Sinja Meyer-Rötz: Wie gutes Leben im Alter in Berlin gelingt
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Pflege, Politik, Perspektiven: Was die Pflegebeauftragte in Berlin verändern will.
Gerade in einer Stadt wie Berlin, in der das Leben im Alter ganz unterschiedliche Gesichter hat, braucht es jemanden, der zuhört, vernetzt und konkrete Verbesserungen anstößt. Und genau das tut Sinja Meyer-Rötz. Als Pflegebeauftragte des Landes Berlin ist sie eine Stimme für all jene, die sonst oft überhört werden: ältere Menschen, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen.
Sie ist promovierte Gerontologin, Honorarprofessorin an der Alice-Salomon-Hochschule und bringt langjährige Erfahrung aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis mit, unter anderem als Krisenmanagerin in der Pandemie oder als Expertin für die Themen Krisenvorsorge, Klima und Pflege. Und: Sie hat ein feines Gespür dafür, was Menschen im Alter wirklich brauchen.
Im Gespräch mit Claudia Mattheis erzählt sie, wie sich das Altern in Berlin anfühlt und was sich ändern muss, damit ein gutes Leben auch mit Pflegebedarf möglich bleibt.
Warum wir Sinja Meyer-Rötz eingeladen haben
Weil sie als Pflegebeauftragte die Perspektiven vertritt, die sonst kaum jemand hört. Weil sie sich nicht scheut, Missstände zu benennen. Und weil sie in jeder Antwort spüren lässt, dass es ihr um die Menschen geht. Ihre Aufgabe versteht sie nicht als reine Verwaltungsrolle, sondern als Brücke zwischen Politik und Lebensrealität.
Pflege beginnt beim Zuhören
Wenn Betroffene verzweifelt sind, muss jemand da sein
"Hier rufen Menschen an, die mit ihrem Schicksal gerade völlig überfordert sind. Die sind hilflos, die sind verzweifelt." Sinja Meyer-Rötz erlebt täglich, wie schwer es vielen fällt, sich im Pflegesystem zurechtzufinden. Umso wichtiger ist ihr eine niedrigschwellige Erreichbarkeit: "Wir haben mehrmals in der Woche eine telefonische Sprechstunde. Es gibt ein Kontaktformular auf unserer Internetseite, das auch anonym ausgefüllt werden kann."
Dass ihr Amt gelebte Teilhabe ermöglicht, ist ihr ein zentrales Anliegen: "Wir sind Interessensvertretung für Pflegebedürftige und für Pflegende und Zugehörige. Das heißt, wir müssen sicherstellen, dass die uns überhaupt erreichen können."
Berlin kann Pflege, aber nicht überall
Gute Strukturen, doch große Lücken
"Unsere Strukturen sind sehr breit, sehr vielfältig, unglaublich kompetent." Besonders hebt Meyer-Rötz die 36 wohnortnahen Pflegestützpunkte hervor. Dennoch gibt es gravierende Probleme. "Wir haben deutlich zu wenig Plätze für die Kurzzeitpflege in Berlin. Das führt nicht selten dazu, dass Angehörige, die eine Auszeit brauchen, keine Versorgung finden."
Besonders drastisch sind die Hürden bei der Barrierefreiheit. "Die Wohnung ist in sich barrierefrei, aber wenn dann ein Fahrstuhl nicht funktioniert oder drei Treppenstufen vor der Tür sind, wird das selbstbestimmte Leben unmöglich." Auch Pflegedienste verweigern manchmal Einsätze in oberen Stockwerken, wenn der Aufzug dauerhaft ausfällt. "Das eigenständige Verlassen wird ja schwierig."
Caring Communities: Gemeinsam statt einsam
Wie wir Nachbarschaft neu denken können
"Sorgende Gemeinschaften sind etwas, worauf wir in den nächsten Jahren setzen sollten." Sinja Meyer-Rötz spricht sich klar für mehr lokale Netzwerke aus, in denen sich Menschen gegenseitig unterstützen. "Nicht jede pflegebedürftige Person ist so schwer betroffen, dass sie nichts zur Gemeinschaft beitragen kann. Alle profitieren voneinander."
Dass es in Berlin schon viele Strukturen gibt, müsse man besser nutzen. "Wir haben ganz viele tolle Strukturen: Familienzentren, Seniorenfreizeitstätten, Kiezclubs. Jetzt müssen wir sie besser verzahnen und inhaltlich umbauen." Entscheidend sei auch, dass Engagement nicht auf Einzelpersonen lastet: "Ich möchte nicht alleine zuständig sein für eine Person."