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Silent Reading und Puddinggabeln: Neue Trends trotzen der Einsamkeit

Silent Reading und Puddinggabeln: Neue Trends trotzen der Einsamkeit

Update: 2025-11-20
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Mittlerweile gibt es sie in immer mehr Städten: Silent Book Clubs. Dort treffen sich Menschen, um gemeinsam still zu lesen und sich danach darüber auszutauschen.
So auch beim Silent Book Club in Mainz: Einmal im Monat kommen etwa 20 passionierte Leserinnen und Leser zusammen, um gemeinsam in ihre Bücherwelten abzutauchen.

Austausch über Lieblingsbücher


In der Mainzer Buchhandlung „Erlesenes und Büchergilde“ wird erst einmal ein wenig gefachsimpelt: Welches ist das Buch des Jahres 2025? Doch eigentlich ist an diesem Abend der Silent Book Club Mainz zu Gast, um sich vorzustellen.
Eine junge Frau ist gerade vom Bodensee an den Rhein gezogen und sucht Anschuss. „Mit Büchern ein Thema zu haben“ ist für sie perfekt, „eine Gemeinsamkeit, über die man sich auch austauschen kann“. Doch vor dem Austausch steht erst einmal das gemeinsame Lesen in Stille.

Silent Book Club: Weltweite Bewegung nach fünf Jahren


Einfach im Café zusammenkommen und lesen – mit dieser Idee haben sich zwei Freundinnen in San Franzisco getroffen. Was vor fünf Jahren mit einer lockeren Verabredung begann, hat sich heute zu einer globalen Bewegung mit festgelegtem Branding entwickelt.
Der Name „Silent Book Club“ ist geschützt, nach Angaben der Organisatoren gibt es heute weltweit rund 2.000 Ableger, sogenannte „Chapters“ bzw. Kapitel, in mehr als 60 Ländern. Das Ziel: durch die gemeinsame Freude am Lesen eine globale Gemeinschaft von Buchliebhabern zu schaffen.
Silent Book Club Fans können sich inzwischen sogar zu einem gemeinsamen Urlaubstrip verabreden: Es gibt entsprechende Reading Retreats an der italienischen Riviera, am Sandstand von Hawaii oder im Regenwald von Costa Rica.

Mit Gleichgesinnten gegen die Einsamkeit


Allein daheim im stillen Kämmerchen kann man natürlich auch in seinem Lieblingsbuch schmökern. Aber das sei doch ein wenig einsam, meint ein Besucher des Mainzer Silent Book Club, der sich über die Begegnung mit Gleichgesinnten freut.
Die Leidenschaft für Geschichten, sich auf Fantasiereise zu begeben und dem Alltag zu entfliehen, verbindet. Dominik aus Bad Kreuznach findet: „Das lässt die Herzen so ein bisschen gemeinsam schlagen.“ Ähnliche intensive Kollektiv-Erlebnisse scheint das Essen von Pudding mit der Gabel zu versprechen. Der TikTok-Trend boomt.

Spaß-Event: Pudding mit der Gabel löffeln


Was in Karlsruhe mit einem schlichten Flyer begann, hat sich zu einem deutschlandweiten Hype entwickelt: München, Hannover, Dresden. In Berlin traten im Oktober rund 1.000 Menschen an, um sich der Herausforderung zu stellen, mit einer Gabel einen widerspenstigen, rutschigen Pudding aus dem Becher zu löffeln.
Dabei gehe es nicht wirklich ums aufessen, vermutet die Potsdamer Bildungsforscherin Nina Kolleck im rbb. In einer Zeit voller Kriege und Krisen sei „so ein absurder Trend eine Art humorvoller, leichter und gemeinschaftlicher Gegenpol“.

Einfach eine gute Zeit haben


Die Videos auf TikTok gehen viral: Sie zeigen vor allem junge Menschen, die in Gruppen auf einer Wiese hocken oder sich auf öffentlichen Plätzen sammeln. Mit einem gemeinsam gefeierten Countdown geht es los, dann werden die Puddingbecher mit der Gabel geentert.
„Man kennt die Menschen zwar nicht“, sagt die Besucherin des Stuttgarter Pudding-Events, „aber es ist einfach ganz cool.“ Mehrere hundert Leute sind hier dem Aufruf nach dem Puddinggabel-Abenteuer gefolgt. Nach einer guten halben Stunde ist der Spuk vorbei und alle haben eine gute Zeit gehabt.

Small-Talk ist möglich, muss aber nicht sein


In Stuttgart hat Selma Dorn im August 2024 einen Silent Book Club ins Leben gerufen. Zweimal im Monat gibt es ein Treffen in einem öffentlichen Café. Zeit und Ort werden auf Instagram gepostet. Man kann kommen, sein Buch lesen und wieder gehen, aber sich gern im Anschuss auch über das Gelesene unterhalten.
Und immer wieder entstehen durch den Austausch über Bücher auch persönliche Kontakte, hat die Organisatorin beobachtet, die als Pfarrerin eine große Routine im Umgang mit Menschen mitbringt.

Am Lagerfeuer sitzen und Geschichten erzählen


Warum das gemeinschaftliche, stille Lesen einen Nerv tritt, dazu kann Selma Dorn allerdings nur Vermutungen anstellen.
Immer mehr Personen leben heute allein, sehen sich isoliert. Fast die Hälfte der Jugendlichen zwischen 16 und 30 Jahren fühlen sich einsam, so das Ergebnis einer Studie des Deutschen Jugendinstituts vom Frühjahr dieses Jahres.
Als soziales Wesen aber möchte der Mensch eigentlich gern am Kamin zusammenkommen und sich Geschichten erzählen, meint Selma Dorn. Der Silent Book Club bietet dazu ganz niedrigschwellig Gelegenheit.
Und noch etwas mag für den Boom des stillen gemeinschaftlichen Lesens verantwortlich sein. Endlich gibt es einen festen Termin im Kalender. Auch wenn sie sonst keine Zeit haben, „die Leute halten sich die Termine für den Silent Book Club frei“, erzählt Selma Dorn, „das ist wirklich beeindruckend.“
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