Die medial angeheizte Drohnen-Hysterie fällt jeden Tag mehr in sich zusammen
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So ziemlich alle „Russen-Drohnen“-Berichte der letzten Wochen aus Deutschland, Polen, Frankreich, Norwegen, Litauen und Dänemark haben sich mittlerweile als unbegründet herausgestellt. In Litauen waren es Zigaretten-Schmuggler, in Norwegen, beim Frankfurter Flughafen sowie beim Warschauer Präsidentenpalast „Hobbydrohnenpiloten“, die ihren Neuerwerb testen wollten. Die Bundeswehr sah sich gezwungen, SPIEGEL-Berichte zu angeblichen Überflügen zu dementieren. Auch in Dänemark legten Politik und Polizei den Rückwärtsgang ein. Ähnlich zeigt sich die Lage beim angeblichen „russischen Drohnen-Tanker“, den französische Spezialeinheiten medienwirksam am 27. September in internationalen Gewässern bei Saint-Nazaire aufgebracht hatten. Von Florian Warweg.
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Noch am 5. Oktober titelten die Kollegen vom Tagesspiegel: „Exklusiv – Wegen Drohnenvorfällen: CDU-Verteidigungspolitiker fordert Einsatz der Bundeswehr im Inneren“.
Darin heißt es gleich zu Beginn:
„Drohnen legen Flughäfen lahm, fliegen über Rüstungsbetriebe oder Militäranlagen. (…) Allgemein angenommen wird bisher, dass Russland hinter den Drohnenvorfällen steckt, die unter anderem den Flughafen München lahmlegten.“
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Tagesspiegel-Artikels war bereits bekannt, dass etwa der Drohnenvorfall am 3. Oktober am Frankfurter Flughafen auf einen 41-jährigen „Hobbydrohnenpiloten“ zurückzuführen war. Ein Pressesprecher der Bundespolizei hatte dazu bereits am 4. Oktober erklärt, der Mann habe „nach aktuellen Erkenntnissen seine neu erworbene Drohne kurz testen“ wollen. Weiter führte der Sprecher aus, dass es „keine Hinweise auf Verbindungen des festgenommenen 41-Jährigen zu Russland“ gegeben habe.
Ebenso hatte vor Veröffentlichung des Tagesspiegel-Berichts die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) bereits eine Meldung veröffentlicht, dass die Schließung des größten Flughafens Litauens nicht auf russische Drohnen, sondern auf von Zigarettenschmugglern genutzte Heißluftballons zurückzuführen sei:
AP zitiert in dem Zusammenhang den Sprecher des Flughafens von Vilnius mit der Aussage, dass das Schmuggeln „mittels Ballons und Drohnen“ durchaus üblich sei in der Region und zwar eine kriminelle Handlung, „jedoch keine Provokation oder Sabotageakt“ darstelle.
In dem Kontext wird von BBC zudem erwähnt, dass Zigarettenschmuggler aus Belarus verstärkt auf Heißluftballons statt Drohnen setzen, da Erstere viel billiger seien, um Zigaretten in die EU zu schmuggeln. Laut CNN wurden allein letztes Jahr 966 Heißluftballons sowie eine nicht näher genannte Zahl an Drohnen von den litauischen Behörden abgefangen. Mit einem Unterschied: Letztes Jahr wurden diese von Schmugglern eingesetzten Drohnen und Heißluftballons noch nicht von Politik und Medien als „russische Provokation“ verkauft.
Genau diesen Vorfall hatten zuvor insbesondere deutsche Medien, unter anderem Deutschlandfunk und SPIEGEL, noch am 5. Oktober als weitere russische Provokation geframt.
Bundeswehr dementiert SPIEGEL-Berichte über Drohnenüberflüge
Es war auch der SPIEGEL, der mit Verweis auf „interne Behördenvermerke“ am 1. Oktober von Drohnenvorfällen über Rüstungs- und Militäreinrichtungen in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern berichtete. Darin hieß es unter anderem:
„Die Sichtung über Schleswig-Holstein war nicht der einzige sicherheitsrelevante Vorfall mit Drohnen vergangene Woche. Nach SPIEGEL-Informationen wurden ebenfalls am Donnerstag verdächtige Drohnen über dem Bundeswehrstandort Sanitz in Mecklenburg-Vorpommern gesichtet.“
Doch dieser SPIEGEL-Bericht im Indikativ wurde von einer Sprecherin der Flugabwehrraketengruppe 21 (FlaRakGrp 21) der Bundeswehr dementiert:
„Am Standort Sanitz sowie an den weiteren Standorten der FlaRakGrp 21 gab es entgegen der Medienberichte keine registrierten Drohnenüberflüge.“
Ähnlich äußerte sich auch Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack und erklärte, dass bei einem Großteil der Sichtungen in der Nacht auf Freitag (3. Oktober) Experten illegale, kritische Drohnen-Überflüge mittlerweile ausschließen würden.
Auch in den nordischen Ländern wird der Rückwärtsgang eingelegt
In Norwegen wiederum wurden am 30. September drei junge Deutsche (alle Anfang 20) kurzzeitig festgenommen, weil sie eine Drohne in der verbotenen Fünf-Kilometer-Zone rund um den Flughafen Røssvoll gestartet hatten. Auch hier erklären die Behörden, dass diese Vorfälle „keinem staatlichen Akteur zugeordnet werden konnten“. Darüber hinaus teilte der Betreiber Avinor dem norwegischen Sender TV2 auf Nachfrage mit, dass Drohnen über dem Flughafen keine Seltenheit seien:
„Im vergangenen Jahr gab es rund 1500 solcher Vorfälle. Die meisten gingen auf Touristen zurück.“
Der BSW-Europaabgeordnete Fabio de Masi wies in einem X-Beitrag vom 5. Oktober darauf hin, dass in Dänemark ebenfalls sowohl Ermittlungsbehörden wie Politik verbal den Rückwärtsgang einlegen und statt von „Drohnenbeobachtungen“ mittlerweile nur noch von „Luftbeobachtungen“ sprechen und einräumen, dass noch nicht einmal klar ist, ob es sich bei den beobachteten Objekten wirklich um Drohnen gehandelt hat:
Das mediale und politische Trommelfeuer um vermutete russische Drohnen war wohl (wieder mal) ein wenig verfrüht! Es gibt Stand heute dafür (noch) keinen Beweis und die dänische Regierung rudert zurück
Aus der dänischen Presse:
„ (…) der Leiter der dänischen Polizei,… pic.twitter.com/claWxUd1X4
— Fabio De Masi
(@FabioDeMasi) October 5, 2025
Ende September hatten allerdings Mette Frederiksen, die sozialdemokratische Ministerpräsidentin, explizit von einem „Drohnenangriff“ und Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen von einer „hybriden Attacke“ gesprochen und dabei explizit Bezug zu Russland hergestellt. Eine Woche später, am 4. Oktober, berichtete die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Dänemarks, DR, von einer Pressekonferenz des Verteidigungsministers sowie des Chefs des dänischen Militärgeheimdienstes, Thomas Ahrenkiel, und dass dabei im Vergleich zur letzten Woche eine „spürbare Veränderung in der Rhetorik, insbesondere seitens des Verteidigungsministers“ festgestellt werden konnte. Daraufhin folgt ein Ausschnitt der Aussagen des Verteidigungsministers auf dieser Pressekonferenz:
Verteidigungsminister Poulsen:
„Ich glaube, die Lehre aus dem, was wir in Bezug auf Drohnenbeobachtungen gesehen haben – oder was wir jetzt eher als Luftbeobachtungen bezeichnen –, ist, dass es viele verschiedene Dinge erfordert, um ganz genau zu sehen, ob es sich um eine Drohne oder um andere Objekte handelt.“
Frage Journalist:
„Bedeutet das, dass Sie derzeit nicht wissen, ob es sich tatsächlich um einen hybriden Angriff auf Dänemark letzte Woche handelte?“
Antwort Poulsen:
„Ich kann nicht viel mehr dazu sagen, als dass laut dem Leiter des FE (Chef der dänischen Polizei) derzeit Ermittlungen laufen. Aber was wir letzte Woche auch diskutiert haben, war diese simultane Aktion, die an mehreren Orten in Dänemark fast gleichzeitig stattfand. Und deshalb war man zu diesem Zeitpunkt auch der Meinung, dass es sich um