Helfen und sich helfen lassen - Gar nicht so einfach! - radioWissen
Description
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Das wissen wir alle. Wir sind aufeinander angewiesen und füreinander da. Wir sind bereit zu helfen. Aber oft tun wir uns schwer damit uns helfen zu lassen. Warum ist das so? Von Andreas Hauber
Credits
Autor dieser Folge: Andreas Hauber
Regie: Martin Trauner
Es sprachen: Susanne Schroeder, Thomas Birnstiel
Technik: Christiane Gerheuser-Kamp
Redaktion: Bernhard Kastner
Im Interview:
Prof. Dr. Jeanine Grütter, Psychologin, München;
Michael Brugger, Theologe, Klinikseelsorger, Klinikum St. Georg, Leipzig
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ZUM PODCAST
Literaturtipps:
Schmidbauer, Wolfgang: Hilflose Helfer – über die seelische Problematik der helfenden Berufe, Rowolth Verlag, 22. Auflage, 1992.
Parianen, Franca: Teilen und Haben – Warum wir zusammenhalten müsse, aber nicht wollen, Dudenverlag 2021.
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
MUSIK: „Help“ (Z935712#001) 0:30
Help – I need somebody
Help – Not just anybody
Help – You know I need someone
- Heeeelp-
Jetzt ausblenden (when I was younger, so much ….)
MUSIK: „Piano 4“ 0:30
Sprecherin
Er ist wohl einer der bekanntesten Hilferufe überhaupt. Leidenschaftlich fordert John Lennon in dem Beatles-Song „Help“ Hilfe ein. Sein Leben hat sich verändert, er ist nicht mehr so selbstsicher, er kommt nicht mehr alleine klar. Er braucht jemanden, um wieder Boden unter die Füße zu bekommen.
MUSIK: „Help“ 0:20
won`t you please, please help me…“
Sprecher
„Bitte hilf mir!“ Wenn uns jemand so bittet, ist die Sache klar. In den allermeisten Fällen helfen wir, wenn uns in unserem persönlichen Umfeld jemand direkt um Hilfe bittet.
Sprecherin
Denn wir sind soziale Wesen. Wir leben in Gemeinschaften, sind aufeinander angewiesen und sind bereit einander zu helfen. Helfen macht uns sogar glücklich.
MUSIK: „Piano 1“ 0:30
Sprecherin
Aber …. lassen wir uns auch gerne helfen? Ist es für uns auch ganz selbstverständlich, Hilfe anzunehmen?
Sprecher:
Schauen wir etwas genauer darauf, was es mit dem Helfen auf sich hat…. Und fangen wir ganz vorne an: Was ist Hilfe eigentlich?
01 Zsp Helfen-lassen Brugger
Ich würde sagen: Grundsätzlich bei dem Thema Hilfe ist eine Notlage oder ein Mangel, der beseitigt werden soll. Es geht dann um eine Beziehung zwischen zwei Menschen, Menschengruppen, Menschen – Tieren, wo die eine Seite versucht, der andern Seite (versucht) aus diesem Mangel herauszuhelfen. ((Also den ein Stückweit zu beseitigen oder abzuschwächen.))
Sprecherin
Sagt Michael Brugger, Theologe und Klinikseelsorger am Klinikum der Stankt Georg in Leipzig.
Sprecher:
Zunächst erscheint es also ganz einfach. Jemand will durch sein Tun bewirken, dass es jemand anderem besser geht. Wir alle kennen den Begriff „Hilfe“ und gehen täglich mit ihm um. Allerdings wird es recht schnell kompliziert, wie Professorin Jeanine Grütter von der LMU München betont:
02 Zsp Helfen-lassen Grütter
(…) und es ist ein riesiger Begriff, es gehört ganz viel dazu und es gibt verschiedene, ganz viele verschiedene Arten von Hilfen. Es gibt verschiedene Kontexte von Hilfen und es kann natürlich auch je nach Kontext unterschiedlich sein, was jetzt wirklich als Hilfe bezeichnet wird oder auch erwartet wird und … - Ja, genau - und auch vielleicht wie lange es dauert, oder was die Motivationen sind.
MUSIK: „Piano 1“ 0:30
Sprecherin:
Das Wort selbst bereitet keine großen Schwierigkeiten. Wenn man über Hilfe nachdenkt, scheinen vielmehr die Strukturen, in denen sie stattfindet, bedeutsam zu sein: Wie ist die Beziehung zwischen dem Helfenden und der Person, die Hilfe empfängt? Wie ist die Atmosphäre, in der das geschieht? Was sind die Motivationen, aus denen heraus wir helfen?
Sprecher:
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es verschiedene Arten von Hilfe gibt. Wenn es um eine akute Notsituation geht, wenn jemand auf der Straße einen Herzinfarkt erleidet, es darum geht schnell und wirkungsvoll zu helfen, ist die Hilfsbereitschaft groß.
Auch wenn jemand von Geburt an oder als Folge eines Unfalls oder einer Krankheit nicht in der Lage ist sein Leben frei und eigenständig zu leben, sind meistens Menschen bereit zu helfen.
03 Zsp Helfen-lassen Grütter
Notsituationen werden auch anders wahrgenommen. Da gibt es viel Forschungen dazu, die zeigen, dass Leute dann, wenn es wirklich eine klare Notsituation ist, dass die dann helfen …
Sprecherin
Wenn es wirklich darauf ankommt, sind wir da.
04 Zsp Helfen-lassen Grütter
(...) sobald es ein bisschen schwammig ist, ob es wirklich eine Notsituation ist, oder wenn auch noch viele andere Leute da sind - das kann sogar auch eher hemmen, dass man dann hilft.
Sprecher
Wenn die Not nicht so deutlich erkennbar ist, wird es schon schwieriger. Hilfsbedürftigkeit ist oft nicht so sichtbar, manchmal ist Hilfe langwierig und anstrengend. Oft ist es nicht eindeutig, wie man helfen kann.
05 Zsp Helfen-lassen Grütter
Also man kann jemanden materiell unterstützen. Man kann praktisch helfen, finanziell unterstützen. Ganz häufig geht es auch um informelle Unterstützung, also dass man auch Wissen weitergibt, dass man irgendwie ein Netzwerk vielleicht auch eröffnet. Und was wir ganz häufig vergessen, ist die emotionale Hilfe und Unterstützung, also dass man zuhört, vielleicht auch Trost spendet, Leute ermutigt. Das kann einen riesigen Unterschied machen, auch für die Person.
MUSIK: „Piano 3“ 0:22
Sprecherin
Hilfe ist sehr facettenreich. Man könnte aber vereinfachend sagen: Es gibt konkrete Situationen, in denen recht schnell und präzise etwas getan werden kann und es gibt langwierige, begleitende Hilfe, bei der die Bedürfnisse in einem längeren Prozess erst sichtbar gemacht werden müssen. Und gerade in solchen unscharfen Situationen, kommt es sehr stark auf die Beziehung zwischen den Akteuren an.
06 Zsp Helfen-lassen Brugger
Hilfsbeziehungen sind dabei immer asymmetrisch und ich glaube, das macht sie auch im Grunde problematisch: In einer Hilfsbeziehung ist immer eine gewisse Schieflage drin (…)
Sprecher
Eine Schieflage …. ein Gefälle. Die Person, die hilft ist in einer stärkeren Position. Sie ist ja die (Person), die aktiv werden kann und die gebraucht wird. Die Person, die auf Hilfe angewiesen ist, steht nicht so gut da. Aber natürlich gibt es auch hier Abstufungen.
Sprecherin
In Familien mit kleinen Kindern gibt es beispielsweise oft ein starkes Machtgefälle, aber ein Kleinkind ist natürlich auch sehr auf die Unterstützung der Eltern angewiesen.
07 Zsp Helfen-lassen Grütter
(...) Wenn wir an Freundschaften denken, dann haben wir auch einen anderen Kontext, dann ist jemand uns nahe. Dann sind wir schon in einem reziproken Verhältnis und dann weiß man zum Beispiel: es ist ein Geben und Nehmen. Also dann hat man hier nicht so diese, diese Abhängigkeiten oder Machtsituationen - aber das gibt es natürlich schon auch und dann ist es eher schwieriger, wenn man in so einem Machtgefälle ist. Zum einen geben Leute vielleicht auch Hilfe, um ihre Macht weiter auszubauen, das gibt es auch, das wird auch unterschieden.
Sprecherin
Die Schieflage ist grundsätzlich da. Aber es kommt darauf an, wie damit umgegangen wird. Wenn Menschen eine enge Beziehung zueinander haben und - das ist ganz wichtig - sich vertrauen, ist die Schieflage nicht so groß und nicht so problematisch. Auch wenn untereinander klar ist, dass die Hilfe Element eines reziproken Gefüges ist, also nicht einseitig, sondern wechselseitig funktioniert. Nach dem Motto: Ich helfe Dir und weiß gleichzeitig, dass Du mir auch hilfst, wenn es nötig wird.
Sprecher
Gefährlich wird es, wenn das Gefälle zu stark wird. Denn Menschen haben die verschiedensten Motive, um zu helfen. Die hängen stark von der jeweilig