„Seit fünf Jahren Dauerbeschuss“ – Luisa Neubauer über Fridays for Future und das Engagement der Jugend
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Ein Augusttag 2018 in Schweden, eine 15-jährige Jugendliche beschließt, nicht in die Schule zu gehen, sondern zu streiken. Wegen der unzureichenden Klimapolitik. In den kommenden Monaten schließen sich weltweit immer mehr Schülerinnen, Studierende und Auszubildende an, der Beginn der Klimabewegung „Fridays for Future“. Auch in Deutschland gehen von Dezember 2018 an immer mehr Jugendliche für mehr Klimaschutz auf die Straße. Die zentrale Figur der deutschen Proteste, Luisa Neubauer, ist in dieser Folge von „In aller Ruhe“ zu Gast.
Luisa Neubauer, geboren 1996 in Hamburg, ist Klima-Aktivistin, Podcasterin, Autorin und Geographie-Studentin. Sie ist die prominenteste Stimme der deutschen „Fridays for Future“-Bewegung und als solche weltweit aktiv und bekannt. Außerdem ist Neubauer Autorin mehrerer Bücher, zuletzt ist auf Deutsch „Gegen die Ohnmacht – Meine Großmutter, die Politik und ich“ erschienen, das sie mit ihrer Oma Dagmar Reemtsma geschrieben hat.
„Aktivismus ist nicht vorgesehen“
Nach fünf Jahren Aktivismus blickt Luisa Neubauer auf die Klimabewegung zurück, deren Engagement in ihren Augen als etwas zu normal angesehen werde. Aber: „Das ist nicht selbstverständlich.“ Denn „den meisten jungen Menschen sagt man: „Arbeite hart und kümmere dich um deinen Lebenslauf!“ Und Aktivismus, bei dem wir nicht genau wissen, ob er sich in zehn Jahren auszahlen wird, der ist nicht zwangsläufig vorgesehen.“ Das bedeute auch, dass sich die Klimabewegung Gedanken machen müsse, wie sie ihre Mitglieder halten könne. „Niemand gibt so viel Zeit für etwas, was halb gut ist.“ Die Alternativen, Zeit anders zu verbringen, seien zu verlockend: „Sonst sagen sie: „Wir gehen ins Freibad.“
Zumal das Engagement mit großen Opfern verbunden ist, zum Beispiel bei ihr auch mit Anfeindungen und Hass im Netz. „Jeder, der meinen Social Media Account mal näher betrachtet hat, stellt fest: Dazu kann ich schon was sagen“, sagt Neubauer. Ihr sei wichtig, das nicht als „Problem“ der angefeindeten Personen zu verstehen, sondern „es als das zu benennen, was es ist: ein Missstand.“ Sie erlebe „eine zunehmend digitale Gesellschaft, die es nicht schafft, diese digitalen Räume zu schützen.“
„Es kann keine Transformation geben ohne Investitionen“
Auch die Klimabewegung sieht Neubauer dauerhafter Kritik ausgesetzt: „In Deutschland sind wir seit fünf Jahren unter Dauerbeschuss. Es gab zwar immer wieder Zeiten, da wurden wir gelobt, aber unterm Strich waren das vielleicht zusammengerechnet vier Monate.“ Gerade befinde man sich „in einer Zeit, in der Aktivisten als Terroristen bezeichnet werden und die Existenz einer Klimabewegung als irgendwie demokratiefeindlich degradiert wird.“ Dabei gehe es darum Nachhaltigkeit und Demokratie zu verbinden: „Wir wissen bis heute nicht: Wie funktionieren liberale Demokratien aber in klimagerecht?“ Wenn man unter diesem Blickwinkel weltweit schaue und überlege, wo Präzedenzfälle dafür sein könnten, dann sei die Liste sehr kurz. „Da sind weltweit die Augen unter anderem auf Deutschland gerichtet.“
Es sei nicht möglich, in Deutschland einfach mit dem Rotstift Emissionen weg zu kürzen. „Es gibt da eine einzige Ausnahme: das Tempolimit. Das wäre einfach die Wegkürzung von Emissionen auf der Autobahn.“ Aber: „Jede andere Maßnahme in Deutschland ist auch eine Investitionsfrage. Es kann keine Transformation geben – sei es im Landwirtschaftssektor, sei es im Verkehrssektor, sei es im Energiesektor – ohne Investitionen.“ Auch Klimaschutzmaßnahmen müssten eben nachhaltig sein. „Klimapolitik, die nicht sozial ist, ist auch nicht nachhaltig.“ Es dürfe nicht dazu führen, dass sich Leute von demokratischen Parteien abwenden oder sich zurückgelassen fühlen. „Damit hängt auch so eine gesellschaftliche Nachhaltigkeit zusammen.
Empfehlung von Luisa Neubauer
Luisa Neubauer empfiehlt: „Die Unzertrennlichen“ von Simone de Beauvoir, verlegt von Rowohlt. „Ein ganz fantastisches Buch, was ich zuletzt sehr genossen habe.“ Und sie empfiehlt die Biografie von Rudi Dutschke, Titel „Wir hatten ein barbarisch schönes Leben“ von Gretchen Dutschke. „Das hat wirklich großen Spaß gemacht.“
Moderation, Redaktion: Carolin Emcke
Redaktionelle Betreuung: Johannes Korsche
Produktion: Imanuel Pedersen
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