Hexenjagd und Weingenuss
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Wenn Christen andere Christen bekämpfen, ist das vor allem eine Frage der Wahrnehmung. Was sehen sie im anderen? Was finden sie so schlimm, dass ihnen friedliche Koexistenz nicht möglich erscheint, sondern gewarnt und ablehnend Stellung bezogen werden muss. Damit sind wir beim Thema der „Geistlichen Unterscheidung“. Sie – und das mit ihr verbundene Charisma (1. Korinther 12,10) – hat in der Geschichte des Christentums eine wechselhafte Rolle gespielt. Zu manchen Zeiten und bisweilen auch heute war und ist sie ein Kampfbegriff. Christen verstehen dann darunter vor allem einen Fahndungsauftrag. Es gilt, Ketzer zu entlarven und den Bösen bzw. das Böse überall dort aufzuspüren, wo es sich versteckt hält. Nun ist es in der Tat so, dass die geistliche Unterscheidung auch zum Immunsystem des Leibes Christi gehört, durch die er sich vor wesensfremden Elemente schützt. Die meisten ihrer Funktionen liegen aber nicht hier. Die Discretio – so nannte man sie früher – befähigt uns, (1) das Gute auch da zu entdecken, wo wir es nicht erwartet hätten, (2) mit uns selbst und anderen gut umzugehen und (3) von der Bibel einen solchen Gebrauch zu machen, dass uns nicht ihr Buchstabe die Luft abschnürt, sondern ihr Geist uns Leben einhaucht.