Angeklagt und freigesprochen
Description
1. Historische Situation und Auftrag der Propheten
Sacharja – ein Prophet des alten Israel im ausgehenden 6. Jh. v. Chr. Es ist die Zeit nach der Rückkehr des jüdischen Volkes aus der Babylonischen Gefangenschaft. Jerusalem und der Tempel müssen wieder aufgebaut werden. Das ist eine Herkulesaufgabe, und so gerät der Wiederaufbau ins Stocken. In dieser Situation kommt es den Propheten Haggai und Sacharja zu, das Volk durch Gottes Zuspruch zum Weiterbau zu ermutigen.
Sacharja ruft das Volk zur Umkehr von den gottlosen Wegen ihrer Väter auf und macht ihnen Hoffnung durch verschiedene Visionen, die ihm Gottes Willen zeigen. Die erste Vision spricht davon, dass Gott sich seinem aus der Verbannung zurückgekehrten Volk wieder zuwendet. In der zweiten Vision werden die Reiche der Fremdherrscher über Israel zerschlagen. Die dritte Vision zeigt die Vermessung Jerusalems zum Wiederaufbau. Die Stadt und der Tempel werden wieder errichtet, und Gott wird wieder bei seinem Volk wohnen. Schritt für Schritt wendet sich das Leben des Volkes zum Guten.
2. Die vierte Vision: Gericht und Gnade
Zum Wohlergehen des Volkes gehört aber nicht nur der äußere Wiederaufbau des Lebensraumes, sondern auch die innere Wiederherstellung des Gottesvolkes. Und darum geht es in der vierten Vision, die wir heute betrachten. Sie malt uns eine Gerichtsszene vor Augen. Hauptakteure sind Gott als Richter, Satan als Ankläger und der Hohepriester Jeschua als Angeklagter. Jeschua ist in der ganzen Szene völlig passiv. Zunächst steht Satan rechts neben ihm, um ihn zu verklagen. Gott aber geht nicht auf die Anklagepunkte ein. Sie haben zwar ihre Berechtigung, wie es die Erscheinung Jeschuas in unreinen Kleidern andeutet, doch weist Gott sie zurück und wendet sich streng gegen Satan und seine Anklage.
Gott spricht Jeschua frei, und zwar nicht, weil er unschuldig ist, sondern weil Gott sich Jerusalem und das Volk Israel, für das Jeschua als Priester steht, erwählt hat. Allein aus Gnade werden er und das Volk gerettet. Sie sind wie ein schon angebrannter Holzscheit, der in letzter Minute aus dem Feuer gezogen wird.
Nun richtet sich die Aufmerksamkeit auf Jeschua. Ihm werden die unreinen Kleider abgenommen und reine Kleider angezogen. Es ist eine Zeichenhandlung: Seine Sünden werden von ihm genommen. Er ist gerechtfertigt. Dann bekommt er ein Kopfband aufgesetzt, wie es israelitische Priester tragen. Es trägt die Aufschrift „Heilig dem HERRN“ (2. Mose 28,36). Damit wird Jeschua von Gott als Hoherpriester bestätigt und in Dienst genommen. Er soll im Gehorsam nach Gottes Willen handeln, Recht sprechen und im Tempel für Ordnung sorgen und bekommt direkten Zugang zu Gott, wie ihn die Engel haben, die um ihn stehen und Gottes Willen ausführen.
3. Die Ankündigung des Messias
Nachdem Jeschua als Hoherpriester bestätigt ist, gibt Gott ihm eine Botschaft mit für sich, seine Priesterkollegen und letztlich das ganze Volk. Wie wichtig diese Botschaft ist, wird durch ein betontes „Höre!“ und „Siehe!“ markiert. Es geht um nichts Geringeres als die Ankündigung des Messias, der mit drei Bezeichnungen benannt wird: als Knecht, als Spross und als Stein.
Alle diese Bezeichnungen für den Messias sind bekannt. Vom Knecht Gottes spricht vor allem Jesaja (z. B. Jesaja 42,1) und weist auf seinen Gehorsam und seine Erniedrigung hin. Der Spross hat nach Jeremias Verheißung (Jeremia 23,5; Jeremia 33,15) seine Wurzeln in der Dynastie Davids und wird als gerechter König beschrieben, der seinem Volk Wohlergehen bringt. Und der Stein ist schon im Psalm, bei Jesaja und bei Daniel beschrieben als der verworfene Stein, der Stein des Anstoßes, der bewährte Stein, der zermalmende Stein und der Eckstein (Psalm 118,22–23; Jesaja 8,14f; Jesaja 28,16; Daniel 2,35.45). Mit dem Stein, der in Sacharjas Vision sieben Augen zeigt und vor Jeschua gelegt wird, bestätigt Gott seine unbedingte Gegenwart. Er ist mit ihm. Was hier mit dem Stein mit sieben Augen bildlich gezeigt wird, drückt der Prophet Jesaja mit dem Namen Immanuel aus: Gott ist mit uns (Jesaja 7,14).
Für diesen Messias sollen Jeschua, die Priester und das ganze Volk als priesterliches Volk (2. Mose 19,6) zeugen. Sie sind so etwas wie ein Vorbild, ein Vorschatten auf den Messias. So wie Jeschua ohne sein Zutun aus Gnade gerechtgesprochen ist, wie das Volk ohne sein Zutun aus Gnade befreit ist, so wird der Messias die Sünde der Menschen aus Gnade hinwegnehmen – an einem einzigen Tag. Dann werden sie einander einladen in die Gegenwart Gottes und zu einem Leben in einer Welt, wie sie Gott im Paradies erschaffen hatte.
4. Bedeutung für Israel damals und für Christen heute
Eine großartige Vision, die Sacharja hat. In einer beschwerlichen und zermürbenden Situation leuchtet Hoffnung auf – Hoffnung auf Rettung, Hoffnung auf ein befreites Leben in einer besseren Welt. Vertröstung? Vielleicht mag man es so empfinden. Die Menschen damals aber haben die Vision verstanden. Sie hat den Blick weggelenkt von den Trümmerhaufen, in denen sie immer noch lebten, weg von der Schwerstarbeit des Wiederaufbaus, die sie müde gemacht hatte, hin auf ein Ziel, ein besseres Leben und Wohlergehen in einer Welt, die nicht von Last und Mühe und Zerschlagenheit geprägt ist. Hoffnung ist ein Motor, und so war das Volk dann auch in der Lage, Jerusalem und den Tempel wieder aufzubauen.
Was fangen wir Christen aber nun mit dieser alten Vision an? War sie nicht dem nachexilischen Israel gewidmet? Hat sie überhaupt noch etwas mit uns zu tun? Die Propheten des Alten Testaments sprachen ihr Volk in ganz konkreten Situationen an. Sie verkündeten Gottes Willen, wiesen auf Missstände hin und ermutigten zu neuer Hinwendung zu Gott. Ihr Wort an Menschen vergangener Zeiten kann mich aber auch heute noch treffen. Ich finde mich wieder in ihren Nöten, ihren Sünden, ihren Leiden und Hoffnungen. Ihr Leben bildet mein Leben in einer gezeichneten Welt ab; ihre Hoffnungen auf eine bessere Welt sind meine Hoffnungen.
Wenn ich als Christin die Vision Sacharjas lese, erkenne ich schnell ihre Erfüllung in Jesus Christus. Er ist der Spross aus Davids Stamm und „nahm Knechtsgestalt an … und erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode … am Kreuz“ (Philipper 2,7f). Er ist der „Stein, den die Bauleute verworfen haben“ (Lukas 20,17f) und ist zum Eckstein der Gemeinde geworden (Epheser 2,20). Wir Christen glauben also an den, der dem alten Israel verheißen war. Und wir leben in der gleichen Hoffnung. Israel lebte in einer „schon jetzt und noch nicht“-Situation. Sie waren aus Gnade gerechtgesprochen und lebten in der Hoffnung auf den rettenden Messias und ein Leben in einer besseren Welt. Genauso leben auch wir in einer „schon jetzt und noch nicht“-Situation. Wir sind durch Jesu Tod und Auferstehung aus Gnade gerechtgesprochen und leben in der Hoffnung auf die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus und ein Leben in einer besseren Welt. Nehmen wir diese Hoffnung als Motor für unser jetziges Leben unter mancherlei Widrigkeiten!
Autor: Ute Cron-Böngeler
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