1974: Interview mit Walter Gross
Update: 2020-08-07
Description
"Ich weiß wofür und wozu ich lebe: anderen Freude zu machen" - Walter Gross über seinen Beruf als Kabarettist und Schauspieler"Der Spiegel" vom 18.02.1953 meldete unter anderem: "...Man habe festgestellt, daß ihm ein echter SED-Funktionär auf der Spur sei und ihm ein geplanter Menschenraub drohe. Seitdem steht bei Gross in Berlin-Dahlem eine Polizeiwache vor der Haustür." Der Grund für die Bedrohung lag an seiner Dauerrolle des SED-Partei-"Funzionärs" beim Kabarett "Die Insulaner". Doch Walter Gross parodierte in der Sendung von RIAS nicht nur SED-Funktionäre, sondern gehörte in der Vor- und Nachkriegszeit über Jahrzehnte zur deutschen Kabarett- Theater- und Filmszene wie kaum ein anderer Schauspieler.
Konzentrationslager und Berufsverbot
Walter Gross kam am 5. 2.1904 in Eberswalde bei Berlin als Sohn eines Schneidermeisters zur Welt. Nach einer dreijährigen Ausbildung zum Speditionskaufmann besuchte er anschließend die Berliner "Max-Reinhard-Schauspielschule". Die ersten Rollen übernahm er in den 1920-er Jahren als Komparse in Revuen und debütierte schließlich 1926 in der Revue "Von Mund zu Mund" von Jerome Kern am Großen Berliner Schauspielhaus. Von da an war er auf verschiedenen Berliner Bühnen zu sehen, unter anderem auch am Lustspielhaus und am Theater unter den Linden. Darüber hinaus trat Walter Gross beim "Kabarett der Komiker" und im Kabarett "Tingeltangel" auf. Am "Tingeltangel" wurde er allerdings 1935 wegen einer anzüglichen Szene verhaftet und in das Konzentrationslager Esterwehe gebracht, wo er 6 Wochen verbrachte. Des weiteren wurde Walter Gross mit einem zeitweiligen Berufsverbot belegt, kehrte aber anschließend auf die Bühnen zurück. Die Filmbranche wurde ebenfalls auf das Talent von Walter Gross schnell aufmerksam. Bereits im Jahr 1933 debütierte er auf der Leinwand in dem Film "Die Nacht der großen Liebe" als Baron Danner, Leutnant zur See. Bis zum Kriegsende spielte Walter Gross in über zwei Dutzend Filmen mit. Aber auch in der Nachkriegszeit sollte er sich einer großen Popularität erfreuen.
"Jenosse Funzionär"
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte Walter Gross seine Schauspielerkarriere fort. Unvergessen bleiben seine Rolle als SED-Partei-"Funzionär" beim Kabarett "Die Insulaner" des RIAS und sein Spruch "Und damit, Jenossen, kommen wir zu unser heutiges Themata!", der im Laufe der Zeit zu seinem Markenzeichen wurde. Wegen dieser Rolle geriet Walter Gross auch in Gefahr. Das "Hamburger Abendblatt" vom 11.9.74 wusste unter anderem zu berichten: "Eine Zeitlang mußte er befürchten, die echten Funktionäre in Ost-Berlin könnten ihm seinen 'Funzionär' so verübeln, daß sie ihn zu entführen versuchten. Damals, so erzählt er, wagte er sich nur noch unter Polizeischutz auf die Straße. Kabarettisten leben gefährlich!". Gleichzeitig vernachlässigte Walter Gross ebenfalls die Arbeit an der Theaterbühne nicht. So war er in Boulevardstücken nicht nur in Berlin, sondern auch unter anderem in Stuttgart, Pforzheim, Köln, München, Frankfurt oder Hamburg zu sehen. Doch immer wieder übernahm er auch ernste Rollen. So sah man ihn unter anderem als Schüler in "Faust" von Johann Wolfgang von Goethe, als Just in "Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim oder als Hofmarschall von Kalb in "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller, um nur einige wenige zu nennen. Ebenfalls das Fernsehen und der Film der Nachkriegszeit wollten auf den populären Schauspieler nicht verzichten.
Jahre der Vielbeschäftigung
Walter Gross stieg nach dem Krieg sofort in das Filmgeschäft ein und "mimte auch hier meist den gutmütigen, schlitzohrigen Zeitgenossen" (steffi-line.de). Insbesondere in den 1950-er und 1960-er Jahren war der Schauspieler enorm aktiv und wirkte in unzähligen Filmen mit. So war er unter anderem das Paulchen in "Gitarren klingen leise durch die Nacht", der kleine Ganove in "Königin einer Nacht", der Kellner Otto in "Der Letzte Mann", der Prof. Marhold in "Café Oriental", der Straßenbahnschaffner in der Verfilmung von Erich Kästners "Emil und die Detektive" oder spielte den Richter in der Filmversion "Der Zigeunerbaron" von Kurt Wilhelm. Die Bilanz der Vielbeschäftigung: während seiner Filmkarriere spielte Walter Gross in rund 160 Filmen mit. Ebenfalls das Fernsehen setzte den Schauspieler gerne ein. So wirkte er bei über 120 TV-Produktionen mit, unter anderem neben Brigitte Mira in der TV-Serie "Drei Damen vom Grill". Immer wieder betätigte sich Walter Gross als Synchronsprecher. Unvergessen bleibt unter anderem seine deutschsprachige Version der Zeichentrickfigur "Schweinchen Dick". Für seine Verdienste wurde der populäre Schauspieler unter anderem 1979 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Er starb am 17.5.1989 in Berlin. In seinem Nachruf konstatierte "Der Spiegel" vom 22.5.1989 unter anderem: "Er verkörperte jahrzehntelang das komische Berliner Original: Kodderschnauze mit Hang zur Dämlichkeit."
Im Februar 1974 sprach DW-Redakteur Dieter Jepsen-Föge mit Walter Gross über seine Karriere.
Autor: Andreas Zemke
Redaktion: Uta Hardes-Schmeißer
Konzentrationslager und Berufsverbot
Walter Gross kam am 5. 2.1904 in Eberswalde bei Berlin als Sohn eines Schneidermeisters zur Welt. Nach einer dreijährigen Ausbildung zum Speditionskaufmann besuchte er anschließend die Berliner "Max-Reinhard-Schauspielschule". Die ersten Rollen übernahm er in den 1920-er Jahren als Komparse in Revuen und debütierte schließlich 1926 in der Revue "Von Mund zu Mund" von Jerome Kern am Großen Berliner Schauspielhaus. Von da an war er auf verschiedenen Berliner Bühnen zu sehen, unter anderem auch am Lustspielhaus und am Theater unter den Linden. Darüber hinaus trat Walter Gross beim "Kabarett der Komiker" und im Kabarett "Tingeltangel" auf. Am "Tingeltangel" wurde er allerdings 1935 wegen einer anzüglichen Szene verhaftet und in das Konzentrationslager Esterwehe gebracht, wo er 6 Wochen verbrachte. Des weiteren wurde Walter Gross mit einem zeitweiligen Berufsverbot belegt, kehrte aber anschließend auf die Bühnen zurück. Die Filmbranche wurde ebenfalls auf das Talent von Walter Gross schnell aufmerksam. Bereits im Jahr 1933 debütierte er auf der Leinwand in dem Film "Die Nacht der großen Liebe" als Baron Danner, Leutnant zur See. Bis zum Kriegsende spielte Walter Gross in über zwei Dutzend Filmen mit. Aber auch in der Nachkriegszeit sollte er sich einer großen Popularität erfreuen.
"Jenosse Funzionär"
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte Walter Gross seine Schauspielerkarriere fort. Unvergessen bleiben seine Rolle als SED-Partei-"Funzionär" beim Kabarett "Die Insulaner" des RIAS und sein Spruch "Und damit, Jenossen, kommen wir zu unser heutiges Themata!", der im Laufe der Zeit zu seinem Markenzeichen wurde. Wegen dieser Rolle geriet Walter Gross auch in Gefahr. Das "Hamburger Abendblatt" vom 11.9.74 wusste unter anderem zu berichten: "Eine Zeitlang mußte er befürchten, die echten Funktionäre in Ost-Berlin könnten ihm seinen 'Funzionär' so verübeln, daß sie ihn zu entführen versuchten. Damals, so erzählt er, wagte er sich nur noch unter Polizeischutz auf die Straße. Kabarettisten leben gefährlich!". Gleichzeitig vernachlässigte Walter Gross ebenfalls die Arbeit an der Theaterbühne nicht. So war er in Boulevardstücken nicht nur in Berlin, sondern auch unter anderem in Stuttgart, Pforzheim, Köln, München, Frankfurt oder Hamburg zu sehen. Doch immer wieder übernahm er auch ernste Rollen. So sah man ihn unter anderem als Schüler in "Faust" von Johann Wolfgang von Goethe, als Just in "Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim oder als Hofmarschall von Kalb in "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller, um nur einige wenige zu nennen. Ebenfalls das Fernsehen und der Film der Nachkriegszeit wollten auf den populären Schauspieler nicht verzichten.
Jahre der Vielbeschäftigung
Walter Gross stieg nach dem Krieg sofort in das Filmgeschäft ein und "mimte auch hier meist den gutmütigen, schlitzohrigen Zeitgenossen" (steffi-line.de). Insbesondere in den 1950-er und 1960-er Jahren war der Schauspieler enorm aktiv und wirkte in unzähligen Filmen mit. So war er unter anderem das Paulchen in "Gitarren klingen leise durch die Nacht", der kleine Ganove in "Königin einer Nacht", der Kellner Otto in "Der Letzte Mann", der Prof. Marhold in "Café Oriental", der Straßenbahnschaffner in der Verfilmung von Erich Kästners "Emil und die Detektive" oder spielte den Richter in der Filmversion "Der Zigeunerbaron" von Kurt Wilhelm. Die Bilanz der Vielbeschäftigung: während seiner Filmkarriere spielte Walter Gross in rund 160 Filmen mit. Ebenfalls das Fernsehen setzte den Schauspieler gerne ein. So wirkte er bei über 120 TV-Produktionen mit, unter anderem neben Brigitte Mira in der TV-Serie "Drei Damen vom Grill". Immer wieder betätigte sich Walter Gross als Synchronsprecher. Unvergessen bleibt unter anderem seine deutschsprachige Version der Zeichentrickfigur "Schweinchen Dick". Für seine Verdienste wurde der populäre Schauspieler unter anderem 1979 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Er starb am 17.5.1989 in Berlin. In seinem Nachruf konstatierte "Der Spiegel" vom 22.5.1989 unter anderem: "Er verkörperte jahrzehntelang das komische Berliner Original: Kodderschnauze mit Hang zur Dämlichkeit."
Im Februar 1974 sprach DW-Redakteur Dieter Jepsen-Föge mit Walter Gross über seine Karriere.
Autor: Andreas Zemke
Redaktion: Uta Hardes-Schmeißer
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