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Sternengeschichten Folge 663: Die Zerstörung von Chrysalis und die Ringe des Saturn

Sternengeschichten Folge 663: Die Zerstörung von Chrysalis und die Ringe des Saturn

Update: 2025-08-082
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Katastrophe trifft Schönheit

Sternengeschichten Folge 663: Die Zerstörung von Chrysalis und die Ringe des Saturn


Das, was den Saturn so besonders macht, sind seine beeindruckenden Ringe. Alle großen Planeten im äußeren Sonnensystem haben Ringe, aber kein Planet hat ein so gewaltiges Ringsystem wie Saturn. Wir wissen woraus sie bestehen, wir kennen die Struktur der Ringe im Detail, wir haben Raumsonden direkt durch die Ringe geflogen - aber wir wissen immer noch nicht genau, wie sie entstanden sind. Eine der besten Ideen, die wir dazu haben, hat mit Neptun zu tun und mit zwei Monden des Saturn, von denen einer nicht mehr existiert.


Die ganze Angelegenheit ist naturgemäß komplex, also fangen wir mal mit den Dingen an, die wir mit Sicherheit wissen. Saturn ist von jeder Menge mehr oder weniger breiten Ringen umgeben. Manche davon sind extrem schmal und nur wenig Meter breit, manche über 10.000 Kilometer. Wir wissen, dass sie gleichzeitig extrem dünn sind; ihre Dicke beträgt zwischen 10 und 100 Metern. Und sie bestehen aus unzählichen Brocken, von denen die größten ein paar Meter groß und die kleinsten nicht größer als Staubteilchen sind. Das Material ist vor allem Eis, aber es sind auch Gesteinsbrocken darunter. Der Saturn selbst ist so alt wie der Rest des Sonnensystems, also circa 4,5 Milliarden Jahre. Die beeindruckenden Ringe sind dagegen ein vergleichsweise junges Phänomen und nur gut 100 Millionen Jahre alt. Irgendwas muss also in der jüngeren Vergangenheit des Sonnensystems passiert sein, dass Saturn zu seinen Ringen verholfen hat.


Und bevor wir uns ansehen, was das gewesen sein könnte, ein kurzer Einschub: Nicht alle Ringe des Saturns sind auf die selbe Weise entstanden. Wir wissen, dass es auf manchen Monden Eisvulkanismus gibt, wie ich in Folge 300 erzählt habe. Dabei werden Eisteilchen ins All geschleudert, die Ringe bilden könnte. Das ist nicht das Phänomen, um das es im Folgenden geht - wenn ich ab jetzt von den "Ringen des Saturn" reden, dann meine ich die großen, hellen Ringe, die man schon im 17. Jahrhundert entdeckt und die, die man im Allgemeinen vor Augen hat, wenn man sich die Saturnringe vorstellt.


Wo also kommen die her? Die wissenschaftlich korrekte Antwort lautet: Das wissen wir nicht. Die heute weitestgehend akzeptierte Vermutung lautet: Die Ringe sind das Material, das entstanden ist, als einer seiner Monde auseinandergebrochen ist. Das klingt prinzipiell plausibel, denn die Monde des Saturn sind eisige Himmelskörper mit einem Kern aus Gestein und würden genau die Mischung an Material in der genau der Gegend produzieren, in der wir die Ringe heute beobachten. Nur: Monde brechen nicht einfach so auseinander. Wie macht man einen Saturnmond kaputt? Schon im 19. Jahrhundert hat man vermutet, dass ein Mond dem Saturn vielleicht zu nahe gekommen ist, so dass er durch die dort sehr stark wirkende Gezeitenkraft des großen Planeten auseinandergerissen worden ist. Auch das klingt plausibel, aber hier gilt wieder: Warum sollte ein Mond sich vor 100 Millionen Jahren plötzlich auf den Weg gemacht und dem Saturn immer näher gekommen sein? Auch das machen Monde nicht einfach so, die bleiben so lange auf ihren Umlaufbahnen, bis sie durch eine äußere Ursache dazu gebracht werden, die Bahn zu ändern. Womit wir wieder bei der Frage sind: Was ist damals passiert und hat einen Mond zerstört?


Fangen wir am Anfang an, also mit der Entstehung des Saturn. Zusammen mit der Sonne, der Erde und den anderen Planeten ist der Saturn vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden. Damals sind auch die großen Monde des Saturn entstanden, unter anderem sein größer Mond, der Titan, von dem ich in Folge 157 ausführlich erzählt habe. Es ist auch Iapetus entstanden, ein kleinere Saturnmond, der in der letzten Folge der Sternengeschichten einen kurzen Auftritt gehabt hat. Es sind die anderen Monde entstanden, die wir heute kennen und es ist Chrysalis entstanden. So haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Himmelskörper genannt, der damals vielleicht existiert hat und dessen Schicksal zentral für diese Geschichte ist.


Chrysalis ist ungefähr so groß wie Iapetus, mit einem Durchmesser von circa 1500 Kilometern. Das sind zwei ordentlich große Monde, auch wenn sie nicht so groß sind wie der gigantische Titan, mit einem Durchmesser von 5150 Kilometern. Titan ist ungefähr 1,2 Millionen Kilometer vom Saturn entfernt, Iapetus ist mit einem Abstand von 3,5 Millionen Kilometer weiter weg. Chrysalis umkreist den Saturn irgendwo zwischen den beiden. Und auch wenn Saturn damals schon der Planet ist, den wir auch heute noch sehen können, gibt es auch hier Unterschiede. Die Achse, um die er sich alle knapp 11 Stunden einmal dreht, steht damals fast senkrecht auf die Ebene, in der er sich um die Sonne bewegt. Oder anders gesagt: Die Neigung seiner Achse ist fast gleich Null. Das muss nicht so sein; bei der Erde zum Beispiel haben wir heute eine Achsenneigung von 23,5 Grad, was auch der Grund ist, warum wir hier so ausgeprägte Jahreszeiten erleben können. Jupiter hat dagegen eine Achsenneigung von nur 3 Grad. Und keine Sorge, es wird bald klar werden, warum die Neigung der Achse wichtig ist.


Wir haben also einen Saturn mit einer sehr geringen Achsenneigung und einem Mond, der heute verschwunden ist. Wir haben außerdem noch ein paar weitere Planeten im Sonnensystem und auch wenn sie alle vergleichsweise weit voneinander entfernt sind, üben sie natürlich trotzdem eine Gravitationskraft aufeinander aus. Die Effekte sind gering, aber über lange Zeit hinweg können sie dennoch Auswirkungen haben. Die diversen gravitativen Störungen sorgen unter anderem dafür, dass die Rotationsachse von Saturn anfängt zu präzessieren. Das bedeutet: Die Richtung am Himmel, in die sie zeigt, bleibt nicht fix sondern ändert sich im Laufe der Zeit. Auch davon habe ich schon oft gesprochen, zum Beispiel in den Folgen 211 und 645, in denen es um die Präzession der Erdachse ging. Heute zeigt sie in Richtung des Polarsterns, aber das ändert sich im Laufe der Zeit und die Erdachse braucht knapp 26.000 Jahre um eine komplette Drehung zu vollenden. Die Geschwindigkeit mit der sich die Richtung der Achse ändert, nennt man Präzessionsrate und die wird im Fall des Saturns gleich noch wichtig.


Schauen wir aber zuerst zum Titan. So wie zwischen Mond und Erde gibt es auch zwischen Titan und Saturn eine Gezeitenkraft. Bei der Erde sorgt dieser Effekt für Ebbe und Flut; die Gezeiten sorgen aber auch dafür, dass sich der Mond langsam von der Erde entfernt. Beim Titan ist es genau so: Er wandert im Laufe der Zeit langsam nach außen. Und das ist absolut wichtig für den Rest der Geschichte! Titan hat fast so viel Masse wie alle anderen Saturnmonde zusammengenommen. Er hat deswegen auch einem starken Einfluss auf die Präzession der Rotationsachse des Saturn und der Einfluss wird sogar noch größer, wenn er sich entfernt. Das klingt seltsam, aber man kann sich die Monde wie Griffe vorstellen, an denen die Gravitationskraft der Sonne und der anderen Planeten ansetzen kann, um die Rotationsachse des Saturns zu drehen. Titan ist der größte Griff und je weiter er weg ist, desto stärker ist auch der Hebel, den die Gravitationskraft hat. Wie gesagt, das ist ein vereinfachtes Bild, aber es ist auch nicht völlig falsch. Wenn der Titan sich also vom Saturn entfernt, dann ändert sich die Geschwindigkeit, mit der Saturns Rotationsachse ihre Richtung ändert.


Und jetzt kommt Neptun ins Spiel. Man kann sich fragen, was der bei diesem Thema überhaupt zu suchen hat. Neptun ist der äußerste Planet des Sonnensystems und weit vom Saturn entfernt (zwischen den beiden zieht auch noch Uranus seine Runden). Was hat der mit der Angelegenheit zu tun? Nun, ich hab ja zu Beginn gesagt, dass das alles sehr komplex ist und das war nicht gelogen. Das ist nämlich der Punkt, an dem die Spin-Orbit-Präzessionsresonanz ins Spiel kommt. Unser Sonnensystem ist ein höchst dynamischer Ort. Alles ist in Bewegung, und damit ist nicht einfach nur die Tatsache gemeint, dass sich die Planeten um die Sonne bewegen. Das tun sie zwar, aber alles andere bewegt sich auch! Die Bahnen, auf denen sie um die Sonne laufen, verändern sich selbst ständig, sie werden größer und kleiner, sie drehen sich im Raum, und so weiter. Die Rotationsachsen der Planeten schwanken und drehen sich und all das hat Auswirkungen. Alle Himmelskörper beeinflussen sich gegenseitig mit ihrer Gravitationskraft und es gibt Situationen, wo dieser Einfluss besonders groß werden kann. So einen Zustand nennt man "Resonanz" und er tritt immer dann auf, wenn sich irgendwelche Zustände regelmäßig wiederholen. Gravitative Störungen können sich dann aufschaukeln, genau so wie man buchstäblich eine Schaukel immer höher schubsen kann, wenn man nur regelmäßig und im richtigen Moment anschubst. Resonanzen im Sonnensystem gibt es immer dann, wenn zwei Bewegungen auf bestimmte Weise zusammenpassen. Wenn ein Planet zum Beispiel genau doppelt so lange für eine Runde um die Sonne brauchen würde, als die Erde, dann würde dieser Planet jedes zweite Jahr wieder genau in der gleichen Position in Bezug auf die Erde stehen wie zuvor. Er könnte der Erde also auch regelmäßig alle zwei Jahre einen Gravitationsschubs geben und das könnte sich im Laufe der Zeit so summieren, dass die Bahn der Erde instabil wird. So einen Planeten gibt es zum Glück nicht, aber Resonanzphänomene dieser Art sind häufig.


Das, um das es in dieser Geschichte geht, ist eine Spin-Orbit-Präzessionsresonanz zwischen Saturn und Neptun. Und es bedeutet: Die Geschwindigkeit mit der sich die Richtung von Saturns Rotationsachse ändert, ist auf die Geschwindigkeit abgestimmt, mit der sich die Umlaufbahn des Neptuns um die Sonne dreht. Es dauert in beiden Fällen ungefähr 1,9 Millionen Jahre, bis eine Runde durch ist und es ist schwer vorstellbar, dass das irgendwelche Auswirkungen haben sollte, aber wie gesagt: Das Sonnensystem ist ein dynamischer Ort.

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Sternengeschichten Folge 663: Die Zerstörung von Chrysalis und die Ringe des Saturn

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Florian Freistetter