Aus dem Schatten der Schmetterlinge: Cornelia Funkes neues Buch „Nachtfalter“
Update: 2025-09-15
Description
Das ist so aufregend, wenn man Geschöpfe entdeckt, die eigentlich immer da waren, aber für die wir blind waren. Was wir ja leider für sehr viele Geschöpfe dieser Welt sind, weil wir so menschenbesessen sind.
Einem dieser Geschöpfe sind wir nun auf der Spur. Nachts in der Toskana, auf Cornelia Funkes Anwesen, einem ehemaligen Bauernhof. Wir suchen nach Nachtfaltern, umgangssprachlich „Motten“ genannt. „Ich nehme mal an, dass hier gerade dutzende sind“, so die Schriftstellerin.
Cornelia Funke spricht so leise, als wollte sie die Nachtfalter nicht aufschrecken. Mit ihrem Buch „Nachtfalter“ will uns die Autorin sensibilisieren für diese vielfältigen Wesen, die meist im Schatten der Schmetterlinge stehen und die wir oft auf die Getreide- und Kleidermotte samt Schaden reduzieren.
Nachtfalter-Suche in Cornelia Funkes Garten
Es ist stockfinster, bis ich das Licht meiner Handy-Taschenlampe einschalte. Im Hintergrund scheint die Silhouette mächtiger Pinien auf. Mit dem künstlichen Licht steigt die Chance, Motten zu entdecken: „Man nimmt ja immer noch an, dass es wahrscheinlich daran liegt, dass sie die Sterne, das Sternlicht suchen – Da! Da ist doch eine!“
Eine Motte flattert nur ganz kurz durch den Lichtkegel der Lampe. „Und dass wir sie verwirren mit unserem ganzen elektrischen Licht und ihre Orientierung damit stören“, setzt Cornelia Funke wieder an.
„Es ist aber nicht bewiesen, dass das der Grund ist. Wir wissen ja auch alle, was für furchtbare Experimente Menschen dann machen, um so etwas zu beweisen. Also bin ich in Ordnung damit, dass ich das nicht genau weiß.“
21 Nachtfalter und ihre Geschichten
Die Buntstiftillustrationen von Jessica Frascht sind so präzise und plastisch, dass man die dargestellten 21 Nachtfalter mit ihrem teils flauschigen Rumpf und ihren seidenen Flügeln streicheln möchte. Etwa den Totenkopfschwärmer, der eine schädelartige Musterung hat und, erfährt man aus Funkes Text, dem auch nachgesagt wird, er überbringe Nachrichten von den Toten an die Lebenden.
Oder das Taubenschwänzchen, das wie ein Kolibri im Flug Nektar aus Blüten saugt. Im Sommer hat Funke Taubenschwänzchen beobachtet. Aber bei tausenden von Nachtfalter-Arten ist das Identifizieren meist extrem schwierig: „Dafür müsste man sie fangen. Und das möchte ich nicht.“
Ein Buch über unterschätzte Tiere
Cornelia Funke hört ein Käuzchen rufen. „Der frisst natürlich Motten“, lacht die Autorin. Das tun auch Fledermäuse. Der gelb-rosafarbene Chinesische Mondspinner verwirrt allerdings mit seinen verlängerten Flügelspitzen das Echolot der Fledermäuse.
„Nachtfalter“ ist aber nicht nur ein Buch über Motten als unterschätzte Tiere, sondern auch über den brutalen Umgang der Menschen mit ihnen. Etwa, wenn sie die Falter für Schmuckstücke töten oder für die Wissenschaft.
„Diese Grausamkeit nur weil wir wissen wollen. Wann hat sich das entwickelt?“, fragt Funke. „Wahrscheinlich war der Anfang die angebliche Aufklärung, wo Herr Descartes Hunde lebendig aufgeschnitten und gesagt hat, denen mache das nichts, sie sind ja nur Maschinen.“
„Mich fasziniert, dass sie ja doch immer ein bisschen an Geister erinnern“
Cornelia Funke dagegen harkt aus Mitgefühl kein Laub, weil sich darin die Raupen der Nachtfalter verstecken. Die Autorin hat die Motten richtig lieb gewonnen: „Mich fasziniert an Motten am meisten, dass sie so unglaublich schön sind und dass sie ja doch immer ein bisschen an Geister erinnern, nicht?“
Das Buch „Nachtfalter“ macht große Lust, nachts mal nicht zu schlafen, um diese zarten Wesen nun mit anderen Augen zu sehen.
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