Was ist ein Beratungsdesign und welche Auswirkungen hat dies auf den Prozess des Organisierens? Wir wollen an unseren letzten Podcast anknüpfen und heute über ein Beratungsdesign zur Umsetzung einer Richtungsentscheidung reden. Das dies in der Regel mit Veränderung zu tun hat; muss nicht nochmal ausführlich betont werden. Wir reden von einem Beratungsdesign und meinen damit eine Vorgehensweise zur Umsetzung einer Entscheidung. Ein Design ist nicht zu verwechseln mit dem klassischen Plan, der von der Festlegung von gezielten Aktionen lebt. Meisten sind Pläne auf Businessthemen beschränkt, die im Rahmen von Meilensteinen abgearbeitet werden. Für unser Ansinnen der Synchronisierung von Businesssystem und sozialem System Organisation ist dies natürlich zu wenig. Denn alle unsere in den vorherigen Podcasts vorgestellten Themen wie Dysfunktionsforschung, Sichtbarmachung von Abwehrroutinen der lokalen Rationalitäten, agonales oder orthogonales Vorgehen und schließlich die zentrale Unterscheidung von Heuristik und Hermeneutik haben in den klassischen Projektplanungen keinen Platz. Das heißt jetzt was? Ein Beratungsdesign ist ein kontextueller Rahmen für eine Richtungsentscheidung, der keine oder nur wenige Handlungsvorgaben macht. Ein Plan ist das Instrument der klassischen bürokratischen Organisation aus der Zeit der Nachfragemärkte als der Absatz der tayloristisch gefertigten Produkte relativ sicher war. Ein Design dient der Umsetzung von Entscheidungen in Angebotsmärkten und in moralischen von ökologischen und sozialen Aspekten geprägten Märkten. Und nicht zu vergessen: Dies Märkte fordern ein völlig neues Verständnis vom Prozess des Organisierens und von Kooperation und Serviceleistungen. Ein Design dient der Absicherung der Bewegungsfreiheit im Prozess des Organisieren in zwei Richtungen: Auf der Businessebene sind die inhaltlichen Themen zu erarbeiten und auf der Ebenen des sozialen Systems ist die Form der Arbeit ständig festzulegen und zu verbessern. Das sind Organisationen nach wie vor in der Regel nicht gewohnt. These 1: Das Design der Selbstberatung im Prozess des Organisierens sichert die Gleichzeitigkeit und damit die Synchronisierung von Businesssystem und sozialem System. Die Arbeitsweise hat Werkstatt- und Reflexionscharakter. Die Ausprägungen des jeweiligen Schwerpunktes kann in der Designgestaltung variieren. Es spricht einiges dafür, den Reflexionscharakter sorgfältig zu dosieren. These 2: Das Design zur Selbstberatung eröffnet eine gewollte Veränderungsdynamik, die über das klassische Abarbeiten von Inhaltsthemen weit hinausgeht. These 3: Das Veränderungsdesign zur Selbstberatung schafft einen sicheren Rahmen zur Bearbeitung der Kontingenz im Prozess des Organisierens. Es ist ein Konzept zur Etablierung einer Gesamtsteuerung in der Gleichzeitigkeit von top-down und bottom-up.
Wie geht Veränderung im Prozess des Organisierens? Wir wollen heute den Konkretisierungsgrad erhöhen und über die Anwendung der bisherigen Themen sprechen. Wir reden dabei über die Gestaltung eines Beratungskontextes und über die Voraussetzungen der Synchronisierung von Businesssystem und sozialem System im Prozess des Organisierens. Hier gibt es unendlich viel Stoff und wir möchten uns im Podcast V vor allem mit der wohl wichtigsten und häufig schwierigsten Voraussetzung zur Gestaltung von Veränderung beschäftigen. Dabei spielen die Begriff Dysfunktion und Abwehrroutinen eine wesentliche Rolle. Wir steigen also nicht in die übliche Thematik der neuen Tools ein, sondern es geht hier vor allem um den blinden Fleck aller Organisationen, den Prozess des Organisierens reflexiv voranzutreiben. Dabei spielt die Unterscheidung von Heuristik (Systemdenken I) und Hermeneutik (Systemdenken II) eine wesentlichen Rolle.
Systemdenken I Intuitiv / heuristisch: Das Denken funktioniert automatisch und schnell, weitgehend mühelos und ohne willentliche Steuerung. Wir wollen dieses Denken nicht nur bei Individuen verorten, sondern sehen hier auch eine Grundlage für die kooperative Organisation im Prozess des Organisierens. Hier entstehen die Routinen, Denk- und Handlungsmuster bis hin zum pfadabhängigen Denken über große Zeiträume. So läuft die Organisation auch dann, wenn das pfadabhängige Denken zu massiven Störungen und Dysfunktionen führt. Der Zustand des Lock-in ist erreicht, wenn der Denkpfad nicht hinterfragt wird, sondern die Gründe in einem mehr oder weniger zu suchen sind, gerne verbunden mit Personalisierungen und mehr vom Gleichen. Systemdenken I ist im Prozess des Organisierens unabdingbar schafft jedoch automatisch den blinden Fleck der nicht beabsichtigten Dysfunktionen. Systemdenken II: Reflexiv / hermeneutisch: Wir haben dazu schon einiges gesagt. Hier geht es um Nachdenken, und zwar auch hier wiederum nicht als Einzelleistung, sondern größeren Einheiten wie Gruppen, Bereiche, Organisationen insgesamt. Diese Art des Denkens dient dazu den blinden Flecken des Systemdenkens I auf die Spur zu kommen. Diese Art des Denkens ist anstrengend, weil sie die Aufmerksamkeit auf mentale Aktivitäten zur Erfassung komplexer Zusammenhänge zirkuläre Wirkungen (wicked problems) und konkrete Berechnungen (Kennzahlen) richtet. Systemdenken wird getragen vom subjektiven Erleben von Handlungsmacht (locus of control), Entscheidungsfreiheit und engagierter Konzentration. Systemdenken II ist kein einmaliger Vorgang, sondern kontextuell wie inhaltlich sorgfältig zu gestalten. Hier spielt das angewandte Design mit speziellen Instrumenten eine wesentliche Rolle. Die Frage ist dabei, wer zu welchen Themen mit welchem angestrebten Ergebnistyp in welcher Zeit zusammenkommt. Natürlich darf es auch freie Reflexionskontexte geben, jedoch dürfen diese keinesfalls die Regel sein. Systemdenken II ist radikal, weil die hermeneutische Vorgehensweise an die Wurzel der bisherigen Überzeugungen (Muster, mentale Modelle, Pfade) geht, die in diesem Forschungsprozess in Frage gestellt werden. Ein Lock-in ist ohne externe Unterstützung nur schwerlich möglich, weil intern daran nicht gerührt werden darf. Ein sehr zuverlässiger Indikator ist dabei, die Aufregung und Ablehnung von externer Unterstützung, wenn kollektive Abwehrroutinen ausgelöst werden. Kollektive Dysfunktionsforschung, also Systemdenken II, aktiviert Abwehrroutinen der Organisation. Für die Ausprägungen dieser Abwehrroutinen hatten wir bereits typische Kategorien definiert: 1. Erkenntnis Ignoranz 2. Gegenwartsverlängerung 3. Verantwortungsverschiebung 4. Tool-Beschwörung So werden relevante, oft auch gravierende Probleme kollektiv invisibilisiert. …
Kollektive hermeneutische Dysfunktionserforschung als fundamental neuer Ansatz des Organisierens in Kontingenz Handlungsmuster von Defensiven Routinen sind im Prozess des Organisierens Schicht für Schicht zu erkennen und zu bearbeiten. Dieser Erkenntnisprozess entsteht in einem Erforschungsprozess, der parallel zu den umzusetzenden Businessthemen läuft. Defensive Routinen entziehen sich mit Sicherheit dem erkennenden Blick, ohne einen Grund sich mit dem Thema zu beschäftigen. Es funktioniert nicht als Selbstzweck. Die Arbeit an Defensiven Routinen bedarf einer engen Verbindung von Entscheidern und Beratern. Organisationen haben kaum eine Chance ihre Abwehrroutinen in reiner Eigenleistung zu erkennen. Der Normalfall: Veränderung im Prozess des Organisierens sind getragen von der Vorstellung mit Managemententscheidungen, Programmen, Trainings, Coachings, Beratung der verschiedensten Art gewünschte Veränderung auf der Basis der bestehenden Formen und Muster sicher zu stellen. Ein Erforschen der Defensiven Routinen ist nicht vorgesehen und damit greift der soziale Schutzmechanismus, der die Dysfunktionen im Bereich des blinden Flecks lässt. ...
Die griechische Vorsilbe dys bedeutet schlecht /mangelhaft. Dysfunktion heißt somit Fehlfunktion, eine Funktion, die nicht nur ihren Zweck nicht erfüllt, sondern darüber hinaus eine eigene von Handelnden als unerwünscht erlebte Nebenwirkung entfaltet. Im Prozess des Organisierens treten Dysfunktionen insbesondere in der Bewältigung von Kontingenz durch Ordnung stiftende Maßnahmen häufig auf. Man könnte sogar sagen Dysfunktionen sind der Normalfall und die Tücke der Dysfunktion besteht darin, dass sie sich als solche nicht zeigt, sondern in der Regel gut „getarnt“ auftritt. Und die beste Tarnung der Dysfunktion ist, sie erscheint als Lösung in der Bewältigung von Kontingenz. Definition I: Dysfunktionen sind Fehlfunktionen im wertschöpfenden Prozess des Organisierens, die als Lösung für Kontingenzbewältigung eingeführt wurden. Unmerklich verändert die Lösung ihren eigentlich zugedachten Zweck und wird zu einem Hemmnis, zu einer Störung, zu einer failed activity im Prozess des Organisierens. Man könnte auch sagen Dysfunktionen sind im Prozess des Organisierens die heute vergeblichen Lösungsversuche von gestern. Definition II: Organisationale Dysfunktionen sind Fehlfunktionen der Zusammenarbeit bzw. des Organisierens, die dazu führen, dass die daraus resultierende Wertschöpfung hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt und damit im Ergebnis schlechter ist als sie es hätte sein müssen. ...
Intelligent organisieren in Kontingenz und warum es eine Organisations-Avantgarde braucht Eine Avantgarde der Organisationsentwicklung strebt an, neue Orientierungspunkte für eine gemeinsame Ausrichtung und ein gemeinsames Vorgehen sowie für Entscheidungs- und Entwicklungsschritte in Organisationen zu geben. Voraussetzung dafür ist die Akzeptanz der Kontingenz und dass im Kontingenzraum ein hermeneutisches Vorgehen über brauchbarere Forschungsfragen zu sinnvolleren Lösungen führen kann. Es gilt dabei, sich auf einen Forschungsprozess mit ungewissem Ausgang einzulassen, auf eine Forschungsreise, die den Möglichkeitsraum erkundet und ihn dabei zugleich erweitert und ausdehnt.