Wann darf ich Polizeikräfte filmen?– Rechtsbelehrung 125
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Wenn die DSGVO im Zusammenhang mit Videoaufnahmen die Rede ist, dann geht es meistens um Verbote der Videoaufnahme. In der heutigen Folge zeigen wir jedoch, dass die DSGVO nicht nur verbietet, sondern ganz umgekehrt dann Videoaufnahmen im angemessenen Umfang erlauben und damit Bürgerrechte stärken kann.
<figure class="wp-block-image size-full is-resized"><figcaption class="wp-element-caption">Als Gast begrüßen wir Dr. jur. Markus Wünschelbaum, Referent beim Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Studium der Rechtswissenschaften in Hamburg und St. Petersburg. (LinkedIn).</figcaption></figure>
Videoaufrüstung auf beiden Seiten
Videoüberwachung und Bodycams sind inzwischen bei der Polizei weit verbreitet. Gleichzeitig haben Bürger mit Smartphones die Möglichkeit, Polizeieinsätze zu filmen. Das kann helfen, sich gegen ungerechtfertigte Maßnahmen zu wehren oder diese vor Gericht zu beweisen.
Doch während der Einsatz von Videoaufnahmen durch Polizisten rechtlich geregelt ist, ist das Filmen von Polizeieinsätzen durch Bürger rechtlich kompliziert. Dies liegt an der Rechtslage, die zu einem rechtlichen Hindernislauf werden kann.
Tonaufnahmen und Strafbarkeit
Das Bundesverfassungsgericht hat 2015 entschieden, dass das Filmen von Polizisten bei Versammlungen nicht grundsätzlich unberechtigt ist. Trotzdem wird dies oft durch § 201 StGB umgangen.
Dieser Paragraph verbietet die Aufnahme nicht-öffentlich gesprochener Worte. Ursprünglich gegen heimliche Diktiergeräte gedacht, wird er nun gegen Videoaufnahmen von Bürgern verwendet.
Polizeimaßnahmen werden von Strafgerichten oft als nicht-öffentlich und deren Aufnahmen als strafbar und als Beweismittel nicht verwertbar eingestuft. Eine Ausnahme besteht, wenn die Polizisten nicht darauf vertrauen konnten, dass sie nicht von Dritten gehört werden.
DSGVO als Maßstab
Unser Gast hält diese komplizierte Rechtslage für unzufriedenstellend und unnötig. Seit 2018 gibt es nach seiner Ansicht mit der DSGVO ein Gesetz, das als Maßstab dienen kann. Es berücksichtigt den Zweck der Videoaufnahme und die Schutzinteressen von Bürgern und Polizisten. Obwohl die DSGVO ein EU-Gesetz ist und die EU das Strafrecht nicht regeln darf, argumentiert unser Gast, dass die DSGVO auch das Filmen von Polizeieinsätzen erlaubt.
Änderung der Rechtsprechung in der Zukunft
Die Meinung unseres Gastes hat uns überzeugt. Die Frage bleibt jedoch, ob Strafgerichte akzeptieren werden, dass die DSGVO das Strafrecht zugunsten der Bürger prägt.
Was denkt ihr? Sollten Gerichte weiterhin die (faktische) Öffentlichkeit berücksichtigen oder nach der DSGVO beurteilen, ob Videoaufnahmen erlaubt sind?
Wir freuen uns auf Eure Kommentare, bedanken uns herzlichst bei Dr. Markus Wünschelbaum und wünschen Euch viel Vergnügen beim Zuhören!
P.S. Dieser Podcast ist der erste Teil einer zweiteiligen Reihe. Im zweiten Teil werden wir mit Dr. Markus Wünschelbaum über den generellen Einsatz von Videoaufnahmen als Abwehr- und Beweismittel gehen.
Alle Folgen der „Videoaufnahmen & Datenschutz“-Reihe
- Wann darf ich Polizeikräfte filmen?– Rechtsbelehrung 125.
- Darf ich Privatpersonen zu Beweiszwecken filmen? – Rechtsbelehrung 126.
- Wann hat die Polizei das Recht, mich zu filmen? – Rechtsbelehrung 128.
- Recht schlägt Moral – Obiter Dictum 13.
Zeitmarken
- 00:01:00 – Vorstellung unseres Gastes und Einführung in das Thema
- 00:08:00 – Wann darf man Filmaufnahmen von Polizeibeamt:innen nach gegenwärtiger Rechtslage aufnehmen?
- 0:19:00 – Die „faktische Öffentlichkeit“ und wann Tonaufnahmen von Polizeieinsätzen nichtöffentlich und deren Aufnahme strafbar ist.
- 00:27:00 – Bedarf es einer Anpassung des Strafrechts an die modernen Gegebenheiten?
- 00:34:00 – Wechsel im Zeitgeist: Warum sollte man nach 80 Jahren ein Strafgesetz anders anwenden? 00:37:00 – Wann ist eine nicht-öffentliche Tonaufnahme von Polizeibeamt:innen laut der DSGVO erlaubt?
- 00:45:00 – Effet utile: Kann sich die DSGVO mittelbar auf das Strafrecht auswirken?
- 00:50:00 – Kann das Aufnehmen von Polizeibeam:innen mit berechtigten Interessen der Bürger gerechtfertigt werden?
- 00:58:00 – Wie sind die Chancen, dass Strafgericht ihre Rechtsprechung ändern und die DSGVO in Strafverfahren anwenden?
- 01:08:00 – Beweisverwertungsverbote als Folge unerlaubter Aufnahmen
- 01:14:00 – Praxistipps: Was sollte man beachten, bevor man eine Kamera auf Polizeibeamt:innen richtet?
Weiterführende Links und Urteile
- “Aufnahmen von Polizeieinsätzen von der DSGVO gedeckt: Kein Film ist illegal” von Dr. Christoph Schnabel und Dr. Markus Wünschelbaum in der LTO.
- „Aufnahmen von der Polizei im Einsatz – eine notwendige datenschutzrechtliche Korrektur von § 201 StGB“ von Christoph Schnabel/Markus Wünschelbaum in „Strafverteidiger“ (StV), 6/2024, S. 405.
- „Polizisten beim Lügen erwischt – Angeblicher Angriff auf Beamte“ – Bericht in der TAZ zu dem Freispruch eines Feuerwehrmannes in Hamburg nach Veröffentlichung einer Videoaufnahme.
- BVerfG, 24.07.2015 – 1 BvR 2501/13 – Polizeibeamte dürfen zum Zweck der Beweissicherung gefilmt werden.
- OLG Düsseldorf, 04.11.2022 – 3 RVs 28/22 – Keine Strafbarkeit am Rande einer Demonstration
- OLG Zweibrücken StraFo 2022, 479 – Keine Öffentlichkeit an einem abgelegenen Teich
- LG Köln, 03.09.2020 – 111 Qs 45/20 – Faktische Öffentlichkeit bei 15-20 feiernden Personen
- LG Aachen, 19.08.2020 – 60 Qs 34/20 – Faktische Öffentlichkeit bei einer anderen Person im Tankstellenbereich
- LG Kassel, 23.09.2019 – 2 Qs 111/19 – „lautstarke“ Äußerungen am Bahnhof, die von einer in der Nähe befindlichen Menschengruppe überhört werden, führen zum Strafausschluss
- LG München I, 11.02.2019 – 25 Ns 116 Js 165870/17 – Es ist strafbar, Dienstgespräche von Polizisten während einer Demo aufzunehmen
Maßgebliche Gesetze:
- §§ 22, 33 KUG – Strafbarkeit der Veröffentlichung von Aufnahmen ohne Einwilligung
- § 201 StGB – Strafbarkeit des nichtöffentlich gesprochenen Wortes
- Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO – Erlaubnis der Verarbeitung von personenbezogenen Daten auf Grundlage einer Einwilligung.
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