Gertraud Klemm – Abschied vom Phallozän. Eine Streitschrift
Update: 2025-09-15
Description
„Es ist das Patriarchat, stupid“: In ihrem 140 Seiten starken Essay stellt Gertraud Klemm die These auf, dass wir nicht im „Anthropozän“, sondern im „Phallozän“ lebten. Umweltzerstörung, Kriege, Rassismus und globale Ungerechtigkeit: All diese Miseren seien das Produkt einer Männerherrschaft, die vor etwa 5000 Jahren begonnen habe. Die Menschheit wäre besser dran, so Klemm, wenn die Frauen das Sagen hätten.
„Eine matriarchalische Gesellschaft wäre auf jeden Fall gerechter, sowohl, was die Geschlechtergerechtigkeit betrifft, als auch, was die Ökonomie betrifft: Es gäbe keine Klassenunterschiede, und es gäbe auch keinen Rassismus oder keine ausbeuterischen Systeme“, meint die Autorin.
„Das bezieht sich auch auf die Natur, die respektvoll behandelt wird und nicht benutzt. Und last but not least: Die Spiritualität wäre eine vollkommen andere; die würde keinen transzendenten Gott kennen, es ginge eher um die Einbeziehung der Natur und des Prinzips des Lebens in alltägliche Handlungen.“
Die Patriarchats-Kritik, wie Gertraud Klemm sie in ihrem erfrischend kämpferischen Buch formuliert, haben andere Autorinnen – Kate Millet und Simone de Beauvoir etwa – auch früher schon artikuliert. In der öffentlichen Diskussion spielt dieser Ansatz dennoch eine marginalisierte Rolle.
Das will Klemm mit ihrer Streitschrift ändern. Natürlich weiß die Autorin, dass die Einführung eines Matriarchats im westlichen Konkurrenz-Kapitalismus bis auf weiteres Utopie bleiben muss. Deshalb plädiert sie zugleich für handfeste politische und soziale Reformen – für Reformen, die das Leben von Frauen und anderen benachteiligten Gruppen nachhaltig verbessern.
Der heutige Feminismus sei vielfach zu verkopft, kritisiert die Schriftstellerin, akademische Diskussionen über die richtige Platzierung von Gendersternchen sagten der Mehrzahl der Frauen nichts – und brächten ihnen auch nichts in der Tretmühle der täglichen Drei- und Vierfachbelastung.
„Ich glaube wirklich, dass wir uns wieder die Gummistiefel anziehen müssen und die Drecksarbeit angehen müssen. Wir sollten uns auf praktikable Lösungen konzentrieren in der Politik. Da nenne ich als Beispiel gerne, dass wir Verhütungsmittel auf Kasse fordern, dass man dem Schwangerschaftsabbruch endlich aus dem Strafgesetz rausbekommt, dass man sich wirklich endlich anschaut, wie das mit dem gleichen Geld für gleiche Arbeit ist.“
Vor einigen Wochen stand Gertraud Klemm wegen angeblich transfeindlicher Texte im Zentrum einer Cancel-Culture-Affäre, die ihr nicht nur Ärger, sondern auch viel Solidarität – und ein dreiseitiges „Spiegel“-Interview – eingebracht hat. Klemm dazu:
„Man kann nicht abstreiten, dass mir das auch genutzt hat. Das gebe ich zu. Aber ich möchte trotzdem dazu sagen, dass es mich sehr gekränkt und geärgert hat.“
Geärgert hat sich Gertraud Klemm nicht nur aus persönlichen, sondern auch aus politischen Gründen: Babyboomer-Feministinnen wie sie und jüngere Aktivist:innen des Queerfeminismus sollten sich nicht gegeneinander ausspielen lassen, fordert die Autorin:
„Das Abbild, das wir da jetzt quasi symbolisch hergestellt haben, ist fatal. Ich frage mich, was war der Preis? Und was hat es eigentlich zu gewinnen gegeben in der ganzen Sache? Und da gibt’s eigentlich nur Verliererinnen – und eine Menge Gewinner. Das sind dann halt die alten Patriarchen, die sich die Hände reiben und sagen können: Schaut, wir haben es euch ja gesagt: Die halten nicht zusammen, die lassen sich relativ schnell spalten.“
Und Spaltung, findet Gertraud Klemm, ist das Letzte, was feministische Bewegungen brauchen können – zumal in einer Zeit, in der nach Meinung vieler ein neuer männerbündlerischer Faschismus, ein Faschismus 2.0, vor der Tür stehen könnte.
„Eine matriarchalische Gesellschaft wäre auf jeden Fall gerechter, sowohl, was die Geschlechtergerechtigkeit betrifft, als auch, was die Ökonomie betrifft: Es gäbe keine Klassenunterschiede, und es gäbe auch keinen Rassismus oder keine ausbeuterischen Systeme“, meint die Autorin.
„Das bezieht sich auch auf die Natur, die respektvoll behandelt wird und nicht benutzt. Und last but not least: Die Spiritualität wäre eine vollkommen andere; die würde keinen transzendenten Gott kennen, es ginge eher um die Einbeziehung der Natur und des Prinzips des Lebens in alltägliche Handlungen.“
Nötige Reformen, um das Leben von Frauen zu verbessern
Die Patriarchats-Kritik, wie Gertraud Klemm sie in ihrem erfrischend kämpferischen Buch formuliert, haben andere Autorinnen – Kate Millet und Simone de Beauvoir etwa – auch früher schon artikuliert. In der öffentlichen Diskussion spielt dieser Ansatz dennoch eine marginalisierte Rolle.
Das will Klemm mit ihrer Streitschrift ändern. Natürlich weiß die Autorin, dass die Einführung eines Matriarchats im westlichen Konkurrenz-Kapitalismus bis auf weiteres Utopie bleiben muss. Deshalb plädiert sie zugleich für handfeste politische und soziale Reformen – für Reformen, die das Leben von Frauen und anderen benachteiligten Gruppen nachhaltig verbessern.
Ist der heutige Feminismus zu verkopft?
Der heutige Feminismus sei vielfach zu verkopft, kritisiert die Schriftstellerin, akademische Diskussionen über die richtige Platzierung von Gendersternchen sagten der Mehrzahl der Frauen nichts – und brächten ihnen auch nichts in der Tretmühle der täglichen Drei- und Vierfachbelastung.
„Ich glaube wirklich, dass wir uns wieder die Gummistiefel anziehen müssen und die Drecksarbeit angehen müssen. Wir sollten uns auf praktikable Lösungen konzentrieren in der Politik. Da nenne ich als Beispiel gerne, dass wir Verhütungsmittel auf Kasse fordern, dass man dem Schwangerschaftsabbruch endlich aus dem Strafgesetz rausbekommt, dass man sich wirklich endlich anschaut, wie das mit dem gleichen Geld für gleiche Arbeit ist.“
Feministinnen sollten sich nicht spalten lassen
Vor einigen Wochen stand Gertraud Klemm wegen angeblich transfeindlicher Texte im Zentrum einer Cancel-Culture-Affäre, die ihr nicht nur Ärger, sondern auch viel Solidarität – und ein dreiseitiges „Spiegel“-Interview – eingebracht hat. Klemm dazu:
„Man kann nicht abstreiten, dass mir das auch genutzt hat. Das gebe ich zu. Aber ich möchte trotzdem dazu sagen, dass es mich sehr gekränkt und geärgert hat.“
Geärgert hat sich Gertraud Klemm nicht nur aus persönlichen, sondern auch aus politischen Gründen: Babyboomer-Feministinnen wie sie und jüngere Aktivist:innen des Queerfeminismus sollten sich nicht gegeneinander ausspielen lassen, fordert die Autorin:
„Das Abbild, das wir da jetzt quasi symbolisch hergestellt haben, ist fatal. Ich frage mich, was war der Preis? Und was hat es eigentlich zu gewinnen gegeben in der ganzen Sache? Und da gibt’s eigentlich nur Verliererinnen – und eine Menge Gewinner. Das sind dann halt die alten Patriarchen, die sich die Hände reiben und sagen können: Schaut, wir haben es euch ja gesagt: Die halten nicht zusammen, die lassen sich relativ schnell spalten.“
Und Spaltung, findet Gertraud Klemm, ist das Letzte, was feministische Bewegungen brauchen können – zumal in einer Zeit, in der nach Meinung vieler ein neuer männerbündlerischer Faschismus, ein Faschismus 2.0, vor der Tür stehen könnte.
Comments
In Channel