Keimwahn | Ist das Keimen in der veganen Ernährung notwendig?
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Mittlerweile macht sich ein neues Superfood in den Verkaufsregalen sichtbar, das wir sogar auch ganz einfach zuhause herstellen können: Sprossen und Keimlinge. Noch vor wenigen Jahren bzw. Jahrzehnten war der Prozess des Keimens und das Ziehen von Sprossen Anhängern der Vollwertküche und Naturverfechtern vorbehalten. Die kleinen, nährstoffreichen Kraftpakete werden nun aber immer mehr in Szene gesetzt und uns wird nahezu vermittelt, dass sie für eine ausgewogene Ernährung unabdingbar sind. Der Keimvorgang bringt eine Handvoll wesentlicher Vorteile mit sich, die bei bestimmten Ernährungsweisen günstige Auswirkungen haben können. Wir wollen uns in diesem Artikel genauer mit Sprossen und Keimlingen befassen und der Frage nachgehen, ob sie ein essentieller Bestandteil in unserer Ernährung sein müssen.
Sprossen und Keimlinge
Die meisten Menschen, insbesondere Veganer, sind inzwischen mit dem Begriff der Sprossen und Keimlinge vertraut oder integrieren die nährstoffreichen Pflänzchen bereits regelmäßig in ihren Speiseplan. Zur allgemeinen Verständlichkeit wollen wir uns den botanischen Werdegang der Pflänzchen aber nochmals genauer ansehen.
Begriffsbezeichnungen

Ein Keim befindet sich im Samenkorn und enthält die komplette Ausstattung für eine daraus entstehende Pflanze. Man könnte ihn daher auch als den Embryo der Pflanze bezeichnen. Ein Samen enthält neben dem Keim noch den Mehlkörper, welcher den Keim mit Nährstoffen versorgt. Als Keimling bezeichnet man das junge Pflänzchen, das aus dem Samen schlüpft und nach späterer Reifung die komplette Pflanze umfasst. Sprossen sind wiederum nur jene Teile des Keimlings, die sich über der Erdoberfläche befinden. Dazu zählen Stängel und die daraus entstehenden Blätter, jedoch nicht die Wurzeln. Allerdings werden Sprossen umgangssprachlich oftmals mit dem gesamten Keimling gleichgesetzt bzw. die Begriffsbezeichnung synonym verwendet.
Eine Erweiterung des Pflänzchens stellt das Grünkraut dar, bei dem die Stängel der Pflanzen vertikal und sehr geordnet nach oben hin wachsen, wobei sich auch schon grüne Blättchen erkennen lassen. Auch die Wurzeln haben sich in diesem Wachstumsstadium bereits ausgebildet, werden aber in der Regel nicht mitverzehrt. Ein bekannter Vertreter des Grünkrauts ist beispielsweise die Gartenkresse.
Keimen selbst und leicht gemacht
Um Sprossen bzw. Keimlinge zuhause selber herzustellen, bedarf es prinzipiell keiner speziellen oder teuren Gerätschaft. Ein einfaches Küchensieb oder eine Glasschüssel sind bereits völlig ausreichend. Aber natürlich kann man sich bei regelmäßigem Keimen auch ein dafür vorgesehenes Keimglas zulegen, welches man schon sehr preiswert im Bioladen oder Reformhaus erhält.
Sorten und der Keimprozess

Sowohl Getreidesorten, wie Weizen, Roggen, Dinkel als auch Pseudogetreide, worunter man Quinoa oder Buchweizen zählt, lassen sich ganz einfach keimen. Ganz wichtig ist es, die Hygiene zu beachten, da die Frischkost sehr empfindlich auf Verderb reagiert.
Man beginnt mit dem Einweichen des Getreides, wobei die einzelnen Sorten auch unterschiedliche Einweichzeiten benötigen. Getreide am besten über Nacht im Wasser stehen lassen, Pseudogetreide nur eine halbe bis ganze Stunde. Im Anschluss wird das Wasser ausgegossen, die Körner abgespült und ein bis drei Tage stehen gelassen, wobei man alle 12 Stunden nachspülen sollte. Die Resultate, die wir nun als Keimlinge bezeichnen, passen hervorragend zu Salaten, können im Müsli, mit herzhaften Dips oder als Suppeneinlage verwendet werden. Gekeimte Hülsenfrüchten sind eher für warme Gerichte zu empfehlen, da sie vor dem Verzehr aufgrund ihrer gesundheitsschädlichen Substanzen noch kurzzeitig erhitzt werden sollten. Der Keimprozess baut diese Stoffe bereits zu einem wesentlichen Teil ab, jedoch sollte man der Sicherheit wegen noch die Erhitzung durchführen.
Außerdem gibt es eine Reihe an Gemüsesorten und Kräutern, deren Sprossen zum Verzehr geeignet sind. Dazu zählt man z.B. Bockshornklee, Brokkoli, Kresse, Senf oder Rettich.
Ernährungsphysiologische Bedeutung
Sprossen können die Ernährung optimal ergänzen und bringen Abwechslung in den Alltag. Insbesondere in den Wintermonaten, wenn das regionale Gemüseangebot auf Wurzel- und Kohlsorten beschränkt ist, können die frischen Pflänzchen unseren Speiseplan erweitern. Denn die trockenen Samen verderben nicht so schnell, sind somit für eine dauerhafte Lagerung problemlos geeignet und können bei Bedarf zu den wertvollen Sprossen und Keimlingen herangezüchtet werden.
Wertgebende Inhaltsstoffe

Hinsichtlich der Nährstoffe sind Sprossen besonders reich an
Protein, sie enthalten für unseren Organismus essentielle Aminosäuren, was in der veganen und insbesondere in der rohveganen Ernährung eine vorteilhafte Rolle spielen kann. Alfalfa-Sprossen enthalten 4 g Eiweiß auf 100 g Lebensmittel, gekeimte Kichererbsen 5,1 g/100 g, was den gekochten Kichererbsen mit 7 g/100 g nur geringfügig nachsteht (BLS). Aber auch Vitamine der B-Gruppe, darunter
Riboflavin, kommen in den jungen Pflänzchen konzentriert vor, was unserem Nerven- und Muskelsystem zu Gute kommt. Des Weiteren steckt eine Vielzahl an Mineralstoffen, wie
Eisen und
Zink in Sprossen und Keimlingen, weshalb sie uns als rundum Nährstoffquelle dienen können. Ebenso profitabel für unsere Gesundheit sind die sekundären Pflanzenstoffe aus den jungen Pflänzchen, darunter Carotinoide, Flavonoide und Polyphenole. Diese Stoffgruppe, die wir ausschließlich in Pflanzen finden, zeigt eine Vielzahl gesundheitsfördernder Wirkungen, wie z.B. ihre krebs- oder entzündungshemmenden Eigenschaften zeigen (DGE, 2015).
All diese uns nährenden Substanzen sind in der jungen Pflanze stark verdichtet vorhanden, weshalb ihnen die Bezeichnung des Kraftpakets oder auch Superfood zugeschrieben wird.
Das Keimen von Getreide konserviert nicht nur die darin enthaltenen Nährstoffe, sondern verdichtet sie teilweise. Zudem führt der Keimprozess zum Aufschluss komplexer Kohlenhydrate, was die Bekömmlichkeit erhöht. So wird die im rohen Zustand schwer verdauliche Stärke zu kurzkettigeren Kohlenhydraten abgebaut (Fromme, 2004).
Potentiell ungünstige Substanzen

Zum anderen enthalten einige Pflanzen, insbesondere in rohem Zustand, auch sekundäre Pflanzenstoffe, die bei großzügiger Zufuhr eher ungünstige Effekte auf unsere Gesundheit und die Verdauung haben können. Dazu zählen unter anderem die Phytinsäure sowie Protease-Inhibitoren aus Getreide und Hülsenfrüchten, oder Alkaloide aus der Lupine und der Sojabohne. Diese anti-nutritiven Substanzen können die Nährstoffaufnahme im Darm hemmen, teilweise starke Verdauungsbeschwerden hervorrufen oder gar die Darmschleimhaut schädigen. In geringem Ausmaß können sich einige dieser Stoffe jedoch auch gesundheitsfördernd auswirken, beispielsweise ihr antikanzerogenes (krebshemmendes) Potential entfalten (von Koerber et al., 2012). Beim Keimprozess werden diese unerwünschten Stoffe maßgeblich abgebaut, allerdings sollten gewisse Hülsenfrüchte oder Gemüsesorten trotzdem vor dem Verzehr noch kurzzeitig erhitzt werden. Zum Beispiel Sprossen der Sojabohne oder von Nachtschattengewächsen, wie der Tomate, Paprika oder Aubergine.
Keimen in der veganen Ernährung
Sprossen und Keimlinge sind aktuell ein gehyptes Superfood, das man sogar selber ganz einfach zuhause herstellen kann. Die kleinen Kraftpakete besitzen aus ernährungswiss



