.  
Während ihrer Streifzüge durch Stockholm, sehnt sich Bibbs in einen Sommer zurück, in dem sie für viel Geld wenig arbeiten musste, große Werbe-Aufträge an Land zog und haufenweise Kleidung von PR-Firmen zugeschickt bekommen hatte. 

Verzweifelte Suche nach Geld überschattet Moral 


In diesem Sommer ist die Verzweiflung, wieder an Geld zu kommen, so groß, dass sie Bibbs in unmoralisches Handeln treibt. Sie lügt Freunde an, behauptet, sie habe Baby verlassen und nicht umgekehrt. Sie tritt eine Welle der Unwahrheiten los und geht sogar so weit, öffentlich zu verbreiten, dass Baby sie vergewaltigt habe – was nicht stimmt. 

Was sollte ich denn sagen: dass er mich verlassen hatte, obwohl er kein Recht dazu hatte? Oder dass ich so wahnsinnig brillant war und diese Brillanz sich abnutzte, weil Baby sie abnutzte?

Quelle: Tone Schunnesson – Reality, Reality



Obwohl Schunnesson die Geschichte aus Bibbs’ Perspektive erzählt und Einblick in ihre Gedanken gibt, fällt es schwer, sie als Person zu greifen und ihr Verhalten nachzuvollziehen. Sie denkt und handelt oft widersprüchlich. Auch ihre Einstellung Baby gegenüber ändert sich permanent. Diese Gefühlsschwankungen können beim Lesen durchaus Anstrengung abverlangen.  

Nach Schönheit und Aufmerksamkeit strebende Protagonistin  


Schunnesson ist es gelungen, eine äußerst unsympathische Protagonistin zu erschaffen, die selten ehrlich ist. Ihr Leben dreht sich um Schönheit, Sex und Oberflächliches. Dass an der Ich-Erzählerin wenig Echtes zu finden ist, erzeugt insgesamt eine bedrückende Stimmung. Und trotzdem ist es genau diese unangenehme Figur, die uns mit ihrem unmoralischen Handeln fesselt und durch den Roman trägt. 

Kleine Lügen, dem Anschein nach unbedeutend, doch zusammengenommen legen sie sich zwischen den, der sie ausgesprochen hat, und die Welt. Man hat seine Ruhe, aber zu dem Preis, dass die Welt sich entfernt.

Quelle: Tone Schunnesson – Reality, Reality



Ganz selten lässt diese berechnende Protagonistin Momente der Einsamkeit und Verletzlichkeit hindurchschimmern. Die Frage, ob Bibbs im Laufe der Geschichte lernt, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und zu einem ehrlicheren Menschen wird, hält die Spannung bis zuletzt aufrecht.  
Die Handlung des Romans mag zunächst platt klingen – größtenteils ist sie das auch, von der Autorin aber sicherlich gewollt. Manche Szenen und Formulierungen sind zudem vulgärer als sie sein müssten. Doch die Autorin lässt uns mit Spannung, Komik und Empörung am Alltag ihrer erfolglosen Protagonistin teilhaben. In ihrem Roman „Reality, Reality“ kreiert Tone Schunnesson eine eigene Realität voller Erfolgswahn, Oberflächlichkeit und Lügenkonstrukten und trifft so den Nerv der Zeit.
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