DiscoverSWR2 Kultur AktuellWertvolle Sammlerstücke: Kabarettarchiv in Mainz zeigt Notentitelblätter der 20er-Jahre
Wertvolle Sammlerstücke: Kabarettarchiv in Mainz zeigt Notentitelblätter der 20er-Jahre

Wertvolle Sammlerstücke: Kabarettarchiv in Mainz zeigt Notentitelblätter der 20er-Jahre

Update: 2025-09-17
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Titelblätter von Noten zeigten das neue Selbstbewusstsein der Frauen


1928 besingt die heute fast vergessene Soubrette Trude Lieske ein Problem, das uns auch heute noch bekannt vorkommt: „Benjamin, ich hab nichts anzuziehen…“ Auf dem Titelblatt zu den Noten ist die Silhouette einer Frau im langen roten Kleid zu sehen. Theatralisch wirft sie die Arme über ihren Kopf mit dem damals typischen kurzen Bubikopf.
Dass die Frauen in den 20er-Jahren neues Selbstbewusstsein entwickelt haben – vor allem in den Großstädten – sei vor allem den Lebensumständen geschuldet, sagt Archivleiterin Martina Keiffenheim. Nach dem Ersten Weltkrieg seien viele Frauen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf sich gestellt gewesen, mussten ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen, um Miete und Essen zu zahlen. Sie wurden immer selbständiger und selbstbewusster.
„So, wie es gerade war, stellen die Notenhefte die Gepflogenheiten im Alltag auch dar“, so Martina Keiffenheim: „Die arbeitende Frau, die Frau, die modisch trägt. Die Frau, die tanzen geht, die Frau, die selbsttätig im Café bezahlt. Sie braucht keinen Mann dazu.“

Titelblätter erzählen vom Boxkampf und der Badelust am Wannsee


Ein erstes Role Model war die Sängerin Claire Waldoff. Sie trug schon früh Schlips und Hosen und lebte mit einer Frau zusammen. Nicht nur im Berlin der 20er-Jahre war sie ein Star. Genauso wie Max Schmeling. Denn auch vom Spaß am Boxkampf, der neu entdeckten Badelust am Wannsee und anderem Freizeitvergnügen erzählen die Notentitelblätter der Ausstellung.
„Rhönradturnen wurde erfunden in den Zwanzigerjahren“ erzählt Martina Keiffenheim. „Die Frau hat sich auch im Sport etabliert, hat sogar beim Tennisspielen einen besonderen Rock bekommen, damit sie sich auch wirklich bewegen konnte. Insgesamt war die Mode auch lässiger und auch nicht mehr eingeschnürt.“

Vor hundert Jahren hörten die Menschen Musik vor allem live


 Davon erzählen Original-Badeanzüge und Kleider aus der Zeit. An Hörstationen können die Besucher die Musik passend zu den Notentitelblättern anhören. Ein Raum – eingerichtet wie eine Zwanzigerjahrebar samt Tanzkapelle – lädt dazu ein, den Charleston einmal selbst auszuprobieren. Vor hundert Jahren hörten die meisten Menschen Musik vor allem live.
Das hat zur Vielfalt der Notentitelblätter geführt, sagt Martina Keiffenheim: „Radio hatten ja die wenigsten, Tonfilm ist später erst entstanden. Hausmusik haben viele gemacht. Und dadurch, dass durch Revuen und Operetten Lieder immer bekannter wurden und einzelne Lieder ausgekoppelt wurden, hat man sie dann eben vermarktet, so dass die Leute das nachspielen konnten.“

Vor 50 Jahren waren diese Titelblätter Altpapier


Rund 2500 Notentitelblätter gehören zum Bestand des Deutschen Kabarettarchivs in Mainz. Der 2010 verstorbene Archivgründer Reinhard Hippen kam durch Zufall an diese Sammlung. Denn die Noten in den 1960er -70er Jahren waren diese Noten Altpapier.
Karl Ebling, Musikalienhändler in Mainz, bot Reinhard Hippen damals solches  „Altpapier an“: „Hier in meinem Hinterzimmer, da stapelt sich das Altpapier, willst du das haben? Ein Kilo, eine Mark“, erzählt Martina Keiffenheim von der Anfrage des Händlers. „Und dann kam Hippen, der ja Grafikdesigner war. Er hat sofort diese Illustrationen gesehen und das Original-Material. Da hat er natürlich alles aufgekauft“, so Martina Keiffenheim.
Die aussagekräftigsten Titelblätter sind nun in der Ausstellung zu sehen. Einzelne davon sind inzwischen mehrere tausend Euro wert. 
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