Russischer Angriff auf die NATO: Wenn aus Journalismus Propaganda wird
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„Strack-Zimmermann über Putins Pläne: Bereitet einen Angriff auf die NATO vor“ – so lautet eine aktuelle Überschrift einer dpa-Meldung, die auf Stern.de veröffentlicht ist. Und so ähnlich lauten die Überschriften zahlreicher Artikel, die die Aussage der FDP-Politikerin aufgreifen. Das Problem: Substanzielles zur Untermauerung dieser schier ungeheuerlichen Aussage findet sich nicht. Und so entsteht: furchtbare Propaganda. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
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Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagt, Putin bereite einen Angriff auf die NATO vor. Und Medien springen auf die Aussage, als handelte es sich dabei um eine exklusive Nachricht. Doch damit diese Aussage tatsächlich zu einer Nachricht werden könnte, müsste sie durch Substanzielles untermauert werden. Das fehlt allerdings. Darauf weist die dpa auch richtigerweise hin. So heißt es, Strack-Zimmermann „glaubt“ an einen russischen Angriff:
„Ihren Angaben nach bereite das russische Staatsoberhaupt einen Angriff auf die NATO vor, schreibt die dpa und zitiert Strack-Zimmermann: „Wir wissen, dass Putin sich vorbereitet darauf, möglicherweise Ende der 20er – wobei so eine Zahl immer gegriffen ist – auch einen Nato-Staat anzugreifen”. Schließlich merkt die Nachrichtenagentur an: „Woher sie diese Informationen hat, sagte sie nicht.“
Gut, dass die Redaktion das klar hervorhebt. Nur: Wenn die Basis für die Aussage Strack-Zimmermanns im Nebel bleibt, dann machen sich Medien, die trotzdem darüber berichten, der Propaganda schuldig. Denn was soll eine derartige Aussage sonst sein als eine fürchterliche Stimmungsmache gegen Russland, wenn keine harten Beweise vorgelegt werden? Zumal: Die Aussage an sich ist nicht neu. Seit geraumer Zeit ist immer wieder – in ebensolcher Vagheit – zu hören, dass Russland einen NATO-Staat angreifen könnte. Was ist also an der Aussage Strack-Zimmermanns so besonders, dass die dpa sie ohne tragfähiges Fundament als Nachricht verkauft und sie so Medien Land auf Land veröffentlichen?
Bei Lichte betrachtet: nichts. Trotz des Ungeheuerlichen, das in der Aussage mitschwingt, hat sie für einen seriösen Journalismus keinerlei nachrichtlichen Wert. Und zwar auch deshalb nicht, weil Strack-Zimmermann und ihre Positionierung in Bezug auf Russland bekannt sind. Sie kann als Hardlinerin eingeordnet werden. Die Aussage, dass Russland plane, einen NATO-Staat anzugreifen, passt genau in das Konzept jener Kreise, die sich für die Politik der harten Hand gegenüber Russland aussprechen. Und sie passt auch genau in das Konzept jener, die eine immer weitere Aufrüstung der NATO befürworten. Anders gesagt: Wenn Journalisten überhaupt eine derartige Aussage aufgreifen wollten, müsste das erfolgen, was Medien doch vorgeben, so gerne zu machen: Einordnung! Wo ist der begleitende kritische Kommentar, der Strack-Zimmermann und ihre Haltung zu Russland und zum Krieg in der Ukraine einordnet? Wo sind kritische Stimmen von Experten, die eine andere Sicht vertreten? Fehlanzeige!
Am Ende bleibt beim Mediennutzer hängen: Russland wird bald einen NATO-Staat angreifen. Das ist eine furchtbare Propaganda und journalistisch nicht zu rechtfertigen.
Anmerkung der Redaktion:
Nachfolgend einige Schlagzeilen zu der „Nachricht“:
t-online: Strack-Zimmermann warnt vor baldigem Putin-Angriff
Tagesspiegel: „Wir wissen, dass Putin sich vorbereitet“: Strack-Zimmermann warnt vor russischem Angriff auf die Nato
Welt: Strack-Zimmermann warnt vor Putin-Angriff auf Nato
MSN: Strack-Zimmermann warnt vor Putin-Angriff auf Nato
Yahoo Nachrichten: Strack-Zimmermann warnt vor Putin-Angriff und fordert höheren Wehretat (von der Nachrichtenagentur AFP)
Titelbild: Juergen Nowak/shutterstock.com