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Weike Wang – Die Ferien | Buchkritik

Weike Wang – Die Ferien | Buchkritik

Update: 2025-09-16
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Keru und Nate sind seit fünf Jahren verheiratet. Sie machen Urlaub am Cape Cod – jene Halbinsel an der Ostküste der USA, in deren Licht Eduard Hopper über dreißig Jahre lang malte und die bei US-Präsidenten seit den Kennedys beliebt ist. Dass das Paar am Cape Cod nur bedingt zur Ruhe kommt, liegt daran, dass sie nacheinander ihre Eltern zu sich eingeladen haben.
Und die beäugen ihre Beziehung zum Teil kritisch: Kerus Eltern sind aus China in die USA eingewandert, als sie sechs Jahre alt war. Nates Eltern stammen aus North Carolina. Dass ihr Sohn mit einer Einwanderin zusammen ist, führt zu vielen Fragen, in denen stets Vorurteile mitzuschwingen scheinen. So interessiert sich Nates Mutter mit großer Ausdauer für das Thema Staatsbürgerschaft: 

Er erklärte ihr den Prozess in allen Einzelheiten. Um die US-Staatsbürgerschaft zu erhalten, hatten Keru und ihre Eltern ihre roten chinesischen Pässe abgegeben, und zwar bevor Keru das Teenageralter erreicht hatte. Sie hatten sich einer schriftlichen und mündlichen Prüfung unterzogen, den Treueschwur auf die Fahne geleistet, sich fest die Hände schütteln und gratulieren lassen, Sie befinden sich nun im Land der Freiheit, also das, was Ihre frühere Heimat nicht ist.

Quelle: Weike Wang – Die Ferien



Migrationserfahrung und sozialer Aufstieg als Themen 


So wie ihre Protagonistin hat auch Weike Wang als junges Mädchen China mit ihren Eltern verlassen. Dass sie in Harvard Chemie studiert und promoviert hat, merkt man ihrem Roman deutlich an. Mit wissenschaftlicher Präzision hält sie Situationen fest, in denen die chinesische und die amerikanische Kultur aufeinanderprallen.
Gerade Keru, die in einer Beraterfirma Karriere macht, sitzt zwischen den Stühlen. Ihr ist der soziale Aufstieg zwar gelungen, ihre Herkunft kann sie aber ebenso wenig abschütteln wie die Bilder der einfachen, amerikanischen Familie, die sie im Kopf hat:  

Kerus Eltern konnten sich nicht mehr assimilieren, aber ihre Tochter vielleicht schon. Keru fühlte sich zweierlei Kräften ausgesetzt, dem Druck ihrer Eltern, die sie zur Assimilation drängten, und der Anziehungskraft der sagenumwobenen weißen Familie, in der man als schlimmste Strafe ohne Hackbraten ins Bett geschickt wurde und unter eingespieltem Gelächter hinauf ins Zimmer stapfte, in das wenig später dann doch noch die Mutter kam, mit Schokolade, und einem zur Nacht einen Kuss auf die Stirn drückte.

Quelle: Weike Wang – Die Ferien



Trockener Humor und genauer Blick auf die USA von heute 


Weike Wangs Roman überzeugt nicht nur mit plastisch gezeichneten Figuren, sondern auch mit seinem trocknen Humor und einem genauen Blick auf die gespaltene US-Gesellschaft von heute: So leben Nate und Keru in New York, ihre Eltern aber in ländlichen Gegenden in North Carolina und Minnesota.
Dass sich Nate, der als Biologe ausgerechnet zum Verhalten von Fruchtfliegen forscht, von seinen Eltern entfremdet hat, liegt aber nicht nur an den unterschiedlichen Lebenswelten, sondern hängt auch mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im Jahr 2016 zusammen: 

Dummerweise hatte Keru auch ihre Mutter um Rat gebeten, die Nates Entfremdung von seiner Mutter sofort als impulsiv abgetan hatte. Jungen Menschen fehlt die Perspektive«, sagte sie. Die haben noch nicht gelernt zu leiden. Im schlimmsten Fall ist derjenige, den sie gewählt haben, acht Jahre im Amt. Was ist das schon im Vergleich zu einer ganzen Kindheit unter dem Vorsitzenden Mao? – Irgendwann kam immer die Mao-Karte ins Spiel. Genau wie die Trump-Karte.

Quelle: Weike Wang – Die Ferien



„Die Ferien“ berührt als Buch, das davon handelt, wie Herkunft den weiteren Lebensweg beeinflusst. Der Roman unterläuft auf geschickte Weise die US-amerikanische Erzählung, dass jeder es allein mit harter Arbeit zu etwas bringen kann. Das wird vor allem in Nates trostlosem Alltag als Juniorprofessor deutlich, der sich mit Beschwerden von Studierenden und endlosen Sitzungen in Ausschüssen herumschlagen muss.
Weike Wang hat mit „Die Ferien“ einen Roman vorgelegt, der sich einerseits als unterhaltsame Ferienlektüre anbietet, der andererseits aber auch als lakonisch geschriebenes und schonungsloses Porträt der US-Gesellschaft überzeugt.
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