DiscoverTreffpunkt KlassikHokuspokus Hexenschuss – Engelbert Humperdinck kann mehr als „Hänsel und Gretel“
Hokuspokus Hexenschuss – Engelbert Humperdinck kann mehr als „Hänsel und Gretel“

Hokuspokus Hexenschuss – Engelbert Humperdinck kann mehr als „Hänsel und Gretel“

Update: 2025-09-01
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Engelbert Humperdincks Epoche war eine Welt voller Fantasie und moderner Wunder. Und sein Werk ist wie ein magischer Trank, der uns mit Sehnsucht erfüllt und in diese ferne Welt entführt.

Quelle: Aus der Festschrift „Hokuspokus Hexenschuss“



Mit diesen Worten beginnt die neue Festschrift „Hokuspokus Hexenschuss“. Sie knüpft an die große Ausstellung zum hundertsten Todestag Humperdincks im Jahr 2021 und die Neugestaltung der Humperdinck-Dauerausstellung im Stadtmuseum Siegburg an.

Das Libretto für „Hänsel und Gretel“ schreibt Humperdincks Schwester


Dort gesetzte Themenschwerpunkte werden nun in der von Christian Ubber und Philipp Haug herausgegebenen Festschrift vertieft. Darunter Humperdincks Librettistinnen und Librettisten, allen voran seine Schwester Adelheid.
„1890 bat Adelheid den Bruder Engelbert, der ihr schon früher mehrfach mit seinen kompositorischen Fähigkeiten unter die Arme gegriffen hatte, erneut und dringlich, für sie eine weitere ‚Kleinigkeit‘ zu erledigen“, heißt es im Buch, „er möge die vier Kinderlieder, die in dem von ihr gedichteten Märchenspiel (…) vorkamen, zu einem Singspiel für ihre eigenen Töchter vertonen.“
Das Ergebnis: die Märchenoper „Hänsel und Gretel“. Richard Strauss dirigiert die Uraufführung, Cosima Wagner und Johannes Brahms zeigen sich begeistert.

Königskinder: Schwerer Stand unter den Nationalsozialisten


Doch der Triumph der krümelsuchenden Hexenvernichter überstrahlt Humperdincks Leben und Werk bis heute. Andere Musik des Komponisten findet sich kaum auf den Spielplänen. Die aktuelle Festschrift „Hokuspokus Hexenschuss“ lenkt den Blick deshalb bewusst auf ein anderes zentrales Werk: das Melodram „Königskinder“.
„Engelbert Humperdincks in New York uraufgeführte Oper hatte ab 1933 auf den Spielplänen der deutschen und österreichischen Opernhäuser einen schweren Stand“, schreibt Christian Ubber in einem Beitrag. „Der Grund war der jüdische Hintergrund der Librettistin Elsa Bernstein, die 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert wurde.“
Trotzdem wurde die Oper gespielt. Dafür sorgte Humperdincks Sohn Wolfram, Regisseur und Intendant in Leipzig und Kiel. In seiner Korrespondenz mit der NSDAP und der Reichstheaterkammer rechtfertigt er Aufführungen mit teils „eigenwilligen“ Argumenten: „Wie tiefgreifend der Eingriff meines Vaters in die Originaldichtung (…) war, geht aus der Tatsache hervor, dass die Dichterin gegen die neue Form des Buches heftig Protest erhob (…).“
Tatsächlich aber hat es diesen Streit nie gegeben. Im Gegenteil: Humperdinck zeigt sich von der Arbeit der Textdichterin so angetan, dass er sogar eine ganze Oper mit ihr plant. Erst in den 1960er-Jahren stellt Wolfram Humperdinck die Geschichte in einem neuen Licht dar.

Pionier im Schatten der großen Meister


Engelbert Humperdinck ist ein Pionier im Schatten der großen Meister. Dabei erkennt sogar Richard Wagner sein Talent und holt ihn als Assistenten nach Bayreuth. Später unterrichtet Humperdinck dann Wagners Sohn Siegfried. Auch Kurt Weill, Leo Blech oder Friedrich Hollaender holen sich tonsetzerische Anregungen bei ihm.
Besonders spannend aber ist der Fall Robert Stolz – denn ob er tatsächlich bei Humperdinck Unterricht hatte, ist bis heute unklar. In seiner eigenen Biografie heißt es: „In der Kunst der Instrumentierung und der Umsetzung musikalischer Ideen und Gedanken in die Wirklichkeit des Szenischen hat ihm der Klassiker der Märchenoper und Schöpfer subtiler Bühnenmusiken (…) den Weg gewiesen.“
Stolz’ Vater ist angeblich mit Humperdinck befreundet, und auch am Wiener Konservatorium wird Stolz offiziell als „Humperdinck-Schüler“ geführt – obwohl der dort nie unterrichtet hat. Auch Humperdincks Tagebücher enthalten keine Hinweise. Ob Stolz also einen echten Lehrer gemeint hat oder eher einen geistigen Mentor bleibt offen…

Licht im Dunkel der Humperdinck-Forschung


Seit gut drei Jahrzehnten bemüht sich die Forschung, das märchenhafte Bild Humperdincks zu korrigieren. Die aktuelle Festschrift zeigt den Romantiker deshalb auch als Wagner-Schüler, als Lehrer namhafter Komponisten, als Erfinder einer eigenen Notation für seine Königskinder.
Sogar filmische Pläne beschäftigen ihn. 1917 notiert er in seinem Tagebuch „Wolframs Vorschlag eines gemeinschaftlichen Filmwerks.“ Auch die deutsch Nationalzeitung Berlin lässt er wissen: „Meine nächste Arbeit wird (…) ein größeres musikalisches Filmwerk sein, dessen Handlung in Einzelheiten noch nicht ganz feststeht.“ Welches Werk Humperdinck meint, ist unbekannt. Krankheit und Schlaganfall überschatteten seine letzte Jahre.
Die neue Festschrift „Hokuspokus Hexenschuss“ bringt Licht in so manche dunkle Ecke der Humperdinck-Forschung. Sie fügt sich als weiterer Mosaikstein in das Gesamtbild des Spätromantikers ein. Und auch wenn sie sich eher an ein Fachpublikum richtet, macht sie doch neugierig auf ein Gesamtwerk, das weit über „Hänsel und Gretel“ hinausreicht – und von dem bis heute zu Unrecht vieles ungehört ist.
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