DiscoverSWR2 Kultur AktuellZwischen Wurst-Intermezzo und Fake Kneipe: Gabi Blum
Zwischen Wurst-Intermezzo und Fake Kneipe: Gabi Blum

Zwischen Wurst-Intermezzo und Fake Kneipe: Gabi Blum

Update: 2025-11-25
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Appetitlich wirken die Speisen nicht


Eine reichhaltig gedeckte Tafel: blütenweiße Tischdecke, Kürbisse, eine Weinflasche, ein paar Deko-Elemente. Doch wirklich appetitlich lockt die Darbietung der Speisen hier nicht wie auf einem Stillleben aus dem 17. Jahrhundert.
Berge an Weißwürsten in unterschiedlichen Größen wild verteilt über den Tisch, eine Packung Zigaretten oder umgestoßene Krüge sorgen eher für Irritation als einen knurrenden Magen.
Ein einzelner Augapfel liegt unterhalb von einem mit Federn beklebten Plastik Schwan, der mit Blumen dekoriert auf dem Tisch thront. Bei genauerer Betrachtung kommt das stattliche Tier aber ziemlich zerrupft daher. Über der Tafel hängt eine gefährlich spitze, Riesen-Säge mit dem Schriftzug: „Stammtisch“ darauf. Mitten im Tisch finden sich mehrere Löcher.

Raum und Gastlichkeit


„Dieser Tisch ist eine Reminiszenz, eine Fortführung eines barocken Schaugerichts. Da wurden bei großen Mählern da Gerichte aufgebaut und Essen inszeniert, das eigentlich mehr skulptural funktioniert hat, das wurde nie gegessen. Und bei der Eröffnung – hat Gabi ihren Kopf, Hand und ein Bein in dieses skulpturale Werk aus Essen mitinstalliert“, erklärt Museumsleiter Christian Baudisch diese eigenartige Tafel.
Wie die Künstlerin selbst mit Lebensmitteln dekoriert wird, ist jetzt in einem Video oberhalb des Tisches zu verfolgen. „Raum der Gastlichkeit“ steht auf einem kleinen Schild.
Wie passend: Die Säge ist aus einer Kneipe von Blums Vater. Raum und Gastlichkeit sind die Stichworte – beides Themen, die sie als Künstlerin für eine Ausstellung im Fleischermuseum prädestinieren.

Begehbare Versuchsanordnungen


Fast in jeder Ecke gibt es jetzt etwas zu entdecken. Eine Fotografie von Würsten aller Art, kunstvoll drapiert, „Wurstketten Intermezzo“ der Titel, neben der improvisiert aufgebauten Kulisse von einem Saloon.
Gabi Blum ist sozusagen eingezogen in die besonderen Räumlichkeiten und hat sich den Herausforderungen dieses speziellen Hauses mit seinen schiefen Wänden und dem offenen Fachwerk gestellt. Begehbare Versuchsanordnungen, so könnte man Blums Installationen bezeichnen.

Teils Rückblick, teils Neues


Zwischen ironischen Beobachtungen von Dingen und Orten, an denen wir sonst oftmals vorbeischauen, taucht die Künstlerin immer wieder selbst auf, in Installationen, als Figur oder Objekt.
Insgesamt sieben Räume hat Gabi Blum im Deutschen Fleischermuseum gestaltet, zum Teil ist das ein künstlerischer Rückblick auf ihr Werk, zum Teil entsteht etwas ganz Neues im Dialog mit dem Raum.
Künstlerische Selbstbefragung trifft auf theatrale Selbstinszenierung, die aber immer mit viel Selbstironie erfolgt. Dazu passt auch der Titel „The Rise and the Fall (of the Great)“, erklärt Christian Baudisch.

Auch eine Gespensterjagd ist inklusive


Auch die ironisch gemeinte Retrospektive bekommt eine kulturpolitische Dimension: warum ist so ein Überblick über das Lebenswerk eigentlich vor allem (weißen), alten männlichen Künstlern vorbehalten und worauf sollte man warten – auch mit knapp Mitte 40 lohnt sich eine Rückschau, bei der man noch selbst entscheiden kann.
Wer es ganz hoch bis unters Dach der Böblinger Vogtsscheune geschafft hat, kann in der Ausstellung – passend zu so einem alten Gebäude – auch auf Gespensterjagd gehen.
Im Halbdunkel sind Kostüme von Performances aus der Vergangenheit der Künstlerin zu erahnen und auf einer Leinwand blickt Gabi Blum mit einer Arbeit ganz an den Anfang: Kostümiert als Gruselgestalt im roten Mittelalter- Gewand mit grünem Gesicht performt sie mit einer Bastel-Rekonstruktion des Michelstädter Rathauses.
Zu alten Gebäuden hat die Künstlerin einen besonderen Bezug, ist doch Michelstadt mit einem der originellsten Fachwerkbauten Deutschlands ihre Heimatstadt.

Eine ungewöhnliche Schau


Eine Ausstellung wie eine Wunderkammer oder ein großer Spielplatz, ein Gesamtkunstwerk, das mit der Irritation spielt und trotz humorvoller Brüche doch auch mit dem nötigen Ernst kulturpolitische Fragen aufwirft.
Diese ungewöhnliche Schau passt nicht nur auf den zweiten Blick perfekt in das Museum der anderen Art, das Deutsche Fleischermuseum, auch hier liegen Ernst und Groteske eng beieinander.
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