13-Jährige mit dem Sturmgewehr: Im EU-Mitgliedsland Polen steht Schießtraining auf dem Stundenplan
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Wie tief will Europa noch sinken? „Polen hat in Vorbereitung auf einen möglichen russischen Angriff Schusswaffenunterricht für Grundschüler zur Pflicht gemacht“ – so lautet eine aktuelle Schlagzeile der Deutschen Welle. Dazu gibt es ein Video, das 13-, 14-jährige Teenager beim Schusswaffentraining in der Schule zeigt – unter Aufsicht der Schulleitung. Halten wir fest: Wir schreiben das Jahr 2024, und in einem EU-Mitgliedsstaat lernen halbe Kinder das Schießen aufgrund eines als real ins Auge gefassten Krieges gegen Russland. Wie tief will dieses Europa noch sinken? Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
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Kindersoldaten – darüber echauffiert sich der Westen gerne. Laut UN-Kinderrechtskonvention zählen alle Kriegsteilnehmer unter 15 Jahren als Kindersoldaten. UNICEF oder Amnesty International bezeichnen alle Kriegsteilnehmer bis zum Alter von 18 Jahren als Kindersoldaten.
Nun sehen wir in Polen zwar keine Kinder, die im Krieg kämpfen, aber dafür Teenager, die in der Schule ein Waffentraining durchlaufen – und zwar im Hinblick auf einen Krieg. Doch Empörung gibt es vom vorgeblich moralisch so integren Westen nicht.
Die Deutsche Welle (DW) ist vor Ort und berichtet von einer Schule, „(…) wo 13- und 14-Jährige sich selbst bewaffnen mit Sturmgewehren und Pistolen, die ausgelegt auf den Tischen liegen – unter der Aufsicht der Schulleiterin“. Die Schulleiterin kommt in dem Beitrag auch zu Wort: „Im Zustand der Welt ist dieses Training sehr wertvoll.“ Die Stimme aus dem Off erklärt: „Sie bezieht sich auf die russische Invasion der Ukraine. Polen fühlt sich bedroht und möchte, dass junge Leute so früh wie möglich mit Waffen umgehen können.“
Auch ein Bürgermeister äußert sich in dem Bericht. Er steht in der Schule mit einem Sturmgewehr und sagt, das Ministerium habe das Schusswaffentraining angeordnet – schließlich seien die Schüler nicht zu jung zum Schießen. „Die Leidenschaft für das Schießen entwickelt sich von einem jungen Alter an, wie für jeden anderen Sport.“ DW berichtet, dass bis vor drei Monaten das Schusswaffentraining noch freiwillig gewesen sein. Und: Die Eltern scheine der Schießunterricht nicht zu stören – im Gegenteil. Wie tief ist Polen gesunken? Wie tief will dieses Europa noch sinken?
Die Aufnahmen zeigen noch halbe Kinder, wie sie sich in ihrer Naivität am Schusswaffentraining erfreuen und offensichtlich überhaupt gar nicht verstehen, dass sie vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt im Fleischwolf des Krieges elendig verrecken werden. Sie wissen nichts von der geo- und tiefenpolitischen Dimension des Krieges in der Ukraine. Sie begreifen noch nicht, was „Feindbildaufbau“ heißt, wie sie auf perfide Weise manipuliert werden und wie die, denen die Aufsicht obliegt, vermutlich selbst der Manipulation von außen unterliegen.
Das Verhalten und Auftreten der Schulleiterin und der anderen Erwachsenen in dem Bericht ist erschütternd. Der Eindruck drängt sich auf, dass all das Wissen – das über die Lügen, die im Vorfeld eines Feindbildaufbaus beobachtet wurden, das von all den Halbwahrheiten und Realitätsverdrehungen, die im Vorfeld von Kriegen festgehalten wurden – spurlos an ihnen vorbeigegangen ist. Sie scheinen so auf Linie, wie es sich ein Staat, der von einem möglichen Angriff Russlands redet, kaum besser wünschen könnte.
Fragen drängen sich auf: Wieso unterstützten die EU und Deutschland noch ein Land finanziell, in dem Kinder im Hinblick auf einen Krieg mit Waffen ausgebildet werden?
Und: Wenn Medien, wenn Politik, wenn die europäische Öffentlichkeit hinnimmt, dass in einem EU-Mitgliedsland Schießunterricht für 13-Jährige Pflicht ist, wie wird es weitergehen in anderen Ländern Europas?
Schulen haben eine Fürsorgepflicht. Schulen sollen für Kinder und Jugendliche ein geschützter Ort sein. Kriegspropaganda hat an ihnen nichts zu suchen. Man mag sich gar nicht vorstellen, mit welchen Feindbildvorstellungen die jungen Europäer in Polen indoktriniert werden. Irgendwie muss das Schusswaffentraining ja begründet werden.
Tritt dem denn wirklich niemand entgegen?
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Titelbild: kirill_makarov/shutterstock.com