Nice Trash – Digitale Stadtansichten des Instagram-Creators Paulus Goerden in Stuttgart
Update: 2025-10-30
Description
Fotos und Videos aus dem öffentlichen Raum
Paulus Goerden hat einen Lauf. Der Student der Düsseldorfer Kunstakademie wird von der Art Basel eingeladen, seine Arbeit ist auf dem Cover eines wichtigen Kunstmagazins, er spricht auf Diskussions-Podien. Goerdens Markenzeichen sind Fotos und Videos aus dem öffentlichen Raum, zu sehen vor allem auf Instagram.
An einem windigen Herbsttag flaniert Paulus Goerden auf Bildersuche durchs Zentrum von Stuttgart, vom Schloss- auf den Schillerplatz. Doch es ist nicht die sorgsam restaurierte historische Kulisse ringsum, die ihn zum Zücken des Handys bewegt, sondern ein paar Quadratmeter aufgerissenes Straßenpflaster.
Paulus Goerden fotografiert Reste, Provisorien, wertlosen Kram
„Es gibt hier so eine schöne Ordnung auf der Baustelle: Steine und Betonstücke werden möglichst effizient gestapelt. Und dann werden andere Sachen einfach liegen gelassen, wo man noch ein Stück weit den Menschen durchsehen kann. Das finde ich oft schön“, sagt Paulus Goerden, nachdem er ein paar weggeworfene Arbeitshandschuhe fotografiert hat, zerknautscht auf sandigem Grund.
Ein typisches Paulus-Goerden-Motiv: Reste, Provisorien, wertloser Kram, zufällig oder absichtslos hinterlassen. Einer der Dauerbrenner in dieser Bildwelt ist Sperrmüll.
Sperrmüll ist sein Lieblingsmotiv
„Ich werde oft für das Ordnungsamt gehalten, wenn ich Videos von Sperrmüllansammlungen mache, dass man sich dann schon im Vorhinein entschuldigt oder sagt: Das ist hier nur ganz kurz so“, erzählt Paulus Goerden amüsiert.
Seine visuellen Notizen von Alltagssedimenten auf Bürgersteigen, Straßenrändern und Baustellen haben allein auf Instagram rund 85 000 Follower. Diese beeindruckende Reichweite ist einer der Gründe, warum Paulus Goerden in Stuttgart ist. Eingeladen hat ihn der Kunstverein „You Transfer“, der sich mit der Frage befasst, was ein digitaler öffentlicher Raum eigentlich ist.
Was ist der digitale öffentliche Raum?
„Kunst im öffentlichen Raum ist ja schon bekannt. Wir gehen weiter und wollen wissen, was der digitale öffentliche Raum ist“, sagt Vereinsvorstand Clair Bötschi. Ihr ist klar, wie sehr hier Begriffe und Grenzen verschwimmen.
Denn der wichtigste Publikations-Ort des Alltagschronisten Paulus Goerdeler, die Plattform Instagram, ist ja eben kein öffentliches Terrain, sondern privat - ein knallhart kommerzielles Unternehmen.
Instagram ist so kommerziell wie eine Shopping Mall
Im Gefüge einer Stadt ist das etwa vergleichbar mit einer Shopping Mall: Auch die scheint ja frei zugänglich, bunt und unterhaltsam, ist aber de facto eine Umsatz-Maschine mit privatem Hausrecht und oft erheblichem Kollateralschaden durch Leerstand von verdrängtem Einzelhandel ringsum.
Daher will Bötschi den tatsächlich oder vermeintlich öffentlichen Digital-Raum kritisch unter die Lupe nehmen: „Viele Herausforderungen für die Gesellschaft entstehen genau da, weil viel Negatives viral gehen kann und gar nicht mehr einzufangen ist. Fakten spielen keine Rolle mehr.“
Für politischen Content ist kaum Platz
Wer wollte da widersprechen? Die Frage ist bloß, was der digital-künstlerische Kronzeuge Paulus Goerden zur Aufklärung beitragen kann.
Denn er muss sich selbstverständlich den Mechanismen von Social Media fügen, als da wären: Bildrechte abtreten an Konzerne wie Instagram und TikTok, immer schön die Community entertainen und finanziellen Beifang erhaschen durch Product Placement. Wovon soll ein junger Digital-Künstler schon leben? Für politischen Content, mit dem Bötschi Paulus Goerden angekündigt hatte, ist da kaum Platz.
Geht es ums Gemeinwohl oder um Reichweite?
„Das ist das, was ich mache: Ein Angebot an jeden“, sagt Goerden. „Es geht um das Alltägliche, dass dieser Blick eigentlich jedem zusteht.“ Die Demokratisierung des Blicks sozusagen, klingt schon fast nach Orientierung am Gemeinwohl.
Ob das nun ausgerechnet im Bunde mit den sogenannten sozialen Medien funktioniert, in denen es nur um Reichweite und Likes geht? Paulus Goerden hat da auch keine Antwort, außer: weiter ausprobieren.
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