Rentenpaket im Bundestag: Kippt die „Junge Gruppe“ Gesetz und Koalition?
Update: 2025-12-05
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SWR Aktuell: Kann man sagen, heute geht es ganz grundsätzlich um die Zukunft der demokratischen Mitte?
Ursula Münch: Das finde ich jetzt ein bisschen zu hoch gegriffen. Es geht jetzt nicht um Sein oder Nichtsein für die Bundesregierung und damit für unseren demokratischen Verfassungsstaat. Aber natürlich, falls das jetzt nicht so klappt, wie sich die Bundesregierung das vorstellt, dann ist das ein massiver Ansehensverlust, ein massives gegenseitiges Misstrauen, das dann noch größer wird zwischen den beiden Koalitionspartnern, die Republik. Allen voran die nicht gemäßigte Opposition wird Hass und Häme aussenden. Das ist nichts Erstrebenswertes, aber es geht nicht um dieses Land und nicht um die Demokratie.
SWR Aktuell: Das vielleicht nicht, aber es ist ja trotzdem eine schwierige Situation, eine schwierige Lage, wenn heute dieses Rentenpaket durchgeht, es aber keine eigene Mehrheit gibt –und es letzten Endes nur durchgegangen ist, weil die Linken sich dazu entschieden haben, sich zu enthalten. In welche Position würde das den Kanzler bringen?
Münch: Das würde den Bundeskanzler Friedrich Merz noch weiter schwächen. Meines Erachtens ist er zumindest innenpolitisch ohnehin schon angeschlagen. Er hat Schwierigkeiten für seine unterschiedlichen politischen Inhalte, aber auch für seine Personalvorschläge. Er hat immer wieder Schwierigkeiten, und zwar seit Amtsantritt, Mehrheiten zu organisieren. Und Mehrheiten zu organisieren, das hört sich so abstrakt an, so sperrig an, aber das ist ja das Grundbestandteil des politischen Geschäfts.
Es genügt ja nicht, wenn einer eine tolle Idee hat, und dann springen alle auf und sagen, ach ja, wir machen mit. Man muss die eigenen Leute überzeugen: in der eigenen Partei, in der eigenen Fraktion, vor allem dann aber den jeweiligen Koalitionspartner. Und das ist natürlich in einer Zeit mit so einer dann doch knappen Mehrheit schwierig. Man hat nur zwölf Mandate mehr, und das war in früheren, gerade in den großen Koalitionen natürlich, immer wesentlich stabiler. Wir hatten auch kleinere Koalitionen in früheren Phasen der Bundesrepublik. Aber da war das keine lagerübergreifende Koalition wie jetzt. Zwischen CDU, CSU und FDP, da musste man nicht ständig Sorgen haben, zumindest nicht in früheren Zeiten, dass man sich ans Schienbein kickt.
SWR Aktuell: Jetzt ist es ja so, dass der Kanzler tatsächlich am Anfang seiner Amtszeit viel im Ausland unterwegs war. Man hatte häufig das Gefühl, die Innenpolitik ist ihm gar nicht so wichtig. Fällt ihm das jetzt so ein bisschen auf die Füße?
Münch: Ja, aber ich würde jetzt mit Blick auf die Ursachen, warum er so oft im Ausland unterwegs ist und unterwegs war, schon widersprechen. Das war und ist dringend nötig. Ein Bundeskanzler kann nicht zu den USA, zur Ukraine, zum belgischen Regierungschef, bei dem er heute Abend sein muss, sagen, „ich habe gerade so viel Ärger mit meiner jungen Union und mit meinem Koalitionspartner – tut mir leid, Weltpolitik kann ich erst in zwei Jahren machen“. Das geht natürlich nicht. Für uns als Bürgerinnen und Bürger, aber gerade auch für die anderen europäischen Staaten, ist es extrem wichtig, dass wir einen meines Erachtens außenpolitisch sehr handlungsfähigen Bundeskanzler haben. Aber er muss ja auch nicht alles allein machen. Er hat doch eigentlich genügend Leute, die gelegentlich mal dann auch den Telefonhörer selbst in die Hand nehmen, beziehungsweise ihm sagen, jetzt ist wichtig, jetzt musst du telefonieren.
SWR Aktuell: Wenn das Rentenpaket heute beschlossen werden sollte, dann will die Koalition schnell eine Kommission einsetzen, die Reformen für das Rentensystem erarbeiten soll. Das war auch ein Zugeständnis an die junge Gruppe in der Union. Aber trauen Sie so einer Kommission zu, dass sie tatsächlich auch wirklich Lösungen liefert, auf die sich Union und SPD dann einigen können?
Münch: Wir kennen die Zusammensetzung einer solchen Kommission noch nicht. Das wird auch schwierig werden, da gerade auch Wissenschaftler zu finden, die bereit sind, quasi ein Jahr lang, ein halbes Jahr lang, ihre gesamten sonstigen Aufgaben einfach mal abzulegen – denn das ist eine tagfüllende und wochenfüllende Beschäftigung. Und dann, wenn sich eine Kommission auf etwas verständigt, was mühsam genug ist in diesem unheimlich schwierigen Politikfeld Rentenversicherung, aber es geht noch. Aber wenn die sich auf das geeinigt haben, ist das nur eine Grundlage, über die dann selbstverständlich parlamentarisch beraten werden muss. Und dann fangen wieder die unterschiedlichen Interessen an: dass die SPD sagt, uns geht es um die jetzigen Rentner und die Union sagt, wir müssen doch auch die künftigen junge Generationen stärker im Blick behalten und so weiter und so fort. Eine gute Grundlage ist extrem schwierig herzustellen, wäre aber schon mal eine schöne Sache. Aber dann wird es natürlich wieder konfliktreich und zwar nicht, weil die Politiker nicht fähig sind, sondern weil das tatsächlich extrem umstrittene Fragen sind und weil wir es eben mit zwei Koalitionspartnern zu tun haben, die aus unterschiedlichen politischen Lagern kommen und unterschiedliche Vorstellungen haben von diesem Sozialversicherungs- und vom sozialpolitischen System.
Ursula Münch: Das finde ich jetzt ein bisschen zu hoch gegriffen. Es geht jetzt nicht um Sein oder Nichtsein für die Bundesregierung und damit für unseren demokratischen Verfassungsstaat. Aber natürlich, falls das jetzt nicht so klappt, wie sich die Bundesregierung das vorstellt, dann ist das ein massiver Ansehensverlust, ein massives gegenseitiges Misstrauen, das dann noch größer wird zwischen den beiden Koalitionspartnern, die Republik. Allen voran die nicht gemäßigte Opposition wird Hass und Häme aussenden. Das ist nichts Erstrebenswertes, aber es geht nicht um dieses Land und nicht um die Demokratie.
SWR Aktuell: Das vielleicht nicht, aber es ist ja trotzdem eine schwierige Situation, eine schwierige Lage, wenn heute dieses Rentenpaket durchgeht, es aber keine eigene Mehrheit gibt –und es letzten Endes nur durchgegangen ist, weil die Linken sich dazu entschieden haben, sich zu enthalten. In welche Position würde das den Kanzler bringen?
In der Koalition von CDU, CSU und FDP musste man in früheren Zeiten nicht Sorgen haben, dass man sich ans Schienbein kickt.Quelle: Politikwissenschaftlerin Ursula Münch
Münch: Das würde den Bundeskanzler Friedrich Merz noch weiter schwächen. Meines Erachtens ist er zumindest innenpolitisch ohnehin schon angeschlagen. Er hat Schwierigkeiten für seine unterschiedlichen politischen Inhalte, aber auch für seine Personalvorschläge. Er hat immer wieder Schwierigkeiten, und zwar seit Amtsantritt, Mehrheiten zu organisieren. Und Mehrheiten zu organisieren, das hört sich so abstrakt an, so sperrig an, aber das ist ja das Grundbestandteil des politischen Geschäfts.
Es genügt ja nicht, wenn einer eine tolle Idee hat, und dann springen alle auf und sagen, ach ja, wir machen mit. Man muss die eigenen Leute überzeugen: in der eigenen Partei, in der eigenen Fraktion, vor allem dann aber den jeweiligen Koalitionspartner. Und das ist natürlich in einer Zeit mit so einer dann doch knappen Mehrheit schwierig. Man hat nur zwölf Mandate mehr, und das war in früheren, gerade in den großen Koalitionen natürlich, immer wesentlich stabiler. Wir hatten auch kleinere Koalitionen in früheren Phasen der Bundesrepublik. Aber da war das keine lagerübergreifende Koalition wie jetzt. Zwischen CDU, CSU und FDP, da musste man nicht ständig Sorgen haben, zumindest nicht in früheren Zeiten, dass man sich ans Schienbein kickt.
SWR Aktuell: Jetzt ist es ja so, dass der Kanzler tatsächlich am Anfang seiner Amtszeit viel im Ausland unterwegs war. Man hatte häufig das Gefühl, die Innenpolitik ist ihm gar nicht so wichtig. Fällt ihm das jetzt so ein bisschen auf die Füße?
Merz muss ja auch nicht alles allein machen.Quelle: Ursula Münch, Politikwissenschaftlerin
Münch: Ja, aber ich würde jetzt mit Blick auf die Ursachen, warum er so oft im Ausland unterwegs ist und unterwegs war, schon widersprechen. Das war und ist dringend nötig. Ein Bundeskanzler kann nicht zu den USA, zur Ukraine, zum belgischen Regierungschef, bei dem er heute Abend sein muss, sagen, „ich habe gerade so viel Ärger mit meiner jungen Union und mit meinem Koalitionspartner – tut mir leid, Weltpolitik kann ich erst in zwei Jahren machen“. Das geht natürlich nicht. Für uns als Bürgerinnen und Bürger, aber gerade auch für die anderen europäischen Staaten, ist es extrem wichtig, dass wir einen meines Erachtens außenpolitisch sehr handlungsfähigen Bundeskanzler haben. Aber er muss ja auch nicht alles allein machen. Er hat doch eigentlich genügend Leute, die gelegentlich mal dann auch den Telefonhörer selbst in die Hand nehmen, beziehungsweise ihm sagen, jetzt ist wichtig, jetzt musst du telefonieren.
SWR Aktuell: Wenn das Rentenpaket heute beschlossen werden sollte, dann will die Koalition schnell eine Kommission einsetzen, die Reformen für das Rentensystem erarbeiten soll. Das war auch ein Zugeständnis an die junge Gruppe in der Union. Aber trauen Sie so einer Kommission zu, dass sie tatsächlich auch wirklich Lösungen liefert, auf die sich Union und SPD dann einigen können?
Eine gute Grundlage ist extrem schwierig herzustellen, wäre aber schon mal eine schöne Sache.Quelle: Ursula Münch, Akademie für Politische Bildung
Münch: Wir kennen die Zusammensetzung einer solchen Kommission noch nicht. Das wird auch schwierig werden, da gerade auch Wissenschaftler zu finden, die bereit sind, quasi ein Jahr lang, ein halbes Jahr lang, ihre gesamten sonstigen Aufgaben einfach mal abzulegen – denn das ist eine tagfüllende und wochenfüllende Beschäftigung. Und dann, wenn sich eine Kommission auf etwas verständigt, was mühsam genug ist in diesem unheimlich schwierigen Politikfeld Rentenversicherung, aber es geht noch. Aber wenn die sich auf das geeinigt haben, ist das nur eine Grundlage, über die dann selbstverständlich parlamentarisch beraten werden muss. Und dann fangen wieder die unterschiedlichen Interessen an: dass die SPD sagt, uns geht es um die jetzigen Rentner und die Union sagt, wir müssen doch auch die künftigen junge Generationen stärker im Blick behalten und so weiter und so fort. Eine gute Grundlage ist extrem schwierig herzustellen, wäre aber schon mal eine schöne Sache. Aber dann wird es natürlich wieder konfliktreich und zwar nicht, weil die Politiker nicht fähig sind, sondern weil das tatsächlich extrem umstrittene Fragen sind und weil wir es eben mit zwei Koalitionspartnern zu tun haben, die aus unterschiedlichen politischen Lagern kommen und unterschiedliche Vorstellungen haben von diesem Sozialversicherungs- und vom sozialpolitischen System.
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