Fleischfrage

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Update: 2019-11-1511
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62 - Fleischfrage


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19. Fleischfrage


Transkription des Textes

„Fleischfrage“


Weltweit wächst der Appetit auf Fleisch. Unser hoher Fleischkonsum fördert weltweit Entwaldung, Klimawandel und Nahrungsmittelknappheit. Wir wollen heute über das Thema ein wenig anders diskutieren und zum Nachdenken anregen.


Gibt es ein Menschenrecht auf Wurst?


Das ist eine schwierige Frage. Es gibt ein „Recht auf angemessene Ernährung“- Artikel 11 des internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, formuliert im UN-Sozialpakt. Weltweit leiden etwa 1 Milliarde Menschen an Unterernährung und Hunger. Weitverbreitete Armut ist in jedem Fall der wichtigste Grund dafür. Unser hoher Fleischkonsum und Unterernährung in Entwicklungsländern hängen durchaus zusammen. Aber ob wir ein Recht auf Fleisch haben? Angesichts der Tatsache, dass durch den weltweit wachsenden Fleischkonsum Tierweiden und Futtermittelanbau große Flächen belegen, die oft für die Nahrungsmittelproduktion fehlen, ist unser Recht auf Fleisch durchaus zweifelhaft.


Wie hat sich der Fleischkonsum in den letzten Jahren entwickelt?


Der Konsum an Fleisch ist in den letzten 20 Jahren in allen Regionen der Erde außer in Afrika angestiegen – in den Industrieländern durch das bereits sehr hohe Niveau nur mäßig, in manchen Schwellenländern jedoch beträchtlich. China verzeichnete von 1992 bis 2002 einen Anstieg um 70 Prozent. Heute liegt der Pro-Kopf-Verbrauch dort bei 52 kg. In den Industrieländern verbrauchen die Menschen pro Kopf und Jahr etwa 80 kg Fleisch, in den Entwicklungsländern mit etwa 25 kg deutlich weniger. Eine Ausnahme ist Indien, wo trotz steigenden Wohlstands im Schnitt nur 5 kg Fleisch pro Kopf und Jahr gegessen werden.


Was ist die Folge dieser Entwicklung?


Der Bedarf hat sich erhöht, und folglich ist auch die Produktion von Fleisch in den letzten Jahrzehnten rasant gestiegen. Seit 1970 kam es zu einer Verdreifachung auf fast 300 Millionen Tonnen im Jahr 2010. Im gleichen Zeitraum, also innerhalb von 40 Jahren, hat sich die Weltbevölkerung nur etwas mehr als verdoppelt. Das Problem: Die Fleischproduktion bedarf immenser Flächen. Von den weltweit ca. 5 Milliarden Hektar landwirtschaftlich genutzten Flächen werden fast 80 % von der Viehwirtschaft beansprucht. Dabei stellen tierische Lebensmittel im Schnitt nur 17 % der weltweiten Ernährung. Die Viehwirtschaft belegt also riesige Flächen, die nicht anders genutzt werden können.


Wird dieses Problem zukünftig bestehen? Was sagen die Prognosen?


Der Anbau von Futtermitteln für Tiere, die immer seltener auf Weiden grasen, ist ein wesentlicher Faktor für diesen hohen Flächenbedarf. Allein 3596 des weltweit angebauten Getreides sind inzwischen für die Viehwirtschaft bestimmt. Die vorhandene Ackerfläche ist jedoch endlich und sie wird nicht ausreichen, wenn die Nachfrage nach Fleisch weiterhin wächst. Nach Berechnungen des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit würde im Jahr 2050 die komplette Ackerfläche der Welt benötigt werden, um den Bedarf an Eiweißfuttermitteln für die Tierhaltung zu decken.


Wäre Soja nicht eine gute Lösung?


Die Soja-Anbaufläche verdoppelte sich in den vergangenen 20 Jahren von etwas über 50 auf 100 Mio. Hektar. Der stärkste Anstieg fand in Südamerika statt. Wir Europäer, so auch wir Deutsche sind an dieser Entwicklung beteiligt. In Brasilien, Argentinien und Paraguay sind über 3096 der gesamten Sojaanbaufläche nur für den Export in die Europäische Union bestimmt. Die EU importierte 2010 etwa 35 Millionen Tonnen an Sojaprodukten. Knapp 20 % landen in Deutschland. Davon geht der überwiegende Anteil – rund 80 % – als Sojamehl in die Futtertröge von Schweinen, Hühnern und Rindern, die wir essen. Wir haben es mit unserem Ernährungsverhalten also auch täglich ein Stück weit selber in der Hand, die Zerstörung der Lebensräume in Lateinamerika zu bremsen.


Ist nicht jedes Steak ein Holzfällersteak?


Im Grunde ja. Denn in jedem konventionell erzeugten Steak steckt immer auch ein Stück Wald. Für Viehweiden und den Anbau von Futtermitteln für unsere Schweine, Hühner und Rinder werden in Südamerika große Waldflächen gerodet. Wie viel „Wald“ in einem Schnitzel steckt, steht leider auf keiner Verpackung. Der größte Teil unseres Fleisches stammt zwar von hiesigen Rindern, Schweinen oder Hühnern. Doch vor allem die letzten beiden Arten werden viel mit Soja gefüttert. So sind in einem 150 Gramm Schnitzel 100 Gramm Sojamehl „versteckt“. Um den deutschen Fleischhunger zu stillen, müssten wir auf einer Fläche so groß wie Sachsen Soja anbauen.


Müssten wir – tun wir es nicht?


Nein, das tun wir nicht. Stattdessen belegen wir vor allem in Lateinamerika Flächen oft auf Kosten wertvoller und artenreicher Wilder. Die brasilianische Waldsavanne, die argentinischen Nebelwälder und Trockenwälder oder der atlantische Regenwald in Paraguay wurden und werden in weiten Teilen für Sojaplantagen und Weideflächen gerodet. Ob für Weiden oder Futtermittel — alle haben eines gemeinsam: Der weltweit wachsende Appetit auf Fleisch bedroht diese Schatzkammern der Artenvielfalt. Bereits jetzt wird ca. ein Drittel der weltweiten Landfläche für die Viehwirtschaft genutzt. Und die Nachfrage nach Burgern, Steaks und Co steigt weiterhin.


Ist Fleischkonsum überhaupt noch Privatsache?


Gute Frage. Unser hoher Fleischkonsum fördert weltweit Entwaldung, Klimawandel und Nahrungsmittelknappheit. Weltweit wächst der Appetit auf Fleisch. Der Grund ist, Fleisch ist in den vergangenen 60 Jahren zum Alltagsprodukt geworden, das sich jeder täglich leisten kann. 0b der Fleischkonsum noch Privatsache ist, das muss sich jeder selbst beantworten.

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