#735 Art. 187 StPO: Form der Gutachten – Einblick in die forensische Begutachtung
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In dieser Folge tauchen die Strafverteidiger Duri Bonin und Gregor Münch tief ein in den Artikel 187 StPO – Form der Gutachten. Was auf den ersten Blick technisch klingt, entpuppt sich als Schlüssel zu einem der sensibelsten Bereiche des Strafverfahrens: der forensischen Begutachtung.
Duri eröffnet das Gespräch mit der zentralen Frage: Wie muss ein Gutachten abgegeben werden? Die Antwort scheint klar – schriftlich und unterschrieben. Doch genau darin liegt das Problem: Keine Tonaufnahmen, keine Protokolle, keine Nachvollziehbarkeit. Ein Gutachten ist damit eine Blackbox, in der sich Beweise, subjektive Einschätzungen und Macht über Menschenleben vermischen. Gregor und Duri diskutieren Schritt für Schritt, wie ein solches Gutachten aufgebaut ist – von der Auftragsdefinition über die Aktenauswertung bis zu den eigenen Untersuchungen. Sie erklären, was es bedeutet, wenn Gutachter „Fremdauskünfte“ einholen, etwa bei Angehörigen – ebenfalls ohne Kontrolle, ohne Transparenz.
Es geht dabei um mehr als Formalien. Es geht um rechtsstaatliche Kontrolle, Fairness und Verantwortung. Sie diskutieren die Frage, ob und wann es sinnvoll ist, Gutachter:innen vor Gericht zu befragen und ob Verteidiger:innen dies konsequenter tun sollten. Duri erzählt von seiner Erfahrung aus der Militärjustiz, wo das unmittelbare Verfahren ein tieferes Verständnis ermöglicht. Gregor hält dagegen: wenn man die Befragung verlangt, kann sie sich gegen den Klienten richten.
Das Gespräch wird hitziger. Sie sprechen über die methodischen Schwächen forensischer Verfahren, über Testpsychologie als moderne Kristallkugel und über das Risiko, dass Freiheitsentzüge auf wissenschaftlich fragwürdigen Grundlagen beruhen. Dabei bleibt die Folge immer nah an der Praxis: Wie liest man ein Gutachten richtig? Warum sollte man es immer ganz lesen und nicht nur den Schlussteil mit der Diagnose und den Empfehlungen? Welche Anhaltspunkte deuten auf ungenügende wissenschaftliche Methodik hin? Und weshalb braucht es dringend Weiterbildung für Verteidiger:innen, um Gutachten wirklich kritisch einordnen zu können?
Zum Schluss empfiehlt Duri das Standardwerk Strafrecht | Psychiatrie | Psychologie von Thierry Urwyler, Jérôme Endras, Henning Hachtel und Marc Graf als unverzichtbares Fundament für alle, die sich im forensischen Grenzbereich zwischen Recht und Psychiatrie bewegen.
Diese Folge ist ein Muss für alle, die verstehen wollen, wie aus einer Einschätzung ein Urteil werden kann und wo im Strafprozess die grössten blinden Flecken liegen. Eine Folge über die Grenzen des Wissens, die Macht der Sprache und die Verantwortung im Umgang mit Gutachten.
Bei einem Freispruchbier kam die Idee auf, die Strafprozessordnung Artikel für Artikel zu besprechen: Deshalb treffen sich Duri Bonin und Gregor Münch freitags in den "Heiligen Stunden" des 5-Uhr-Clubs und diskutieren einen Artikel der Strafprozessordnung. Wann ist Aussageverweigerung sinnvoll? Warum braucht es Teilnahmerechte? Wie läuft eine Einvernahme ab und wie ist die Atmosphäre im Vernehmungszimmer? Wann finden die meisten Verhaftungen statt? Diesen und weiteren Fragen gehen Duri und Gregi in diesem Podcast nach.
Links zu diesem Podcast:
- Art. 187 StPO – Form des Gutachtens
- Anwaltskanzlei von Duri Bonin
- Anwaltskanzlei von Gregor Münch
- Titelbild bydanay
- Das Buch zum Podcast: In schwierigem Gelände — Gespräche über Strafverfolgung, Strafverteidigung & Urteilsfindung
Die Podcasts "Auf dem Weg als Anwält:in" sind unter https://www.duribonin.ch/podcast/ oder auf allen üblichen Plattformen zu hören 🎧. Dort einfach nach 'Duri Bonin' suchen und abonnieren.