OrgAvantgarde: Folge 4 Kollektive hermeneutische Dysfunktionsforschung als radikal neuer Ansatz
Description
Systemdenken I
Intuitiv / heuristisch: Das Denken funktioniert automatisch und schnell, weitgehend mühelos und ohne willentliche Steuerung. Wir wollen dieses Denken nicht nur bei Individuen verorten, sondern sehen hier auch eine Grundlage für die kooperative Organisation im Prozess des Organisierens. Hier entstehen die Routinen, Denk- und Handlungsmuster bis hin zum pfadabhängigen Denken über große Zeiträume. So läuft die Organisation auch dann, wenn das pfadabhängige Denken zu massiven Störungen und Dysfunktionen führt. Der Zustand des Lock-in ist erreicht, wenn der Denkpfad nicht hinterfragt wird, sondern die Gründe in einem mehr oder weniger zu suchen sind, gerne verbunden mit Personalisierungen und mehr vom Gleichen.
Systemdenken I ist im Prozess des Organisierens unabdingbar schafft jedoch automatisch den blinden Fleck der nicht beabsichtigten Dysfunktionen.
Systemdenken II:
Reflexiv / hermeneutisch: Wir haben dazu schon einiges gesagt. Hier geht es um Nachdenken, und zwar auch hier wiederum nicht als Einzelleistung, sondern größeren Einheiten wie Gruppen, Bereiche, Organisationen insgesamt.
Diese Art des Denkens dient dazu den blinden Flecken des Systemdenkens I auf die Spur zu kommen. Diese Art des Denkens ist anstrengend, weil sie die Aufmerksamkeit auf mentale Aktivitäten zur Erfassung komplexer Zusammenhänge zirkuläre Wirkungen (wicked problems) und konkrete Berechnungen (Kennzahlen) richtet. Systemdenken wird getragen vom subjektiven Erleben von Handlungsmacht (locus of control), Entscheidungsfreiheit und engagierter Konzentration.
Systemdenken II ist kein einmaliger Vorgang, sondern kontextuell wie inhaltlich sorgfältig zu gestalten. Hier spielt das angewandte Design mit speziellen Instrumenten eine wesentliche Rolle. Die Frage ist dabei, wer zu welchen Themen mit welchem angestrebten Ergebnistyp in welcher Zeit zusammenkommt. Natürlich darf es auch freie Reflexionskontexte geben, jedoch dürfen diese keinesfalls die Regel sein.
Systemdenken II ist radikal, weil die hermeneutische Vorgehensweise an die Wurzel der bisherigen Überzeugungen (Muster, mentale Modelle, Pfade) geht, die in diesem Forschungsprozess in Frage gestellt werden. Ein Lock-in ist ohne externe Unterstützung nur schwerlich möglich, weil intern daran nicht gerührt werden darf. Ein sehr zuverlässiger Indikator ist dabei, die Aufregung und Ablehnung von externer Unterstützung, wenn kollektive Abwehrroutinen ausgelöst werden.
Kollektive Dysfunktionsforschung, also Systemdenken II, aktiviert Abwehrroutinen der Organisation. Für die Ausprägungen dieser Abwehrroutinen hatten wir bereits typische Kategorien definiert:
1. Erkenntnis Ignoranz
2. Gegenwartsverlängerung
3. Verantwortungsverschiebung
4. Tool-Beschwörung
So werden relevante, oft auch gravierende Probleme kollektiv invisibilisiert. …