Vasco da Gama - Ein Seefahrer verändert die Welt
Description
Seine Seereise von Portugal über Afrika nach Indien läutet Ende des 15. Jahrhunderts das Zeitalter der europäischen Dominanz in Afrika und Südostasien ein, eröffnet den Weg für Ausbeutung und Kolonialisierung. Von Steffi Illinger
Credits
Autorin dieser Folge: Steffi Illinger
Regie: Silke Wolfrum
Es sprachen: Ditte Ferrigan, Peter Weiß
Technik: Heiko Hinrichs
Redaktion: Karin Becker
Im Interview:
Dirk Friedrich, Historiker, Übersetzer, Herausgeber
Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:
Noch mehr Interesse an Geschichte? Dann empfehlen wir:
ALLES GESCHICHTE - HISTORY VON RADIOWISSEN
Skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Das Kalenderblatt erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum. Ein Angebot des Bayerischer Rundfunks.
DAS KALENDERBLATT
Literatur:
Dirk Friedrich: Vasco da Gamas erste Fahrt nach Indien 1497-1499. Ein Augenzeugenbericht. 2014
Luis de Camoes: Die Lusiaden. Hrsg. Von Dirk Friedrich 2013
Roger Crowley: Die Eroberer. Portugals Kampf um ein Weltreich. 2015
Ulli Kulke: Vasco da Gama. Die Suche nach den Gewürzinseln. 2011
Vasco da Gama:Die Entdeckung des Seewegs nach Indien. Ein Augenzeugenbericht 1497-1499, hrsg. Von Gernot Gierz, 1980
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
SPRECHERIN
Eine simple Grabplatte in einer Kirche, eingelassen im steinernen Fußboden - viel mehr erinnert nicht an den Mann, der die Portugiesen durch damals für sie unbekannte Gewässer bis hierhergeführt hat – an die legendäre Malabar-Küste in Südindien.
Lediglich sein Name ist hier eingraviert: Vasco da Gama – so steht es in der Franziskaner-Kirche der Stadt Kochi, der ältesten von Europäern gegründeten Kirche Indiens.
Vasco da Gama hatte als erster Europäer den Seeweg nach Indien gefunden.
Aus indischer Sicht endete hier allerdings keine Heldenreise: denn dieser Vasco da Gama hat mit seiner Entdeckungsfahrt auch das Zeitalter der Unterdrückung und Ausbeutung Indiens eingeleitet.
Ganz anders ist das Gedenken bis heute in Portugal:
OT 1 Dirk Friedrich
Also auf die Figur Vasco da Gama blickt man nach wie vor sehr, sehr positiv.
Vasco da Gama begegnet einem im Alltag ständig und überall. Es gibt Straßen und Plätze, sind nach ihm benannt und Hotels und Restaurants und Schulen, das Vasco-da-Gama-Shopping-Center, also Vasco da Gama, begegnet einem überall und ständig.
SPRECHERIN
Der Historiker Dirk Friedrich lebt und arbeitet in Portugal und hat im Eigenverlag auch den Augenzeugenbericht über die erste Reise dieses Vasco da Gama herausgegeben, den roteiro da primeira viagem de Vasco da Gama a India.
GERÄUSCH - Meerrauschen
ZITATOR – Augenzeugenbericht – wie ein „historischer“ Ansager
„Im Namen Gottes, Amen! Im Jahr 1497 sandte König Dom Manuel, der erste dieses Namens in Portugal, vier Schiffe auf Entdeckung aus, die Gewürze bringen sollten. Als Kommandant der Schiffe fuhr Vasco da Gama und von den anderen Schiffen befehligte eines sein Bruder Paulo da Gama und ein anderes Nicolao Coelho…“
MUSIK veni sanctus spiritus 0‘42
SPRECHERIN
Vasco da Gama ist etwa 28 Jahre alt, als ihn der portugiesische König Manuel I. auf die Seereise Richtung Indien schickt:
Vermutlich wird er um 1469 in Südportugal geboren und stammt aus niedrigem Adel, sein Vater ist Provinz-Gouverneur in Sines. Als Jugendlicher wird er aufgenommen in den Orden der Christusritter, zu seiner Zeit eine Art portugiesischer Kreuzritterorden der Seefahrt.
Sehr viel weiß man nicht über das Vorleben des Mannes, den der portugiesische König an die Spitze dieser bestens vorgeplanten Expedition stellt:
OT 2
Also sprich, er hat diesen Job nicht bekommen, weil er ein besonderer Seefahrer war. Sondern vermutlich eher, weil er über andere Fähigkeiten verfügte. Also das Kommando eines Schiffes, das Kommando einer Flotte und die Navigation des Schiffes, das waren zwei recht unterschiedliche Dinge. Und was Vasco da Gama also für die Position brauchte oder mitbrachte, das war vermutlich Entschlossenheit und er brachte wahrscheinlich auch diplomatische Fähigkeiten mit.
SPRECHERIN
Schon mehr ist über Art und Ausstattung der Expedition bekannt:Vasco da Gamas Fahrt fußt auf jahrzehntelangen Bemühungen der Portugiesen, in den Atlantik Richtung Süden vorzustoßen, Schritt für Schritt hatten sie sich an der afrikanischen Küste vorangeschoben. Ihr Ziel: das sagenhafte Land, wo der Pfeffer wächst. Der Handel mit den kostbaren Gewürzen Indiens war fest in muslimischer Hand, seit Konstantinopel 1453 durch die Osmanen erobert worden war. Der Landweg nach Indien war den Europäern verschlossen, also galt es, den Seeweg zu finden.
MUSIK Manfredina e rotta (C1433700016) 0‘25
Rund 10 Jahre vor Vasco da Gama erreicht Bartolomeu Dias im Jahr 1488 das sturmumtoste Cap der guten Hoffnung an der Spitze Südafrikas. Er tut dies mit wendigen Karavellen, dreimastigen Segelschiffen mit wenig Tiefgang, ideal, um die Flüsse des unbekannten Kontinents zu erkunden – aber unpraktisch auf hoher See.
Nach der Umrundung des Caps zwingt ihn seine Mannschaft zur Umkehr, doch seit Dias` Fahrt ist klar: Afrika kann umfahren werden, der Weg Richtung Indien liegt im Bereich des Möglichen.
Für die erneute Expedition hat die Seefahrtsbehörde des Königs einen neuen Schiffstyp entwickeln lassen, die Nao: sie konnte härter am Wind segeln und der unruhigen Tiefsee trotzen, und gleichzeitig mehr Ladung und Proviant aufnehmen für die endlose Reise in unbekannte Gewässer.
MUSIK L’homme armé 0‘33
SPRECHERIN
Die Einschiffung von Vasco da Gama und seiner Mannschaft im Juli 1497 ist ein pompöser Staatsakt:
In der Lissaboner Kathedrale werden die Kommandanten der vier Schiffe feierlich gesegnet, König Manuel und die Bevölkerung verabschieden die Seefahrer ein zweites Mal an der Tejo-Mündung, bevor sie die Segel mit den markanten roten Kreuzen des Christusritterordens hissen und Richtung Atlantik am Horizont verschwinden.
Mit Vasco da Gama segeln:
rund 150 Mann Besatzung und 12 Strafgefangene, vorgesehen für Landgänge in unbekannten Territorien.
Mitgeführt werden außerdem Briefe König Manuels an die christlichen Herrscher in Indien, denn die Portugiesen gehen davon aus, dass sie christliche Königreiche finden werden.
An Bord sind zudem zwanzig Geschütze und die sogenannten Padroes, steinerne Wappensäulen, die die portugiesische Landnahme markieren sollen.
GERÄUSCH / Meeresrauschen
Vasco da Gama segelt südwärts, vorbei an den Kanaren und den Kapverden, doch dann bricht er mit der Schifffahrts-Route seiner Vorgänger. Er hangelt sich nicht an der Küste Westafrikas entlang, sondern folgt den Passatwinden und Meeresströmungen und schlägt Kurs Südwest ein, fährt mitten hinein in den atlantischen Ozean. Drei Monate befinden sich die Portugiesen auf hoher See, sehen nichts als Wasser, Wellen und Wolken, bevor der Kommandant Richtung Osten beidrehen lässt, um so besser um das gefürchtete Kap herum zu kommen – was ihm mit einigen Rückschlägen auch gelingt.
OT 3
Dem Bericht zufolge hat er genau die Eigenschaften, wegen der er vermutlich ausgewählt wurde. Also er war entschlossen.
Er war grundsätzlich diplomatisch und abwägend, war aber auch jederzeit in der Lage, hart durchzugreifen und sich Respekt zu verschaffen. Er lässt foltern, er lässt Geiseln nehmen, wenn ihm das eben unterwegs opportun erschien.
MUSIK Maluf 0‘29
SPRECHERIN
Mit seinen vier Schiffen tastet er sich an der Küste Ostafrikas entlang Richtung Norden und hinein in den arabisch-muslimisch geprägten Kulturraum – über Mosambique und Mombasa bis nach Malindi. Nicht überall sind die Fremden willkommen, doch im Hafen von Malindi nimmt der lokale Fürst die Fremden freundlich auf und stellt ihnen einen Lotsen zur Verfügung, mit dem Vasco da Gama die Überfahrt wagen kann, über den indischen Ozean.
Denn im Gegensatz zur Route entlang der afrikanischen Küste handelt es sich hier um einen vielbefahrenen Seeweg, auf dem Gewürze, Seide, Juwelen von China über Indien nach Persien und Ägypten verschifft werden.
Nach nur 23 Tagen taucht die palmengesäumte Küste Südindiens auf:
SPRECHERIN
Drei Tage später erreichen sie ihr Ziel, die Hafenstadt Kalikut, Umschlagplatz für den asiatisch-arabischen Gewürzhandel, Zwischenstation auf den Handelsrouten einer längst globalisierten Welt, in der die Europäer die eigentlichen Randfiguren sind.
OT 4
Ich glaube tatsächlich, dass das die Portugiesen davon überrascht waren, wie groß der dortige Handelsplatz ist, wie international dort Handel getrieben wird und in welch ein politisches und kulturelles Zentrum sie dort kommen. Das hat die Portugie