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Kultur des Todes - Geschichte des Friedhofs

Kultur des Todes - Geschichte des Friedhofs

Update: 2024-11-13
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Description

Grabstätten gehören zu den ältesten Zeugen menschlicher Zivilisation: Von Gräberfeldern und Nekropolen entwickelten sie sich mit der Christianisierung zum Friedhof. Dieser Ort des Gedenkens wandelt sich heute mehr und mehr zu einem Schauplatz, der das menschliche Streben nach Individualität widerspiegelt. Von Frank Halbach

Credits
Autor dieser Folge: Frank Halbach
Regie: Frank Halbach
Es sprachen: Ditte Ferrigan, Stefan Wilkening, Ines Hollinger
Technik: Daniela Röder
Redaktion: Thomas Morawetz


Im Interview:


Dr. Thorsten Benkel und Matthias Meitzler (Soziologen und Thanatologen), Universität Passau
Prof. Dr. Dr. Ina Wunn, Religionswissenschaftlerin und Biologin



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Literatur:


Thorsten Benkel, Matthias Meitzler: Körper - Kultur - Konflikt: Studien zur Thanatosoziologie (Thanatologische Studien - Thanatological Studies). Baden-Baden 2021.



Thorsten Benkel, Matthias Meitzler Gestatten Sie, dass ich liegen bleibe. Ungewöhnliche Grabsteine. Eine Reise über die Friedhöfe von heute. Köln 2014.


Thorsten Benkel, Matthias Meitzler: Game Over. Neue ungewöhnliche Grabsteine. Köln 2016. 


Ina Wunn , Patrick Urban , et al.: Götter - Gene - Genesis: Die Biologie der Religionsentstehung. Heidelberg 2015.



Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.


Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.


Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:


ZITATORIN



Noch niemals hat mich so wie heut


Des Todes Poesie gerührt,


Da mich mein Pfad beim Nachtgeläut


Zum engen Friedhofstor geführt.


SPRECHER


Ein Raum für ungestörtes Totengedenken: der Friedhof.


ZITATORIN


Wie liegen sie so still und traut,


Umglüht vom gleichen Abendschein,


Vom gleichen Lenzduft übertaut,


Die blumenbunten Gräberreih’n,


SPRECHER


Dichtet Frida Schanz, eine der beliebtesten Kinder- und Jugendbuchautorinnen vor dem Ersten Weltkrieg, über den Friedhof, einen von den Lebenden abgegrenzten Ort.


MUSIK ENDE


O-Ton 2 Meitzler (16:58 )


Dieses Image als düsterer, weltvergessener Ort…


SPRECHERIN


Der Totenacker, das Gräberfeld, die Gruft, das Mausoleum, die letzte Ruhestätte…


SPRECHER


Ein Ort des Gedenkens, der Einkehr und der Trauer.


O-Ton 3 Meitzler (13:13 )


Friedhof ist eben nicht nur der Ort, der Trauer und der Melancholie, sondern es kann auch durchaus ein sehr lebendiger Ort sein, den man auch zu ganz anderen Zwecken aufsuchen kann.


SPRECHERIN


Ein heiliger Ort


O-Ton 4  Benkel (03:11


Friedhöfe haben eine ganz klassisch profane Funktion, sie sind Speicherstätten für tote Körper. Die müssen ja irgendwohin. (…) 03:32 Ganz profan pragmatisch. Wird dann natürlich mehr oder minder intensiv, je nachdem, wo man ist, durch Ritualität, Zeremonien und so weiter aufgewertet. Wobei das heutzutage nicht mehr so eine große Rolle spielt.


SPRECHER


Dr. Thorsten Benkel. Er und sein Kollege Matthias Meitzler, beide am Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Passau, sind Thantologen.


SPRECHERIN


Sie forschen zu den Themenfeldern Sterben, Tod und Trauer. Matthias Meitzler:


O-Ton 5 Meitzler (01:24 )


Im Prinzip sämtliche Facetten dieser ganz großen Thematik. Das geht los beim Sterben. Das führt zu der Frage: Was passiert eigentlich mit einem toten Körper? Wie wird heutzutage bestattet? Wie sind Gräber gestaltet? Und was kann man denn ganz allgemein sagen: Wie hat sich das Verhältnis zu Sterben, Tod und Trauer verändert? Das ist so ein Forschungsschwerpunkt von mehreren, und den bearbeiten wir seit einiger Zeit sehr intensiv.


MUSIK 2 ; ZEIT: 00:25


SPRECHERIN


Grab- und Kultstätten sind gehören zu den ältesten Zeugnissen menschlicher Zivilisation. 


SPRECHER


Schon seit der frühen Steinzeit bestatten Menschen ihre Toten. In der frühesten Epoche der Menschheitsgeschichte entstehen verschiedene Vorstellungen vom Weiterleben nach dem Tod und Ahnenkult.


MUSIK ENDE


O-Ton 6 Wunn (01.37)


Am Anfang war der Tod.


SPRECHERIN


Sagt Dr. Dr. Ina Wunn, Biologin und Professorin für Religionswissenschaft.


SPRECHER


Archäologischen Funde früher Bestattungen, in Form demonstrativer Gräber, gelten gemeinhin als Beweisstücke für die ersten menschlichen Vorstellungen vom „Übersinnlichen“.


SPRECHERIN


Dabei haben sie zunächst einen ganz diesseitigen praktischen Zweck:


O-Ton 7 Wunn (02.18)


Wenn man das Ganze aber aus einer biologischen Warte betrachtet oder auch aus einer ethnologischen Warte, dann wird man feststellen: Diese demonstrativen Grabstätten gibt es immer da, wo Territorien markiert werden. Also da, wo Völker leben, oder Stämme leben, oder Gruppen leben, die Jäger sind und Sammler und die auf ein großes Territorium angewiesen sind. Und die markieren mit den Begräbnissen einfach das Land, was sie für sich zum Jagen und zum Sammeln beanspruchen. Und genau so haben das bereits vor 90.000 Jahren die ersten Bewohner Europas gemacht. Haben also einfach ihre Toten bestattet, haben unter Umständen den Schädel, den sie vorher schön säuberlich bearbeitet hatten, also alles Fleischige davon entfernt, haben sie auf die Begräbnisstätte gelegt, um deutlich zu machen, hier sind wir schon, dieses Land haben wir von unseren Vätern und Großvätern ererbt, das ist unseres.


ZITATORIN


Die erste Haltestelle im Jenseits. 


SPRECHERIN


Zunächst einfach eine Grenzmarkierung.


MUSIK privat Take 003 „Ancient Mystery“; Album: Ancient Atmospheres; Label: 2011 Network Music; Interpret: Network Music Ensemble; Komponist; Network Music Ensemble; ZEIT: 01:50


SPRECHER


Mit der Entfaltung der ersten Hochkulturen entwickelte sich ein regelrechtes Bestattungswesen.


ZITATORIN


Die Geheimnisse der Unterwelt, die Initiation in die Mysterien des Totenreichs, Berge aufzubrechen und Täler aufzuschließen, Geheimnisse, die niemand kennt zur Behandlung des Verstorbenen… 


SPRECHER


Heißt es im ägyptischen Totenbuch, entstanden um 2.500 vor Christus. Im Alten Ägypten e erblühte ein ausgeprägter Totenkult mit Pyramiden, dem Tal der Könige und Nekropolen für die kunstvoll mumifizierten Leichen von Pharaonen, Würdenträgern und Beamten als letzte Ruhestätten.


ZITATORIN


Eikōn hē lithos


Eimi. tithēsi me


Seikilos entha


mnēmēs athanatou


sēma polychronion


darüber


Ich bin ein Bild


in Stein; Seikilos stellte


mich hier auf,


in ewiger Erinnerung,


als zeitloses Symbol.




SPRECHERIN


Im antiken Griechenland, Kreta und Kleinasien entstanden Orte außerhalb des städtischen Lebens, an denen die Toten bestattet wurden: Gräberfelder oder Felsengräber. Nicht selten erbaute man in der Nähe ganze Tempelbezirke, wo Rituale zu Ehren der Toten vollzogen wurden.


ZITATORIN


honc oino ploirume cosentiont Romani / duonoro optumo fuise viro 


darüber


Dieser ganz allein, so stimmen die meisten Römer überein / sei der allerbeste Mann gewesen. 


SPRECHER


Lautet die Inschrift auf dem Grab des Konsuls Lucius Cornelius Scipio aus dem dritten Jahrhundert vor Christus. Die Römer schließlich organisierten ihre Grabstätten auf unterschiedlichste Art und Weise. Die Reichen ließen sich gerne entlang von Ausfallstraßen bestatten, wo sie prächtige Gedenktafeln, monumentale Stelen oder prunkvolle Mausoleen errichten ließen.


Die Kapitale Rom barg außerdem eine ganze unterirdische Totenstadt, in deren Katakomben über 850.000 gesellschaftlich nicht ganz so hochstehende Verstorbene in Nischen eingemauert wurden.


MUSIK ENDE


ATMO Glocke


SPRECHERIN


Die Christianisierung machte dann Schluss mit Gräbern außerhalb der Siedlungen. Sowohl die auf germanisch-keltischer Tradition beruhenden außerörtlichen Gräberfelder

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