Jörn Pötting: Ist Co-Housing im Alter eine Lösung für die Pflegekrise?
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Architektur als „Betriebssystem“ für soziales Miteinander: Wie ein Berliner Architekt das Wohnen im Alter revolutionieren will
Die Boomer-Generation steht vor einem Problem: Das aktuelle Pflegesystem wird ihre Bedürfnisse nicht erfüllen können. Während die Politik noch über längere Arbeitszeiten diskutiert, denkt Architekt Jörn Pötting bereits konkrete Alternativen aus. Seit 25 Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema Bauen für Senioren und hat eine klare Vision: Co-Housing-Projekte, die individuelle Freiheit mit gemeinschaftlichen Räumen kombinieren.
Als Generalplaner deckt Pötting ein breites Spektrum ab: vom Bau für Senioren über nachhaltigen Geschosswohnungsbau bis hin zu Quartierskonzepten. Für ihn ist Architektur mehr als funktionale Räume – sie ist ein „Betriebssystem für soziales Miteinander“, das Gemeinschaft stärkt und Lebensqualität fördert. Seine These: Das Leben im Alter muss für die Boomer-Generation radikal neu gedacht werden.
Im Gespräch mit Claudia Mattheis erklärt der 1963 geborene Architekt, warum seine Generation Teil des Problems ist, wie Co-Housing konkret funktioniert und warum er von Kommunen, Kirchen und Investoren mehr Mut fordert.
Die Boomer-Generation: Individualisten ohne Plan
Warum das aktuelle System nicht funktioniert
Jörn Pötting gehört selbst zur Boomer-Generation und sieht die Herausforderung klar: „Wir kommen in eine Zeit, in der immer mehr Rentner von immer weniger Erwerbstätigen finanziert werden.“ Seine Analyse ist nüchtern: „So wie es jetzt organisiert ist, wird es auf keinen Fall weiter zu finanzieren sein. Das wissen im Prinzip alle. Aber keiner will es so richtig aussprechen.“
Der Unterschied zu heute
„Wir haben im Augenblick die Kriegskinder, die in den Altersheimen sind, die den Krieg als Kinder erlebt haben, die sehr leistungsorientiert sind und sich sehr gut bescheiden können. Und da ist unsere Generation wirklich weit entfernt. Wir sind eine Generation von Individualisten, die ganz andere Ansprüche hat.“
Co-Housing: Was Gemeinschaftswohnen konkret bedeutet
Eigene Wohnung plus Gemeinschaftsräume
„Co-Housing ist vielleicht auch nicht der richtige Begriff“, räumt Pötting ein. „Eigentlich ist es eher ein kollaborierendes Wohnen, ein Gemeinschaftswohnen mit individuellem Anspruch.“ Das Konzept ist klar strukturiert: „Jeder hat seine eigene Wohnung. Was interessant und wichtig ist, weil wir auch aus einer Generation kommen, die Wohngemeinschaftserfahrung hat oder hatte und wir auch nicht dahin zurückkommen möchten.“
Zusätzlich gibt es „Gemeinschaftsflächen, angefangen bei einer gemeinschaftlichen Küche, Werkräumen, Bibliotheksräumen, Handwerksräumen wie Nähmaschinenräumen, Töpferräumen – also alles, was man sich vorstellen kann, die von der Miete oder von den Mietern gemeinschaftlich finanziert werden, aber selbstverwaltet organisiert werden, etwa in einer AG-Struktur.“
Weitere Informationen zu Jörn Pöttings Projekten und Co-Housing-Konzepten finden Sie auf seiner Website.
LinkedIn Jörn Pötting: https://www.linkedin.com/in/jörn-pötting-945009132/
Webseite: https://www.poetting-architekten.de/